23. Januar 2023

Heißes Eis und gerollte Kilometer

Wer früh schlafengeht, kann auch früh aufstehen, und so bin ich kurz nach acht mit Körpeerpflege, Frühstück und Vorbereitung fertig und zuversichtlich, diesmal ohne Stau zur Messe zu kommen. Aber ich habe die Rechnung ohne Rimini gemacht. Draußen schüttet es noch immer waagrecht, und auf der Hauptstraße schleichen die Autos im Schritttempo eines 90jährigen Rollator-Benutzers dahin. Bis der Bus kommt, bin ich von außen schon recht nass, drinnen dann hat der Fahrer die Heizung voll aufgedreht, was gemeinsam mit den nassen Klamotten der zahlreich Mitreisenden und dem Türöffnen an den Haltestellen zu einem Sauna-kurz-nach-Aufguss-Klima führt. Schon auf halbem Weg bin ich von außen und von innen gut durchnässt. Dass der Stau nicht nur an der Messe liegt, ist leicht daran zu erkennen, dass es sich in alle Richtungen gleichmäßig staut.

Erst, als mich der Bus an der Messe ausspuckt, kommt mir die glorreiche Idee, dass ich ja auch den Zug nehmen hätte können. Naja, vielleicht nächstes Jahr. Mein erster Weg nach der Schlacht um den Eintritt führt mich auf die derweil noch nicht überlaufene Toilette. Ich mache mich frisch und ziehe eine frische Bluse an. Das ist zwar die Reisebluse, sie ist aber definitv besser als eine durchgeschwitzte Business-Bluse. Die Messe selber ist womöglich noch voller als gestern, aber das Gedränge macht mir im Vergleich zu den Vorjahren weniger aus. Gewohnheit oder Gelassenheit des Alters – ich bleibe effektiv.

Neben spannenden beruflichen Neuheiten finde ich eine Kleinigkeit, die mich persönlich beglückt: Eis in heiß gebackenem Briocheteig. Wow!

Ziemlich genau eine halbe Stunde vor Abfahrt des Zuges bin ich mit allem fertig, und weil es alle machen, mach ich zu guter Letzt halt auch ein Messe-Selfie.

Der brechend volle Bahnsteig lässt für den ersten Teil der Fahrt nichts Gutes erahnen, doch hat mich das Ticket-Büro auf den IC gebucht, in den fast niemand einsteigt. Weil er zehn Minuten Verspätung hat, erfahre ich auf dem Bahnsteig noch, dass die meisten anderen auf den Regionalzug warten, der weniger als die Hälfte kostet (und 15 Minuten Verspätung hat). Das Konzept, dass die selbe Strecke in unterschiedlichen Zügen einen anderen Preis hat, erscheint mir seltsam, aber ich glaube, so etwas habe ich von Deutschland auch schon gehört.

Der Zug ist gemütlich halbleer. Ein Hüngerchen hätte ich, aber die Füße sind zu müde, um sich auf den Weg zum Speisewagen zu machen. In Rimini hat es immer noch geregnet, auf dem Weg nach Norden klart es langsam auf.

Den Großteil der Verspätung holt der Zug unterwegs auch wieder auf, zum Glück, sonst hätte ich in Bologna laufen müssen. Der Anschluss nach Venedig ist ein Regionalzug, gut gefüllt. Schräg gegenüber eine Gruppe mit vielen Taschen. Zuerst denke ich, die Bunteste aus der Gruppe erzählt Dramatisches aus ihrem eigenen Leben, erst bei Casablanca verstehe ich, dass sie Filmeraten durch Zitate spielen. Recht unterhaltsam auch für mich.

Der Plan war, in Venedig ein bisschen zu spazieren und vielleicht auch das eine oder andere Goodie einzukaufen, doch auch wenn es nicht mehr regnet, ist es grausam kalt. Ich ändere den Plan und setze mich in ein nahes Restaurant; ein Abendessen im Zug wäre nach 21 Uhr ohnehin etwas spät. Eine Minestrone wäre meine erste Wahl, doch die ist aus; stattdessen gönne ich mir die Fischsuppe. Die ist voller hochwertig schmeckender Fischstückchen und Muscheln, die es nicht verdient haben, in einer dermaßen langweiligen, ungewürzten Suppe zu schwimmen.

Auf dem Rückweg zum Bahnhof fange ich, innerlich und äußerlich erwärmt, doch noch ein paar Anblicke ein. Auch hier hängt, wie in Rimini, noch Weihnachtsbeleuchtung.

Den Nightjet finde ich schon, bevor der richtige Bahnsteig auf der Anzeigetafel erscheint. Der Schlafwagenbegleiter ist einer von denen mit Attitüde, man erkennt sie daran, dass sie nicht nach der gewünschten Frühstückszeit fragen, sondern diese vorgeben. Das muss man hinnehmen, dass er dann aber auch noch mein bestelltes Mineralwasser vergisst und fast eine Stunde lang nicht auffindbar ist, nehme ich ihm ein wenig übel.

Egal. Messemüde, satt und voller Eindrücke werde ich gut nach Hause schlafen. Denke ich.

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