Die nicht mehr so ganze neue Form der Userbelästigung beginnt sich tatsächlich auch hierzulande durchzusetzen – und nervt mehr und mehr. Besonders dann, wenn sie als einziges und ausschließliches Mittel der Information dient. Die Gründe, warum das absoluter Mist ist:
1.) Text ist flexibler. Der Benutzer kann Informationen “überspringen”, die er schon hat/nicht braucht, und kann einen Satz zweimal lesen, wenn er wichtig ist.
3.) Text ist teilbar. Ein 10-Minuten-Video anzuschauen, weil es ein Detail an Information enthalten könnte, das mich interessiert, verschwendet 9 1/2 Minuten meiner kostbaren Zeit.
2.) Text ist dauerhafter. Im Zeitalter der permanenten audioakustischen Berieselung wird solcherart aufbereitete Information nicht wirklich “wahrgenommen” sondern zieht irgendwo am Rande des Bewusstseins vorbei.
Wobei mir, während des Schreibens, erst auffällt, dass ich eigentlich Tutorials an sich nervig und überflüssig finde. Wenn ich zB ein GMail-Konto über mein Mailprogramm abrufen möchte, brauche ich eine handvoll Informationen: Protokolle, Servernamen und Ports. Könnte man locker in einem kleinen Kästchen unterbringen. Tun sie das? – Nein. Stattdessen muss man das gewünschte Programm auswählen und sich durch seitenlange Screenshots scrollen. Gnah. Bei einem anderen Mailprovider muss ich mir gar ein .pdf herunterladen, um an die Daten zu kommen – ein .pdf, das natürlich je Emailprogramm verschieden ist und, wie könnte es anders sein, aus seitenlangen Screenshots besteht.
Erinnert mich an den Support meines Access-Providers:
– “Können Sie mir die IP- und DNS-Nummern durchgeben, bitte? Ich hab mein System neu installiert und die Einstellungen verloren.”
– “Welches System?”
– “Win XP”. (ist doch völlig egal)
– “Drücken Sie den Startknopf und wählen Sie ‘Einstellungen’…”
– “Ja, da bin ich schon. Ich brauch nur die Zahlen.”
– “Nein, drücken Sie Start, Einstellungen, Systemsteuerung…”
– “…Netzwerkverbindungen. Ich Weiß. Ich habe das Fenster bereits vor mir.”
– “So geht das nicht, sie müssen schon tun, was ich Ihnen sage!”
Da hilft gar nichts, nur ein “Ja” zu jedem “Drücken Sie…”, bis der Support-Telefonist endlich auch bei dem Fenster landet, das ich schon die ganze Zeit offen habe.
Nun bin ich ja selber auch Support und weiß, dass es nicht immer einfach ist – aber in den allermeisten Fällen lässt sich die technische Vorbildung des Fragestellers (und damit der benötigte Detailliertheitsgrad der Antwort) bereits an der Problembeschreibung ablesen. Wer mehr (Informationen) braucht, kriegt gerne mehr, aber präzise Fragen lassen sich auch beantworten, ohne bei Null (und Eins) anzufangen. Alles andere kostet überflüssig Zeit auf beiden Seiten.
Die zwangsweise Über-Tutorialisierung der Techwelt dagegen ist eine Art positiver Diskriminierung der absichtlich Ahnungslosen, die das demonstrative Nicht-Verstehen zu einem allgemeinen Standard erhebt.