Kurzes langes Wochenende

18. August 2008

Samstag

Die unendliche Gleichzeitigkeit der Welt, die Mondfinsternis da oben und der Jet, der irgendwo darunter aus einem mir unersichtlichen Grund plötzlich ein bisschen abbremst; der Hauch von Sound vom Bukowski-Konzert, der tatsächlich bis hier rüber auf den Balkon hochweht, drinnen hinterm Fensterglas die Bundesliga, die deutsche, und davor der Sufi mit einem Glas Wein. Der Balkon vertraut von damals; das Lokal mit dem guten Zwiebelrostbraten gleich ums Eck aber hat geschlossen, die Wirtin ist in Pension gegangen, naja, will ja jeder irgendwann. Schade um den Zwiebelrostbraten.

Der Hund hier am Hof hat gewechselt, ein junger Schnauzermischling jetzt, verspielt. Beinahe hätten wir nicht hergefunden, nur ein diffuses Bild im Kopf, Bauernhof, Hund und ein grünes Tor. Freundliche Passanten weisen den Weg, “Ah, den Rosner meinen’s”, so winkt am Ende eines kalten Tages doch ein warmes Bett in einer schönen Ferienwohnung, nur zufällig frei, weil die angesagten Gäste abgesagt haben, ein Glück auch noch. Keine Grillen heute, zu kalt wohl, keine Sternschnuppen trotz August, aber eben diese Mondfinsternis.

Rewind
Und vorher ein Flugplatzfest mit wenig Fliegerei, zu tief die Wolken und zu nass. Kalt ist es, zwei Pullover und Jacke und immer noch frösteln, “Nächstes Mal”, sage ich zum Sufi, “Nächstes Mal wenn wir im August wegfahren, erinner mich, dass ich die Wollsocken einpack!” – Trotzdem irgendwie fein alles, alte Bekannte und neue Gesichter, Fachsimpeleien und Geschichten und Geschichterln, so g’hört sich das; derweil kämpfen die Modellflieger mit Props & Rotoren gegen Wind und Nässe. Die Hagelflieger-Cessnas dagegen, die sind ganz in ihrem Element. Und trotz des stark gekürzten Programms (die Flying Bulls zB hängen in Brünn fest) kommt man kaum dazu, die Propeller-Torte zu genießen; eine Notfallübung, ein Bundesheer-Hubschrauber, der sichtlich ziemlich viel Spass hat, und dann, als keiner mehr mit irgendetwas rechnet, kommt eine völlig unerwartete Extra im Messerflug (Messerflug nicht im Bild) vorbei und einmal rum und dann zur Landung.

Alles ein bisschen heimelig und doch ganz anders, der Platz, auf dem wir jahrelang unser Wochenendheim hatten, immer noch (wieder?) sehr sympathisch.

Dann beinah ungezielt hoffnungsfroh nach Droß, vorbei am Stratzinger Weinfest, aber der ungezielt angesteuerte Vorspannhof hat schon Spätsommerpause. Dann halt “auf dem Landweg” quer durch bis Langenlois, dort alle Gehsteige hochgeklappt, sicher nur wegen des Wetters, aber trotzdem leicht trist. Was haben wir gefroren am Flugplatz, erzählen wir einander nochmals. “Ich hab aber auch schon Schnee gesehen, im August”, toppt der Sufi den heutigen Tag, aber das war in Südtirol und gilt daher nicht, wie ich finde. Sonst müsste der steirische Reinischkogel-Augustschnee aus meiner Kindheit auch gelten. Wir lassen den “im August frieren”-Wettbewerb sein und halten stattdessen Ausschau nach wetterunabhängigen Alternativen.

Überall hängen Plakate, auf denen steht, dass auf Schloss Haindorf heute Boris Bukowski spielt. “Lass uns hinfahren!” sage ich halb im Scherz und halb in einem von zwei flugplätzlichen Mittagsachterln gespeisten Nostalgieanfall; “OK”, sagt der Sufi. Wir finden also Schloss Haindorf und suchen nach Informationen über Zimmer und Konzert, kriegen aber stattdessen erstmal einen Platten. Die veranstaltungsverkehrsleitende Feuerwehr versammelt sich fachsimpelnd um den Reifen, wir warten im Tonschauer des Soundchecks trotzdem lieber auf den ÖAMTC. Der kommt erstaunlich schnell, in Langenlois. Das zwischenzeitlich inspizierte Schloss-Zimmer (es ist nur noch eins frei) konveniert nicht, daher doch weiter nach Straß, wo wir das Restaurant nicht mehr, unser Lieblingsquartier aber schließlich doch noch finden – aber das steht ja schon am Anfang.

Eine kurze und erfolgreiche Zimmerverhandlung später sage ich zum Sufi “Wir müssen nicht zu dem Konzert, wenn’s dich nicht interessiert” (vielleicht will ich’s ja am ehesten von mir selber abwenden); “Aber ich freu mich doch, wenn du dich freust!” sagt der Sufi. “Ich freu mich aber auch total, wenn du dich freust”, kontere ich, “wir können also stattdessen gerne ein paar Weinkeller abklappern.” Während wir in Kammern bei “Joe & Ilse Müllner” einen Hauerteller mit zugehörigem Veltliner und Welschriesling vernichten (Der Welschriesling!!! – aber der ist leider schon beinahe aus), gewinnt die Diskussion noch ein paar zusätzliche Metaebenen, und schließlich landen wir doch beim Schloss. Die Mädels an der Kassa haben längst aufgegeben, und im veranstaltungszugehörigen “Winzerdorf” haben 8 von 10 Buden zu. Es ist aber auch wirklich saukalt. Und könnte jederzeit wieder regnen.

Ich besorg mir ein Bier, der Sufi versucht den einzig erhältlichen Veltliner. “Wollt’s nicht reingehen?” (in die Freiluft-Konzert-Arena) lockt der Manager höchstpersönlich, und das tun wir dann auch. Ganz Bühnenprofi, verliert der Boris auch angesichts des lächerlich versprengten Häufchens feuchtfrierender Zuschauer weder Lust noch Stimme und schafft es sogar, die anfangs eher lustlose Band zu Stadion-Leistungen zu animieren. Sehr feines Setting übrigens, die Bühne vor dem Schloss. Das Publikum bemüht sich zwischen den Songs genau so sehr wie die Musiker währenddessen, und das ist alles in allem mehr als man an so einem Tag erwarten konnte. Wobei mir die alten Songs lieber sind als die neuen, aber ich ich bin nicht sicher, ob das nicht ausschließlich an mir liegt. Und die neuen Psychedelic-Anklänge sind irgendwie auch ganz interessant. Und vor allem genieße ich, nach viel zu langer Zeit endlich wieder Mal volle Rock-Lautstärke in die Ohren geblasen zu bekommen. Kleine Soundunsicherheiten schreiben wir wohlwollend dem Wetter zu.

Zur Pause flüchten wir dann trotzdem. Die Aussicht auf 1/2 Stunde jovial-peinlichen Arabella-DJ ist mir mehr als zuviel, und der arme Sufi friert ganz fürchterlich. Da es, gleich angezogen und gefüttert, deutliche Unterschiede zwischen unserem Frierverhalten gibt (ich habe am Flugplatz deutlich mehr gefroren, er dagegen am Konzert) entwickle ich die Theorie, dass ich die ungewöhnliche Fähigkeit habe, Schallwellen direkt in Wärme umzusetzen. Der Sufi wiegt zweifelnd den Kopf.

Und dann, die Tankstelle hat schon zu, zwischen Kammern und Straß, blinzle ich so aus dem Autofenster, “wie schaut denn der Mond aus?” – der Sufi: “Wie denn?” – Ich: “Na so… halb irgendwie… eh!, das ist eine Mondfinsternis!” – Der Sufi, gelangweilt: “Ja, haben sie eh im Radio gesagt.” Na dann. Kann man sie ja vom Balkon aus auch noch schnell laienhaft fotografieren. Und nebenbei ein paar Langzeitbelichtungen machen.

Sonntag
Manchmal mag ich meine morgendliche Anlaufzeit ja selber nicht so gern – zum Beispiel dann, wenn der Sufi das Frühstück aufs Zimmer holen geht. Ich mein, es ist ja unglaublich perfekt, einen Sufi zu haben, der das Frühstück aufs Zimmer holt, aber noch besser wäre so ein Frühstück, wenn ich rechtzeitig fähig wäre, zu artikulieren, dass mir eigentlich nach Joghurt und Ei ist, nicht nach Semmerl und Wurst und Marmelade. Da kann natürlich der Sufi gar nichts dafür, und der Kaffee schmeckt am Balkon definitiv besser als im Keller-Frühstücksraum. Am Nachbar-Balkon zeigt sich die Oma des Hauses, und so erfahren wir zwischen zwei Tassen Kaffee ganz nebenbei alles, was wir in den letzten 7 Jahren hier verpasst haben. Derweil gluckern unten die Hühner und weit drüben in der Wiese stolzieren Fasane und/oder Raben, das ist nicht ganz klar, und ab und zu läuten irgendwo leise Kirchenglocken, und wie schon beim letzten Mal schlage ich vor, hier doch ein paar Monate zu bleiben, so bis zum Wintereinbruch, und wie schon beim letzten Mal neigt der Sufi vernünftig verneinend den Kopf.

Es ist wieder sonnig heute und halbwegs warm, halbwegs: so irgendwo zwischen kurz- und langarm, schon ein bisschen seltsam für Mitte August. Wir haben nur einen Fixpunkt an diesem Sonntag, und der eilt nicht, deshalb rollen wir erstmal durchs Kamptal und dessen Nebentäler, niederösterreichische Fotosafari, Modellflugplatz inbegriffen. Dann ein Abstecher nach Mollands, dort hat der Weinbauer, bei dessen Eltern des Sufis Vater schon vor vielen Jahrezehnten…, naja, irgendwo steht diese Geschichte schon, der Weinbauer jedenfalls hat eine Weinbeisserei aufgemacht, ein wunderbar luftiges Architektur-Ding mit Blick über den schönsten Teil des Kamptals. Wir freuen uns über Gegenwart und Vergangenheiten, und die Mücken üben sich in Extreme-Wineglass-Diving. Mir macht ein fruchtig-spritziger Welschriesling namens “Hias” den Mittag sonnig, während der Sufi sich vernünftig kleinschluckweise durch die Veltliner ackert.

Ungewöhnlich frühnachmittagsbeschwipstschwingt drehe ich eine kleine Weinberg-Fotorunde, während der Sufi Familiengeschichte(n) aufarbeitet. Dann weiter kamptalaufwärts und irgendwann rechts ab im Zickzack Richtung Großwetzdorf, nur eben immer haarscharf an allen Hauptstraßen vorbei. So kann ich mich entspannen und angesichts der abgeernteten Felder an den Gedanken gewöhnen, dass es doch schon wieder irgendwie Herbst wird. Obwohl ich keine Ahnung hab, wo der Sommer geblieben ist.

In Großwetzdorf packt der Sufi ein paar Weinflaschen ein, das der Fixpunkt; danach südwärts, heimwärts. Fast.

Denn so vorbei an Stockerau bietet es sich doch an, noch den dortigen Flugplatz anzusteuern und ein paar Cessnas und ein paar Katanas starten und landen zu sehen, bei jetzt lauem Wetter und leichtem und immer noch abflauendem Wind. Dann noch ein Hubschrauber, den ich gerne mitheimnehmen würd’. Und anderes fliegendes Ge-Zeugs.

Und zum Schluss, farbenfroh, ein Sonntagabendessen auf der beinahe verlassenen Summerstage, mit vorherigem Graffitispaziergang.

Schön wars.

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