Seine Majestät, der Zeppelin

24. April 2003

(Dieser Artikel erschien in leicht gekürzter Fassung, dafür mit Fotos, in der SkyRevue).

Riesengross hängt die ungewohnte Form des Zeppelins am Himmel über Friedrichshafen. Der Zeppelin NT ist zwar in seiner aktuellen Bauform mit 75m Länge deutlich weniger mächtig als seine historischen Vorfahren, aber imposant genug, um die Aufmerksamkeit aller Passanten auf sich zu ziehen.

Der erste Zeppelin NT (neuer Technologie) hat die Werft in Friedrichshafen im September 1997 verlassen – 57 Jahre nach dem endgültigen Aus für die große Luftschiff-Ära. Nach umfangreichen Testflügen fand im Mai 2001 der Jungfernflug des Serienmodells statt, im August desselben Jahres begannen die Passagierflüge. Das dritte Luftschiff folgte im Februar 2003. Während die beiden Serienmodelle für Passagier-Rundflüge eingesetzt werden, dient der Prototyp heute vor allem Ausbildungs- und Forschungszwecken.

Um die Flugsicherheit braucht man sich bei den Luftschiffen der zweiten Generation jedenfalls keine Sorgen zu machen: Alle fliegen mit unbrennbarem Helium anstatt dem früher üblichen Wasserstoff, dessen leichte Entzündlichkeit 1937 zur Hindenburg-Katastrophe beigetragen hat.

Der Auftriebswert des Heliums beträgt 4kg pro m3. Trotzdem ist das Luftschiff mit Passagierkabine und gefüllten Treibstofftanks schwerer als die Umgebungsluft, daher „fährt“ es nicht, sondern „fliegt“, erklärt Wolfgang Schröder, technischer Leiter der Zeppelin Luftschifftechnik GmbH. „ Allerdings ist auch möglich, dass der NT vom Fliegen ins Fahren übergeht, z.B. wenn er durch sehr lange Flugzeit so viel Treibstoff verbrennt, dass er leichter wird als Luft.“

Der Zeppelin NT ist als „halbstarres“ Luftschiff gebaut: Im Inneren der Hülle sorgen Dreiecks-Verstrebungen aus Carbonfaser und Aluminium für erhöhte Stabilität. Im Vergleich zu Prall-Luftschiffen („Blimps“), bei denen die Außenhaut nur durch den Überdruck in Form gehalten wird, ist diese Bauform weniger empfindlich gegen „verformende“ Umwelteinflüsse wie Windböen oder den Druck auf den Bug, der durch die Eigengeschwindigkeit entsteht. Zusätzliche Luftkammern in der Hülle, die so genannten „Ballonets“, dienen beim Steigen und Fallen dem internen Druckausgleich.

Genug der Theorie: Der lange, dunkle Schatten gleitet im Landeanflug über das Gelände und es wird Zeit für einen Rundflug. Lautlos ist der Zeppelin nicht, vor allem nicht von außen: Die drei 200PS-Motoren sind, vor allem bei Start und Landung, zu laut für eine akustische Verständigung, daher müssen die Passagiere beim Aus- und Einsteigen durch Handzeichen des Personals geleitet werden, erklärt der freundliche Boden-Steward bei der Sicherheitseinweisung. Um das Gewicht der Kabine möglichst konstant zu halten, wird für jeden aussteigenden Passagier ein frischer nachgefüllt; dabei sollte man auch auf die Windrichtung achten, um nicht von der imposanten Hülle des Zeppelins niedergestoßen zu werden.

Was sich zuerst etwas absurd anhört, wird begreiflich, wenn man die Landung beobachtet: Punktgenau gegen den Wind wird die nur 3-köpfige Bodenmannschaft anvisiert, und ein einziger Lotse greift sich die Bugleine und hält das Riesenschiff fest, während das Heck frei im Wind schwingt.

Ermöglicht wird das durch die Neuentwicklung der Triebwerke, deren drei schwenkbare Propeller die Manövrierfähigkeit auch bei Start und Landung aufrechterhalten. Eine riesige Bodenmannschaft zum „Einfangen“, wie sie die Luftschiffe alter Technologie benötigten, wird dadurch überflüssig; der Zeppelin NT kann beinahe senkrecht starten und landen.

Über acht schwankende Stufen betritt man die Kabine. Als erstes fallen die riesigen Panoramafenster auf, die freien Blick in alle Richtungen bieten. Für jeden der maximal 12 Passagiere gibt es einen Fensterplatz, und auch hier heißt es „bei Start und Landung anschnallen“. Sobald alle gesichert sind, löst sich der Zeppelin von seinem Schatten und steigt mühelos und überraschend schnell auf 300m. Hier dürfen die Gurte gelöst werden, und die Fluggäste können sich frei in der Kabine bewegen.

Das Motorengeräusch ist innen im Normalflug kaum mehr zu hören, und ein angenehmes Gefühl des Dahingleitens stellt sich ein. Durch die offenen Fensterklappen kann man nicht nur spiegelfrei fotografieren, sondern auch die Nase in den Fahrtwind halten. Mit ca. 75kmH geht es in Richtung Bodensee, obwohl der Zeppelin auch schneller könnte: Bis zu 125km/h sind im Streckenflug möglich.

Für die Rundflüge stehen zwei Routen zur Verfügung, die Wahl haben – wenn die Bedingungen es zulassen – die Passagiere: Vor dem Einsteigen wird durch eine demokratische Abstimmung zwischen Ost- und Westroute entschieden. Unser Flug geht auf der Westroute in Richtung Konstanz. Während Pilot und Copilot die Sehenswürdigkeiten erläutern, erinnert eine gelegentliche sanfte Schaukelbewegung daran, dass die Hülle dem Wind deutlich mehr Angriffsfläche bietet als ein herkömmliches Fluggerät.

Wir lassen Friedrichshafen hinter uns und queren den See. Zwischen 300 und 700m Flughöhe klicken 12 Fotoapparate im Dauerbetrieb. Über die Konstanzer Bucht geht es weiter zur Insel Mainau mit dem wunderschönen Barockschloss; dann langsam wieder in Richtung nördliches Seeufer.

Hat man sich an Landschaft, See und Segelbooten fürs erste satt gesehen, lohnt sich ein Blick ins Cockpit. High-Tech-Instrumentierung und -Bedienelemente bilden einen deutlichen Kontrast zum Nostalgie-Fluggefühl im Luftschiff. Die „Fly-by-Wire“-Technik, bekannt aus dem Airbus, unterstützt die Piloten elektronisch bei der Steuerung und erlaubt hochpräzise Flugmanöver.

Auch die Frage nach der Ausbildung beantwortet der Copilot gerne: Um zum Luftschiff-Piloten zu werden, benötigt man umfangreiche Kenntnisse. Der Erwerb der CPL für Luftschiffe setzt eine Berufspilotenlizenz einschließlich IFR-Lizenz voraus. Der Pilot muss dann mindestens 50 Stunden Flugtraining im Zeppelin sowie intensiven theoretischen Unterricht absolvieren.

Mittlerweile ist das geschichtsträchtige Immenstaad erreicht: Hier landete im Juli 1900 das allererste lenkbare Luftschiff nach seinem Jungfernflug. Der LZ1 war in einer schwimmenden Werft gebaut worden und blieb beim ersten Flug ganze 18 Minuten (und sechs Kilometer) in der Luft. Das war der Auftakt zur großen Zeit der Zeppeline, deren Planung und Bau Graf Zeppelin sich seit 1874 gewidmet hatte.

Kurz darauf geht es schon wieder landeinwärts, Richtung Flugplatz und Zeppelin-Werft. Der einstündige Rundflug nähert sich seinem Ende – viel zu früh, wie die Passagiere einmütig feststellen.

Längere Flüge wären aber durchaus möglich; die aktuelle Bauform ermöglicht eine Reichweite von 900km bzw. eine Flugdauer von etwa 24 Stunden. Außer den derzeit durchgeführten Rundflügen und Werbeeinsätzen (die Außenhülle bietet bis zu 2800m2 beschriftbare Fläche) sind also noch viele andere Verwendungszwecke denkbar. So könnte der Zeppelin NT etwa als Forschungs- und Beobachtungsstation dienen, auch als Kameraplattform für Großveranstaltungen bietet sich die gegenüber einem Hubschrauber sehr viel ruhigere Kabine an.

Nachts und bei starkem Wind muss der Zeppelin „an den Mast“ – eine Halle benötigt er nicht. Die dreh- und schwenkbare Befestigungsvorrichtung befindet sich auf einem Tieflader und kann daher mit auf Tour gehen. Das zweite Passagier-Luftschiff befindet sich zurzeit in Freiburg, weitere Außeneinsätze sind in Vorbereitung. Wer weiß, vielleicht kreist der Gigant ja bald auch über österreichischen Köpfen.

Technische Daten des LZ N07:
Länge:  75m
Max. Breite: 19,5m
Volumen: 8225m3
Gondel:  26m3
Sitzplätze: 12 (+2 Piloten)
Max. Geschwindigkeit: 125 km/h
Max. Flughöhe: 2600m
Antrieb:  3xTextron Lycoming (je 200PS)

Geschichte der Zeppeline (alt):
1874: Graf Zeppelin notiert die Idee eines Luftschiffs in seinem Notizbuch
1900: Der LZ1 geht zum ersten Mal in die Luft
1909: Gründung der „Deutschen Luftschiffahrts Aktiengesellschaft“. Die Zeppeline erfreuen sich steigender Beliebtheit in der Passagierluftfahrt.
1914-1918: Eine militärische Nutzung der Zeppeline erweist sich als wenig praktikabel, da sie ein zu großes Ziel für Jagdflugzeuge darstellen.
1924: Erste Atlantiküberquerung durch LZ 126, der in Friedrichshafen für die USA gebaut wurde.
1928: LZ 127, „Graf Zeppelin“, verlässt die Werft. Mit 236m Länge und einer luxuriös ausgestatteten Kabine ist er für Langstreckenflüge geeignet.
1929: LZ 127 fliegt mit nur 4 Zwischenlandungen rund um die Welt. Die reine Flugzeit beträgt 299 Stunden.
1936: LZ 129, „Hindenburg“ nimmt den Betrieb auf. Er ist mit 245m Länge nicht nur der größte Zeppelin, sondern auch das größte Fluggerät, das je geflogen ist. Im Linienbetrieb fliegt er Nord- und Südamerika an.
1937: LZ129 Hindenburg explodiert bei der Landung in Lakehurst. Mehr als 30 Personen finden den Tod. Als Resultat werden Personenflüge mit wasserstoffbefüllten Luftschiffen verboten.
1940: Auf Anordnung des Reichsluftfahrtministeriums werden die letzten beiden Luftschiffe abgewrackt und die Fahrhallen gesprengt.

Geschichte der Zeppeline NT:
1989-1997: Planung und Konstruktion der neuen Zeppelin-Generation NT
1993: Gründung der Zeppelin-Luftschifftechnik GmbH
1997: Erfolgreicher Erstflug des neuen Prototyps
2001: Erstes Serienmodell und Beginn der Passagierflüge
2003: Der zweite Passagier-Zeppelin verlässt die Werft

Informationen im Internet:
Zeppelinflug.de  (Flugbuchung, Livecam)
Zeppelin-Nt.com (Technische und Firmeninformationen)
Zeppelinmuseum (Geschichte)

1 Comment

  1. […] Tagwache 8 Uhr. Sehr ungewohnt. Sarkastisch durchwachsenes Frühstück. Messewärts staugebremst Blech an Blech. Taskforceschritt. Pressezentrum mit Rauchverbot: Jetzt wird’s wirklich eng. Alles sehr strahlend glasbetonern aber nur 2 Internet-Terminals. Ohne Diskettenlaufwerk allerdings; eine freundliche Presse-Hostess läßt mich die Bilder über ihren Büro-Computer verschicken. Offizieller Aeroclub-Standbesuch & inoffizielle Skydance-Kappen-Herstellung; dann wird es langsam Zeit für den Aufstieg. […]

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