• Zum Frühstück die Nachrichten.

    Zum Frühstück die Nachrichten.

    Da geht es gleich mal minutenlang um Trump, der unter anderem in Sachen Übernahme von Grönland dem NATO-Chef sagt, er könnte die NATO dafür brauchen. Dieser antwortet diplomatisch ausweichend, er wolle die NATO da raushalten. Haben beide vergessen, dass Dänemark von Anfang an NATO-Mitglied ist? Schon wieder drängt sich die Frage auf , in welchem dystopischen Paralleluniversum wir gelandet sind, aber dummerweise ist es halt stattdessen immer noch unsere eine und einzige Welt, die von bösartigen Narren regiert wird.

    Oder, wie kürzlich ein alter Hippie meinte: Ich hätte mir wirklich nie vorstellen können, dass wir eines Tages auf die Vernunft der NATO hoffen müssen.


    Zum letzten Schluck Kaffee erinnere ich ein Traumbild, leider keine Geschichte: Ich vor einem Friseurspiegel, eine alte Freundin toupiert mir eine üppige 80er-Jahre Fönfrisur1. Das werd ich mir merken, um es bleiben zu lassen. Derweil geht Ö1 zu Lyrik über, ein Vollmondgedicht von Annette von Droste-Hülshoff, und der Sprecher erzählt von der nächtlichen Mondfinsternis. Das würde mich ja auch schon wieder an etwas erinnern, aber, ach, die Arbeit wartet.

    1. Das h in Fön wurde absichtlich weggelassen. ↩︎

  • Stadtwanderweg 7

    Warm ist es heute, und windig. Ideal um eben mal 15 Kilometer den Stadtwanderweg 7 entlangzuhatschen, dachte ich. Der Startpunkt ist öffentlich von mir aus gut zu erreichen, aber die Straßenbahn ist gerade gefahren. Ein paar Extraschritte also, weil warten ist nicht meins, und Anblicke gibts überall.

    Wie ich so vor mich hinging, hörte ich plötzlich trapselnde Schritte neben mir. Ein Beagle ging mir wie selbstverständlich bei Fuss und schaute, als ich stehenblieb, vertrauensvoll zu mir hoch. „Zu wem gehörst du denn?“ fragte ich und schaute mich um, doch die Straße war menschenleer. Der Hund sagte auch nichts. „Wo bist denn daheim?“ – statt einer Antwort leckte er meine Hand ab.

    Die Idee eines vierbeinigen Wandergefährten gefiel mir, aber er schien gut genährt und gut gepflegt und trug ein hochwertiges Leinengeschirr, ein Streuner war das nicht. Ich setzte mich auf ein Mäuerchen und sprach freundlich auf den Hund ein, vielleicht trug er ja eine Telefonnummer am Halsband? Da ging die Tür eines Lokals auf, das eben noch sehr geschlossen ausgesehen hatte. „Wissen Sie zu wem der Hund gehört?“ fragte ich den Mann, der einen Eimer Wasser in den Rinnstein schüttete. „Der ghört zu uns“, sagte der Mann, „Burschi kumm!“ – Burschi zögerte und schaute zwischen dem Mann und mir hin und her. „Er bringt uns immer die Gäst’“ lachte der Mann, und ich lachte zurück und nahm meine Wanderung wieder auf. Burschi folgte mir nicht weiter.

    Ein paar hundert Meter weiter nahm ich dann doch für ein Stückerl den Bus, weil der richtige gerade einfuhr, als ich daran vorbeiging.

    Das erste, was mir beim alten Landgut auffiel, war die Unzufriedenheit mit den Stadtentwicklungsplänen.

    Danach hielt ich Ausschau nach einem Wegweiser, fand aber keinen. Ich hatte mir aber vorsichtshalber die Wegbeschreibung kopiert und wusste, dass es am Austria-Stadion vorbeigehen sollte. Dann sah ich einen Burger King, beschloss, dort nochmals schnell aufs Klo zu gehen, und fand so auch den ersten Pfeil.

    Auf dem Weg Richtung Stadion fiel mir auf, dass meine Jacke für diese Umgebung vielleicht ein bisschen sehr grün war. Einige wenige frühe Fans nahmen zum Glück dennoch keine Notiz von mir.

    Zwischen Sportplätzen durch ging es dann Richtung Laaer Berg. An der nächsten Straße konkurrierten die Straßenschilder mit Fußballsprüchen.

    Ein Stück die Laaerbergstraße hinunter, rechts ein Teich, der aber von allen Seiten eingezäunt ist und wohl einem Anglerverein gehört.

    Im Geäst lauerte der Drache der Wegwerfgesellschaft.

    Richtung Böhmischer Prater, die Häuser die seinerzeit in Bau waren, sind schon lange fertig und bewohnt („seinerzeit“ sollte hier ein Link sein, aber den muss ich erst suchen.)

    Im Neubaugebiet denke ich wieder über Balkone nach, die hier scheinen recht gelungen.

    Der böhmische Prater ist ja gut bekannt, meist mit Herrn Sufi, aber von dieser Seite habe ich mich noch selten genähert. Viele Familien unterwegs, Kids pflücken Gänseblümchen und präsentieren sie den Müttern als Schatz, Jogger*innen schnaufen vorbei. Der böhmische Prater selbst voller Leben, Musik und Ringelspiel. Da und dort duftet es Essen aus den Gasthäusern. Man müsste die Runde so anlegen, dass man hier am Höhepunkt des Hungers vorbeigeht, denke ich, heute ist es mir zum Jausnen noch zu früh.

    Vielleicht hätte ich das bunte Treiben fotografieren sollen und nicht das leere Karussell, aber so ist das halt mit mir und den Fotos. Am Rande des Vergnügungsparks findet sich auch eine Übersichtskarte.

    Kurz darauf der gewohnt befreiende Ausblick über die Stadt.

    Hier hätte ich mir wieder mehr Wegweiser gewünscht, „geradeaus bis zum nächsten Pfeil“ ist ein bissl blöd, wenn sich der Weg in halbrechts und halblinks teilt. Mit einem Blick auf die fotografierte Karte finde ich mich aber zurecht.

    Der Kontrast zwischen Beinahe-schon-Landleben und Stadtausläufern ist zuweilen ein bisschen schräg.

    Dann geht es überland Richtung Oberlaa. Die Weinstöcke noch winterleer, an manchen Büschen zeigt sich erstes Frühlingsgelb. Flieger zielen auf Schwechat, und die Traktoren ziehen lange Staubschleppen hinter sich her. Der Rad- und Spaziergangsverkehr lichtet sich, die Krähen im Feld erzählen sich was.

    Hier gibt es Gegend in alle Richtungen.

    Wunderbare Weite, und wunderbar weit weg von eigentlich eh allem. Vielleicht hätte ich mein Stadtwanderweg-Tascherl doch gegen einen Wander-Rucksack tauschen sollen, zumal sich jetzt doch langsam ein Hüngerchen einstellt. In Oberlaa vielleicht…?

    Tatsächlich winkt beim Wiedereintritt in die Zivilisation der Brückenwirt, doch der übervolle Parkplatz und die Musik aus dem Lokal lassen den Gedanken an eine Einkehr nicht lockend erscheinen.

    Dann halt die Liesing entlang, die ich hier eigentlich nicht erwartet hätte (aber irgendwoher muss sie ja kommen).

    Idyllische und dystopische Ecken wechseln sich ab, und ab und zu brummt Industrie zwischen den Bäumen hervor.

    Der Weg an der Liesing ist aber vor allem sehr gerade. Und lang. So lang, dass ich ins Zweifeln komme und Karte wie Passanten frage, ob das hier tatsächlich noch der Stadtwanderweg 7 ist. Viel Radverkehr, dazwischen immer wieder Spaziergänger. Nach einer ganzen langen Weile treffe ich auf den Kreuzungspunkt mit Stadtwanderweg 12, an dem ich letzte Woche auf den Siebener aufmerksam wurde.

    Es war etwas diesig geworden, und es wurde kühler. An der Bahn entlang war es recht leer, nur eine Gruppe Jugendlicher, die übten, einen Stock wie im Film ums Handgelenk zu wirbeln. Der Größte in der Gruppe machte das schon sehr überzeugend.

    Zweimal über die Bahn, und ich näherte mich langsam wieder der Zivilisation, wenngleich unklar blieb, was der schwedische Mittsommerreigen an einer Liesinger Hauswand zu suchen hatte.

    Irgendwie hatte ich keine rechte Lust mehr und dachte darüber nach, die nächste Bank zu nutzen, um nach alternativen Heimkehrmöglichkeiten zu googlen. Es kam aber keine Bank, stattdessen erste wieder vertraute Anblicke.

    Als dann doch eine Bank kam, hatte ich mich schon überzeugt, einfach weiterzugehen. Das Wegerl gegenüber bin ich im Dezember schon einmal heruntergegangen, der Stadtwanderweg 7 ging stattdessen nach rechts.

    Nach rechts und bergauf, um genau zu sein. Ob man nicht doch irgendwo einen Bus… – naja. Wo Kondition und Motivation schwächelten, setzte die Sturheit ein. Zumal jetzt schon der Lärm aus dem Stadion hörbar wurde, dem Anfangs- und Endpunkt der Wanderung. Und es hatte wieder aufgeklart.

    So schleppte ich mich also zu Schlachtgesängen, die nicht mir galten, noch das letzte Stückerl des Berges hoch.

    Wieder am alten Landgut angekommen, wirkte alles sehr leer. Ich zog einen Apfelsaft aus einem Automaten und ließ mich bis zur Ankunft des Busses auf einer Bank nieder. Auch im Stadion war es eher still geworden. Plötzlich kam aus der U-Bahn ein Typ im grün-weißen Rapid-Gewand, und als hätte man noch zweifeln können, sang er laut, falsch, aber mit viel Begeisterung die Rapid Hymne. Ich kicherte leise in mich hinein und hoffte für ihn, dass tatsächlich alle Austria-Fans im Stadion waren. Ringsherum blieb es still, dann plötzlich Applaus und Schreie vom Stadion her, es war wohl ein Tor gefallen. Der verirrte drehte sich langsam in die Richtung um, reckte den Mittelfinger in die Luft und erstarrte wie eine tragische Statue.

    Dann der Bus. Ich überlegte kurz, stattdessen den Ausgang des Dramas abzuwarten, stieg aber doch ein.


  • Stadtwanderweg 12

    Ein stressiger und dennoch unergiebiger Montagvormittag, dann wollte ich schnell meine Schritte-Runde absolvieren, bevor nachmittags ein weiterer Termin anstand. Der erste warmsonnige Tag, seit – ja seit wann eigentlich? Seit Anfang Oktober, will mir scheinen, aber das kann ja fast nicht sein. Sonnige Tage gab es, auch nicht zu kalte Tage gab es, aber sonnig und nicht-kalt hatten wir schon länger nicht mehr.

    Ich stapfte entschlossen in Richtung Wienerbergteich, wurde aber am Anfang der Teichrunde von einem Landschafts-Ennui gigantischen Ausmaßes befallen. Noch einmal die gleiche alte Runde, und ich würde das Hexenhöhlchen monatelang nicht mehr verlassen, da war ich mir plötzlich ganz sicher.

    Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die Runde um den Wienerbergteich ist wunderschön. Aber ich geh sie halt jedes Mal, wenn mir nichts besseres einfällt, das heißt, in letzter Zeit fast immer. Ich kenn sie dermaßen in- und auswendig, dass ich mich meistens nicht einmal mehr aufraffen kann, Fotos zu machen.

    Und jetzt stand also am Berg und schaute unentschlossen in die Gegend. Wie jedes Mal lachte mich das Schild „Stadtwanderweg“ an. Einerseits wären die 22 Kilometer (hatte ich schon vor einiger Zeit ergoogelt) deutlich zu lang für eine schnelle Mittagsrunde. Andererseits ist es ja ein Stadtwanderweg, will sagen, man kann sicher unterwegs da oder dort in den einen oder anderen Bus einsteigen, um den Weg ein anderes Mal fortzusetzen. Etwas zögerlich folgte ich dem Pfeil, Joggerin von links, Hundepärchen von rechts, als das Telefon klingelte. Mein Termin wäre leider unpässlich, verkündete die Assistentin der Geschäftsführung, ob sie mir wohl Vorschläge für die nächste Woche schicken dürfte? Sie durfte. Ein Wink des Schicksals, dachte ich erfreut, möglicherweise – hoffentlich für ihn – war mein Termin nicht wirklich unpässlich, sondern genau wie ich fasziniert von den ersten Frühlingssonnenstrahlen.

    Ohne weitere Aufmunterung nahmen die Füße den Wanderschritt auf. Ein bisschen blöd, dachte ich, dass ich nicht einmal Wasser dabei habe. Aber – Stadtwanderweg – das finde ich sicher auch unterwegs. Mit den Gedanken zwischen Alltagsanforderungen und plötzlicher Geh-Freiheit blieb mein Blick unten, der Kies am Weg glitzerte im Gegenlicht, jeder Schritt staubte ein bisschen. Wie damals in Tunesien, dachte ich, als meine Schritte plötzlich doppelt klangen. Ich schaute auf, im Gleichschritt entgegen kam mir eine Frau meines Alters, wir tauschten einen Blick, derweil die Füße taten, was sie taten, quasi ein Stechschritt im Zeichen des Sonnentages, eine anarchistische Mini-Armee der Frühlingseroberung.

    Was zum Teufel denkst du da, dachte ich, und richtete stattdessen den Blick in die Weite.

    Ein Stückerl des Weges kannte ich ja schon, durch den Wald abwärts am Pensionistenheim vorbei, dann über die Kreuzung, und dann…? Erstmals befragte ich das Handy und stellte fest, dass die Seite von wien gv.at, die am PC sehr übersichtliche Informationen ausgibt, am Fon keine sinnvolle Karte anbietet. Ein bisserl blöd, aber… da sah ich ein Stückchen rechts vorne doch wieder ein Schild.

    Es ging an einem Würstelstand vorbei, da hätte ich Wasser kaufen können, aber eine Woge von Altfettgeruch schlug mich vorzeitig in die Flucht. Wird schon noch etwas kommen, dachte ich. Es ging großteils nach Süden, zu dieser Jahres- und Tageszeit quasi permanent der Sonne entgegen, was das Erspähen weiterer Schilder zu einer optischen Herausforderung machte. Immerhin konnte ich auf der Übersichtskarte sehen, dass es unter der A23 durchgehen sollte, wo genau blieb unklar, Schilder waren auch keine in Sicht. Ich wählte die nächstbeste Option. Ein Mann mit Dackel an der Leine kam mir entgegen, ich fragte wenig hoffnungsvoll, ob er wüsste, wo der Stadtwanderweg 12 verläuft, er schaute erst in den Himmel, dann seinen Hund an, der weiterlaufen wollte, schließlich zeigte er in seine Gehrichtung: „Da ist der zehnte Bezirk, dort“ – er zeigte in die Gegenrichtung – „ist der 23. Mehr weiß ich auch nicht.“ Ich bedankte mich freundlich, obwohl es nicht weiterhalf. Ein paar hundert Meter weiter fragte ich noch weniger hoffnungsfroh eine Frau mit Einkaufssackerln, die mit leicht slawischem Akzent verblüffend präzise Auskunft gab: Geradeaus bis zur Brücke und danach rechts.

    Die Brücke geht über den Liesingbach, der überraschend wenig Wasser führte. Dort stand dann sogar wieder ein Wegweiser, aber danach, als sich der Weg in 3 Möglichkeiten verzweigte, stand wieder keiner mehr. Erneut befragte ich eine Passantin, die zwar noch nie von der Existenz eines Stadtwanderwegs gehört hatte, aber mit Begeisterung alle möglichen Wege in Richtung Vösendorf detailliert beschrieb. (Später wurde mir klar, dass nicht an jeder Kreuzung Schilder stehen, sondern nur dort, wo man abbiegen muss. Aslo wenn kein Schild, dann geradeaus.)

    Langsam hätte ich echt gern etwas zu trinken, dachte ich, als ich sicher war, in die richtige Richtung unterwegs zu sein, aber immer noch nicht ganz sicher, mich auf dem richtigen Weg zu befinden. Von der recht stillen und abgeschiedenen Liesingbachuferpromenade bog ich zum Inzersdorfer Kirchenplatz ab, wo immerhin eine Bank in der Sonne stand, die ich für weitere Recherche nutze. Mobil-brauchbare Karten fand ich zwar weiterhin nicht, aber zumindest eine verbale Beschreibung, der sich recht einfach folgen ließ. Suchresultate von Bergfex und komoot ließen mich ratlos zurück: Zwar wurden sie als Treffer angezeigt, wollten aber dann in der App keine Treffer nach „Stadtwanderweg“ finden. (Auch das ist am Desktop anders, habe ich mittlerweile festgestellt. Weitere Recherche wird nötig sein.)

    Laut der Beschreibung von „Ganz Wien“ ging es jedenfalls ein Stück die Drasche-Starße entlang. Dass dort ein riesiger autostinkender Stau war, verwunderte mich ein bisschen – schließlich war die Drasche-Straße schon Anfang der 90er ein permanenter autostinkender Stau gewesen, hätte sich dort seither nicht vielleicht das eine oder andere tun können? – Hat es aber nicht. Dafür vorbei an historischen Lebensmittelerzeugergebäuden (die heute Kindergarten sind) und optisch wertvollen G’stätten. An einer Schule ein Wandbild im Banksy-Style, ein Mädchen gießt die Straße mit einer Gießkanne, während hinter ihr Blumen wachsen. Ich mache kein Foto, weil ein paar Kinder davor auf der Mauer sitzen.

    Auch hier übrigens weit und breit kein Supermarkt und nur ein sehr geschlossenes Restaurant. Ich erinnerte mich zwar an einen Würstelstand ungefähr 500 Meter weiter, dennoch folgte ich dem Pfeil der wiedergefundenen Route nach Süden. In Vösendorf wird das Wasser dann sicher besonders gut schmecken, dachte ich. Derweil zeigten die Botschaften am Straßenrand, dass der Sinn des Frauentags noch nicht an der Peripherie angekommen ist.

    (Wobei, natürlich, das mit den Blumen am 8. März eine osteuropäische Tradition ist, also ist das Schild vielleicht gar nicht ignorant, sondern nur multikulturell.)

    Ein Stückerl weiter südlich fand sich eine hilfreiche Übersichtskarte des Stadtwanderwegs, die fotografierte ich für eventuelle weitere Navigationsschwierigkeiten (ich hätte näher ran gehen sollen).

    Am Rande der Stadtging es über eine zwar gesicherte, aber dennoch gefährlich anmutende Kreuzung mit einer traurigen Geschichte am Rand.

    Dannach eine ganze lange Weile nur noch Weg, Gegend und Bam.

    So leer, wie ich sie fotografiert habe, war die Landschaft übrigens gar nicht – immer wieder, trotz des gewöhnlichen Montagnachmittags, Jogger*innen, Radfahrer*innen und Spaziergänger*innen.

    Schließlich erreichte ich Vösendorf. Wien winkte nur noch aus der Ferne.

    Vösendorf hat recht fotogene Ecken und ein Schloss, all das könnte man sich irgendwann vielleicht auch näher anschauen.

    Dann aber auch Stellen, bei denen ich Lust kriege, wieder einmal die alte STALKER Trilogie zu spielen. (Das neue wird auf den nächsten Winter warten.)

    …und dann noch einen Brieftaubenverein.

    Bald ist das Städtchen zu Ende, und ich habe immer noch kein Wasser. Ein Blick auf die Karte enthüllt, dass ich am Anfang der Gemeinde nur einen kleinen Umweg gebraucht hätte, um ein Geschäft zu finden. Aber zurück ist keine Option. Zurück ist niemals eine Option. Zudem war ein Stück weiter Richtung Autobahn ein Einkaufszentrum angezeigt. Ich stapfte also wieder Richtung Norden. Wien rückte langsam näher.

    Endlich ein Schild, das die Erfüllung aller Konsumbedürfnisse versprach.

    Ich orientierte mich erst noch im Autobahnzubringergewirr, suchte und fand den nächsten Wanderweg-Wegweiser, bevor ich mich in den Konsumtempel wagte.

    Ein Blick in den Spiegel zeigte, dass ich verschwitzt, zerzaust und tatsächlich leicht sonnengerötet einen wenig vertrauenswürdigen Eindruck machte, doch es gelang mir trotzdem, Wasser und Wurstsemmerl zu erobern.

    Im Café saß eine Altherrenrunde beim hörbar nicht ersten Bier, weiter hinten drei Frauen mit Aperol Spritz in großen Gläsern. Für wen die Frau hinter der Theke Espresso machte, blieb unklar, aber der duftete so gut, dass ich mir auch einen bestellte und ein bisschen wie ein Reisender die fremde Welt um mich herum betrachtete. Als ich dann erfrischt wieder auf die Straße kam, war die Sonne weg, es war empfindlich kühl geworden. Lichter hatte das nächste Stückerl Weg auch keine zu bieten. Der Rest des Weges musste also warten, eine BadnerBahn-Haltestelle war zum Glück nicht weit entfernt.


  • Auf der Traumsuppe davongeschwommen

    “At birth, we emerge from dream soup.
    At death, we sink back into dream soup.
    In between soups, there is a crossing of dry land.
    Life is a portage.”

    (Tom Robbins, Jitterbug Perfume)

    Tom Robbins schreibt nicht mehr auf dieser Welt.


  • Mir ist heute früh mein Brot aus dem Toaster direkt in den darunter stehenden Mistkübel gesprungen, und mehr gibt es über diesen Tag eigentlich nicht zu sagen.


  • Alle lieben Pepi.

    Alle lieben Pepi.

  • Südwärts, nur kurz

    Südwärts, nur kurz

    Eine Veranstaltung, die ich in Wien verpasst habe, wird in Graz wiederholt. Ich leiste mir den Luxus, ohne Laptop loszufahren, und lade schon vorab „Joy in the Morning“ auf den Kindle1.

    Der Zug ist halbleer, obwohl er als so gut wie ausreserviert angezeigt wurde. Das ist mir auf der Südstrecke schon mehrfach aufgefallen, reservieren da Menschen auf gut Glück oder steckt ein Fehler im System?

    Die Veranstaltung ist nett und schnell abgehandelt, dann noch durch die Grazer Innenstadt spaziert. Das gut sortierte englische Buchgeschäft ist nicht mehr, das sympathische kleine Wollgeschäft geschlossen. Dafür vom Hauptplatz ein gutes Brot und im Kunsthaus ein paar Ansichtskarten und das Jahresprogramm mitgenommen.

    Unerwartet langes Warten auf den Zug zurück nach Hause. Im Wagen hört jemand Hiphop ohne Kopfhörer, und als ich am Semmering schließlich in den Speisewagen flüchte, eine Meta-Beziehungsdiskussion am Nebentisch, die sich duch und durch bekifft anhörte, aber ich fürchte, das blutjunge Pärchen war einfach so.

    Dafür, immerhin, ein kleines Pilsner vom Fass.

    1. Die Lektüre zieht mich nicht ganz so in den Bann wie das Vorgängerbuch, vielleicht weil junges Familienleben im Midwest nicht so interessant für mich ist, oder vielleicht liegt es einfach an der Kürze. ↩︎

  • Jo eh!

    Jo eh!

  • Zwischen Brooklyn und Innsbruck

    Zwischen Brooklyn und Innsbruck

    Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen geht es Richtung Tirol. Der Zug ist diesmal viel voller. Zu voll, um den Laptop auszupacken und zu arbeiten wie eigentlich geplant. Stattdessen ohne schlechtes Gewissen am Phon-Kindle gelesen.

    A Tree Grows In Brooklyn, in meine Leseliste gewandert über diesen New-Yorker-Artikel, ist eines der (für mich) rar gewordenen Bücher, in die man komplett eintauchen kann. Diese Kindheit in den bitterarmen Einwanderervierteln Brooklyns Anfang des 20. Jahrhunderts, in präziser Beobachtung ohne Anklage oder Schuld, ist mit präzisen kleinen und großen Beobachtungen durchsetzt, sodass der Text zum Film wird.

    Der abends triste Bahnhof in Innsbruck passt zu dem Gefühl, die ganz Stadt eigentlich, vielleicht nur weil es in die Randviertel geht anstatt in die tourismusglänzende Mitte. Zunehmend fällt mir auf, dass günstige Übernachtungsmöglichkeiten häufig Mini-Apartments sind anstatt „richtiger“ Hotels. Das soll mir recht sein, auch wenn ich diesmal weder Küche noch Kühlschrank brauche. Dass den Fernsehern immer häufiger die öffentlich-rechtlichen fehlen, ist weniger erfreulich.

    Auch hier wieder ein Balkon, der in der Beschreibung gar nicht aufschien. Aber nicht nur von dort, sondern auch vom Bett aus heute ein großartiger Sternenhimmel, der Große Wagen, das einzige Sternbild, das ich mit freiem Auge erkenne, mittig rechts, knapp über dem Horizont drei sehr helle Sterne nah aneinander, die ich so noch nie beobachtet habe.

    Am nächsten Morgen zeigt sich im Park ein Peace-Zeichen, auf einem der umliegenden Balkone schüttelt ein Mann psychedelisch bedrucktes Bettzeug aus, erst die Decken, dann die Polster. Die Vögel zwitschern wild trotz der Kälte. Das Wetter nicht ganz so strahlend wie beim letzten Mal

    Beide Termine interessant und sympathisch, dazwischen eine kurze Zugfahrt mit dem neuen doppelstöckigen Railjet und eine nicht ganz so kurze mit der Zillertalbahn.

    Ich freue mich auf die Heimfahrt und weiß schon vorher, dass die Arbeit zugunsten von Lektüre ausfallen wird. Wegen Unpässlichkeit des eigentlich geplanten Railjets noch mit der Regionalbahn nach Wörgl getuckert, im Westen tragen die REX innen und außen Berge.

    Trotz überschweren Rucksacks ein Wartezeitüberbrückender Spaziergang in Wörgl, das ein erstaunlich buntes, lebendiges Städtchen ist (bislang hatte ich zu Wörgl nur unfaire Namenswitzassoziationen).

    Dann also der Railjet. Das Buch reicht noch bis knapp nach Linz. Danach im Speisewagen ein kleines Bier getrunken, weil: Warum nicht?


  • Vertraut fremdeln

    Vertraut fremdeln

    Als ich mit einer Tasse unsäglichen Kapselkaffees in der Hand auf den unerwarteten Balkon meines wie üblich seltsamen Hotelzimmers trete, liegt die Sonne schon auf den schneebedeckten Bergmassiven rundum. Von nirgendwoher intensives Fallschirmspringergefühl. Der Schritt ins Leere, das endlose Jetzt. Der scharfe Wind, die Präzision der Bewegung, die Sicherheit in der Unsicherheit. Als wäre es gestern gewesen und nicht 20 Jahre her.

    Innsbruck ist eine eigenartige Stadt, grundsympathisch und doch wildfremd. Hinter jeder Hausecke lauert ein Berg, eine Selbstverständlichkeit, mit der ich mich niemals anfreunden könnte. Als ich im Bus nach der richtigen Aussteigestelle frage, antwortet nicht nur die Angesprochene, als ich aussteige, tippt mir noch jemand auf die Schulter, um mir den richtigen Weg zu weisen.

    Die Busstation, an der ich aussteige, heißt „Schöne Aussicht“, und ja, kann man so sagen.

    Die mir eigentlich eigene Duzerei ist mir fremd geworden, aber niemand nimmt es übel, dass ich mich ab und zu ins Sie verirre. Nach dem Termin bleibt etwas Zeit, warum nicht einfach einmal ins Blaue fahren? Zumal die Sonne so schön scheint.

    Die Zillertalbahn in ihrer Schmalspurigkeit gondelt gemütlich dahin, ich steige ein paar Stationen vor der Endstation aus, bevor mir die Sonne noch untergeht. Auf künstlichen Schneebändern einzelne Schifahrer*innen, weit genug weg, um nicht allzu absurd zu wirken. Ein Stück spazieren an der Ziller entlang, es ist eine eigenartige Mischung aus Alltagsleben und permanenter Eventlocation.

    Selbstportrait in Froschlandschaft

    Eine Suppe um 7,50 sollte vielleicht doch etwas mehr hinterlassen als einen Geschmackseindruck, nicht unbedingt Sättigung vielleicht, aber doch die Bändigung des Hungers, denke ich, während John Lennon „Imagine“ singt. Danach beschwört David Bowie seinen „Starman“, und ich zahle und gehe. Eine Wurstsemmel vom örtlichen Fleischer wird mich im Zug unterhalten, denke ich, aber da ist es noch ein halbes Stündchen hin. Das Semmerl wartet im Rucksack, und ich spaziere noch ein Stück.

    Eine Freiluft-Eislauf-Location mit Disco-Beschallung bietet jungen Eiskunstläufer*innen ebenso Bühne wie den zukünftigen Eishockey-Held*innen. Ich gehe an der Bahn entlang, fotografiere den Gegenzug vor unglaublicher Bergkulisse, die den anderen Spaziergänger*innen ganz normal ist. Der Zug gibt ein kurzes Signal, aus einem Baum antwortet eine Krähe.

    Mehrfacher Fluglärm ruft das Fallschirmspringergefühl vom Morgen zurück, es sind aber immer Hubschrauber, fast immer gelbe. Das Skifahren ist wohl deutlich gefährlicher geworden seit „meiner“ Zeit.

    Der Bahnhof ist eigentlich keiner, es ist ein kiesiger Parkplatz zwischen alten und neuen Hotels, wie die Schmalspurbahn sich auch ungeniert ganz nah an Häusern und Gassen vorbeischlängelt, als wäre man in Ganzweitweg. Hier warten einheimische und Skitouristen in klobigen Schuhen auf den schnuckeligen Zug, zumindest alle 30 Minuten je Richtung fährt hier etwas, der Tourismus hat durchaus seine Vorteile.

    Der Railjet heim, der als „starker Reisetag, keine Mitfahrgarantie ohne Reservierung“ angezeigt wurde, ist halbleer. Manchmal ist es einfach, auch für die kleinen Dinge dankbar zu sein.