Es bleibt sonnig

14. März 2022

Hatte befürchtet, dass die schwächlich ächzende Klimaanlage mich zum einen wach halten, zum andern das Zimmer nicht ausreichend wärmen würde, beide Vermutungen erwiesen sich als unbegründet. Gut ausgeschlafen und wohlig warm erwacht. Ein Blick vom Balkon zeigt, dass die Sonne schon wieder unbeeinträchtigt scheint. So sehr hat sich ein Wetterbericht schon lange nicht mehr geirrt.

Die Befürchtung einer schwächlichen Tröpfeldusche ist ebenfalls unbegründet. Sieht man über das 60er-Jahre Mobiliar und die eiskalte Abendessen-Misere hinweg, ist auch dieses Hotel recht OK.

Spannend jedenfalls die Kommunikation. Die zwei Signorinas, die sich an der Rezeption abwechseln, sprechen beide kaum ein Wort Englisch, ich ungefähr genau so wenig Italienisch. Dennoch wird sehr unterschiedlich kommuniziert: Die eine hat – wie ich – Spass daran, das Verständnis interaktiv zu suchen, mit unterschiedlichen Wörtern, langsamem Sprechen, Fingerzeigen und Mimik. Die andere wirft beim leisesten Anzeichen von Unverständnis sofort den Google Translator an. Beide sind ungefähr gleich alt, Knapp über 20 schätze ich.

Das Frühstück im eiskalten Speisesaal (zum Abendessen gestern hatte ich mir die Winterjacke geholt) lockt nicht, zumal ich um die Zeit ohnehin selten etwas esse. Stattdessen ein Cappuccino auf der Terrasse. Mit Meerblick (im Foto verschwommen.)

Danach voller Tatendrang Richtung Messe.

Der Direktbus fährt von hier aus nur jede halbe Stunde, und als er kommt, bin ich noch ein Stück von der Haltestelle entfernt. Ich hebe hoffnungsfroh die Hand, und siehe da, er bremst sofort und lässt mich einsteigen. Wieder bin ich ohne Stau zur Öffnung auf der Messe, Grünen Pass Scannen, Fiebermessen, Metalldetektor wie schon bekannt.

Etwas mehr Besucher unterwegs als gestern, dennoch erfülle ich mein Programm gut und sogar etwas schneller als geplant – und bin fast eine Stunde vor Messeschluss fertig. An Handyfotos denke ich dummerweise wieder nicht. In trauter Erinnerung der traditionellen Flugzeugnasen-Spiegelung auf Flugmessen versuche ich mich an einem Kaffeeröster-Spiegelfoto. Kommt auch ganz gut.

Der Bus geht fast sofort, steht aber dann in einem Stau, wo er links und rechts von Omis mit Dackeln und Opas mit Einkaufssackerln überholt wird. Überheizt ist er auch. Kurzentschlossen hüpfe ich beim Segelhafen raus und gehe von dort aus Richtung Meer. Manchmal sind 15000 Schritte halt einfach nicht genug.

Der Hafen am Fluss funktioniert in Zonen: Zuerst winterverlassene Segelyachten, dann Fischer- und Muschelboote, dann gegenüber eine Werft, dann noch ein Seitenarm mit weniger repräsentativen (aber immer noch entzückenden) Freizeitbooten.

Vorne winkt ein Leuchtturm, und dann bin ich verblüfft: Ich hab den Ort gefunden, wo die Einheimischen flanieren. Mit oder ohne Hund, Fahrradfahrer, älteres Volk auf der Suche nach den letzten Sonnenstrahlen, Youngsters auf Skateboards oder auf der Jagd nach dem perfekten Selfie. Ein paar Angler. Und Anblicke ohne Ende.

Eigentlich hätte ich Hunger und die Füße sind messemüde, aber den Weg nach vor zur Mole und zum abgerockten Rockisland kann ich nicht auslassen. Die Möwen genießen den Tag in riesigen Schwärmen. lassen sich trotz nicht allzu warmer Temperaturen auf den Wellen schaukeln. Einige halten Konferenz am Strand. Ihre Schreie klingen anders als die, die ich kenne, es etwas zwischen „Miau“ und „No“.

Dann fällt mir ein anderer, einzelner Vogel auf. Ich frage eine Frau, die ihre Kamera mit deutlich größerem Obkjektiv als meinem in dieselbe Richtung hält. „Cormorane“ sagt sie.

Ganz vorne entschlossene Staberl-Walker, frierend-küssende Liebespärchen, erfolglose Fischer, der eine oder andere Radfahrer und ein Fisch-Graffito. Und ein Denkmal, das mich an einen Traum erinnert.

Jetzt habe ich aber wirklich Hunger. Ich folge den einheimischen Spaziergänger*innen durch eine Lücke im Bauzaun auf den Hauptstrand. Wo vor zwei Jahren noch ein „American Burger“-Lokal mit 50-Jahre Rock’n Roll stand, ist heute ein einheimisch wirkendes Café-Restaurant ohne Musik. Die Speisekarte meeresfrüchtebetont. Das täte mir passen, doch – so verkündet der Kellner mit halb bekümmerter Miene – Abendessen gibt es frühestens um acht. Ein bisschen rasten will ich doch; ich bestelle ein kleines Bier mit Campari. Der Kellner ist überrascht, fragt nochmals nach, als ich nicke, schenkt er sich dasselbe auch ein. Er kostet, nickt und fragt mich, ob das Ding einen Namen hat. Wenn er das nun, wie er sagt, wirklich auf die Karte setzt, hat der Prolo-Spritz von Herrn Flyingsufi und mir tatsächlich zurück in die Heimat gefunden, was ja irgendwie verdammt cool wäre. ich hoffe, ich habe nächstes Jahr Gelegenheit, das zu überprüfen. Der Kellner serviert derweil freundlicherweise was zu knabbern.

Das Meer draußen wird langsam dunkler. Vor mir ein Tisch mit tratschenden mittelalten Damen, hinter mir ein Tisch mit kartenspielenden alten Herren. Ich drehe mich nicht um, bin aber fasziniert: Phasen des stillen, konzentrierten Spiels wechseln sich ab mit lauten Diskussionen, die darauf schließen lassen, dass nicht alle die Regeln gleich gut beherrschen. Die Atmosphäre gefällt mir so gut, dass ich noch ein Gläschen bestelle.

Als ich damit fertig bin, bleibt immer noch zuviel Zeit bis zum möglichen Abendessen. Ich zahle und spaziere Richtung Hotel. Irgendein Futter wird sich auf den fünfeinhalb Kilometern schon finden, derweil schauen und in die Atmosphäre eintauchen. Im Gegensatz zum Jänner-Termin hat ja im März doch manches schon offen (anderes aber nicht).

Einige Lokale mit höchst verlockenden Speisekarten sind voll besetzt, warten mag ich aber nicht. Schließlich lockt mich die Musik in einen beheizten Gastgarten, obwohl ich das ansonsten nicht so gut finde. Die haben sogar eigenes IPA, das sehr fein mundet. Weil aber dann das Telefon aus allen Richtungen läutet, fotografiere ich nur die Vorspeise, nicht die ebenfalls köstliche Hauptspeise.

Satt und zufrieden begebe ich mich zur Busstation, wo ich lese, dass der Bus gerade weg ist – und erst in einer Stunde wieder fährt. Ich gehe ein Stückchen und entscheide dann, im nächsten Hotel ein Taxi zu rufen. Der genannte Preis von € 5,- scheint erstaunlich günstig – ein Haucherl zu günstig, denn der Beleg weist weder Firma noch Mehrwertsteuer aus. Naja, was soll’s. Ab ins Bett.

Dass die Klimaanlage schweigt, liegt sicher daran, dass es nicht kalt genug zum Heizen ist. Oder?

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