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Kalt, kälter, Grantscherm

24. Januar 2023

Ich bin zwar zufrieden rollend eingeschlafen, wache aber unzufrieden auf, obwohl der Zug noch immer rollt. Es ist empfindlich kühl im Abteil, stelle ich fest, aber jetzt weiß ich ja schon, wo der Heizungsschalter ist. Ich tippe auf den Lichtknopf, doch es wird nicht Licht. Ich nehme mein Handy zur Hand, das zwar an der Steckdose hängt, aber nicht lädt. Also kein Strom. Das ist im Grunde nicht weiter beunruhigend und kommt im Zug zwischendurch immer mal wieder vor. Ich ziehe mir einen Pullover über mein Schlafshirt und mir wird damit wieder warm genug, um einzuschlafen.


Wieder wache ich auf, und es ist noch kälter. Ich muss ohnehin aufs Klo und versuche unterwegs, Zugpersonal zu finden, um Gründe und Dauer der Stromlosigkeit zu erforschen, doch es ist niemand aufzufinden. Grummelnd kehre ich zurück in mein Abteil und nehme die Winterjacke als Zusatzdecke.


Linz jetzt. Die Kälte kriecht mir in die Knochen, obwohl ich mit doppeltem Pullover unter doppelter Decke liege. Nicht lustig. Erst gegen St. Pölten lässt sich der Schlafwagenbetreuer wieder blicken; leider hat der Waggon keinen Strom (Ah geh!?), man habe aber den Nachbarwaggon, der ein Sitzwaggon und eh fast leer ist, vorgewärmt. Es mögen sich doch alle Schlafwagengäste dorthin begeben. Langsam wandert die Herde ins Warme, vorsichtige Fragen nach dem Frühstück werden abschlägig beschieden. Nach einer Weile bringt jemand immerhin Kaffee vorbei.


Wien Meidling. Es ist kalt; was auch sonst. Ich rauche eine Zigarette bei einem mir bislang unbekannten Ausgang und denke, dass ich schon gemütlicher gereist bin.


Vom Matzleinsdorfer Platz zu Fuß heim. Es ist kalt (sagte ich das schon?). Beim türkischen Supermarkt besorge ich Teezutaten; die üblicherweise gut deutsch sprechende Mannschaft ist abwesend. Ich verdeutliche dem durchaus hilfreichen Nichtdeutschsprachigen mit Gesten, dass ich gerne unbehandelte Zitronen kaufen würde, indem ich die Zitrone an eine imaginierte Raspel halte. Leichte Verwirrung. „Ah, organico“ versteht er endlich, mit dermaßen original italienischem Tonfall, dass ich mich kurz frage, ob ich wirklich schon wieder in Wien bin. Er führt mich zu einer Kiste wunderschöner Zitronen, wiederholt meine Geste des Schale-Abraspelns und legt Daumen und Mittelfinger zusammen. Der Mann ist definitiv in Italien gewesen. „Grazie“ sage ich, „Prego Signorina“ sagt er, und ich vermute kurz, dass ich vielleicht doch träume, aber der Preis der Bio-Zitronen ist alles andere als traumhaft.


In der Wohnung ist es – KALT. Wie gewohnt habe ich vor der Abreise die Heizung abgedreht. Ich schalte sie ein, koche Tee und versuche, mich mit Kleidungsschichten zu wärmen, schließlich habe ich einiges zu tun. Der Geist wäre ja willig, aber dem Körper ist KALT. Nach eineinhalb Stunden gebe ich auf und schlüpfe unter die Bettdecke. Dort mache ich, was ich so selten mache, dass ich mich gar nicht ans letzte Mal erinnern kann: Fernsehen ohne Zusatzbeschäftigung. Erst gegen Ende des Nachmittags ist mir warm genug, um mich dem Strickzeug anzunähern.

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