In Gmünd steppt die Barbie

15. August 2023

Es ist doch immer noch und immer wieder ein Vergnügen, etwas zu machen, was man sonst niemals machen würde. Zum Beispiel ins Waldviertel zu fahren, um sich einen Film anzuschauen, den man sich sonst niemals anschauen würde, mit einem Begleiter, der sich „so etwas“ normalerweise schon gar nicht anschauen würde. Kleine Scherze, die sich selbständig machen. That’s Life!

Morgens bin ich zwar etwas beeinträchtigt von einer grundlos weitgehend schlaflosen Nacht; früher hätte ich das „Künstler-Schlaflosigkeit“ genannt: das ist, wenn die ausgedachten Geschichten nicht still werden wollen, ein bisschen wie Serien-Binge-Watching, nur halt im eigenen Kopf. Im Zug Richtung Absdorf-Hippersdorf gibt sich die Müdigkeit aber schnell, es ist ein Bummelzug, der an jeder Hundehütte stehen bleibt, draußen vor dem Fenster wunderbares Sonnenwetter.

In Absdorf-Hippersdorf steht eine Mülltonne schief.

…notiere ich vergnügt beim Umsteigen, und etwas später erfreuen mich endlose Sonnenblumenfelder.

In Schwarzenau, ein Ort, von dem ich vorher noch nie etwas gehört habe, gilt es schließlich, in den Bus umzusteigen. Eine leichte Herausforderung; der Bahnhofsmensch, den ich nach der Haltestelle frage, winkt mit der Hand in eine Richtung und sagt nur „Do ume“, bevor er sich dem läutenden Telefon zuwendet. Ich irre herum und sehe nirgends ein Haltestellenschild – aber da kommt der Bus. Ich winke mit beiden Armen, der Fahrer lässt mich gnädig einsteigen. Wo denn die eigentliche Haltestelle sei, frage ich. Da vorn, zeigt er ungefähr in eine Richtung, wo ich auch kein Schild sehen kann. Macht nix. Die letzte Etappe der Reise lässt im klimatisierten Bus erahnen, dass es draußen recht warm ist.

In Zwettl holt mich der in der Nähe kurende Tages-Begleiter ab. Erstmal, so ist es ausgemacht, ab in den Wald. Schwammerlsuchen. Der Wald ist schön, Schwammerln lassen sich allerdings keine blicken. Das finde ich angesichts der Wetterkapriolen der letzten Zeit wenig verwunderlich; dass sich an den Schwarzbeerbüschen keine einzige Schwarzbeere findet, irritiert mich da schon deutlich mehr.

Über uns ruft ein junger Sperber, wer weiß, nach wem. Das Waldviertel bleibt mystisch. Zudem ist es heiß, sehr heiß. Die Nadelbäume duften Hochsommer.

Dann ist es auch schon Zeit, schnell mein Quartier zu claimen und weiter zum Kino zu cruisen. Wie üblich habe ich mit sicherer Hand das skurrilste Hotel der Gegend gebucht; wie glücklicherweise oft erweist es sich als Glücksgriff. Aber ich greife vor. Erstmal ab zu Barbie.

Das Kino in Gmünd ist sehr sympathisch, von außen komplett aus der Zeit gefallen, innen dichter Popcornduft, an der Kassa und am Buffet vergnügte junge Menschen. Der Begleiter und ich entern den Saal mit einer großen Portion Nachos und heben dabei den Altersschnitt signifikant an. Dann geht auch schon das Licht aus. Der Film ist sehr pink und besser als befürchtet, aber auch nicht ganz so emanzipatorisch wie die Medienstimmen vermuten ließen.

[An dieser Stelle habe ich möglicherweise zu lange nach frei verwendbaren Pressefotos gesucht; lassen wir das und ersetzen es durch eine Portion Pink AI]

Danach braucht der während des Films immer wieder seufzend kopfschüttelnde Begleiter offenbar eine Runde beruhigendes Autofahren. In Litschau schließlich lockt ein Cafè am Hauptplatz mit Drinks, die den Kulturschock vollends glätten.

Danach Hunger bei uns beiden; das Waldviertel hat aber Feiertag-Abends wenig zu bieten. Vieles hat zu, eine Möglichkeit gefällt mir nicht, eine andere ihm nicht, nach weiteren Kilometern bleibt nur noch ein Käsetoast in Weitra. Nunja.

Weitra wirkt übrigens auch sympathisch und erkundenswert, aber für den Begleiter ist es Zeit, ins Kurhaus zurückzukehren, und freundlicherweise setzt er mich vorher noch bei meinem Quartier in Gmünd ab.

In der zugehörigen Biker-Gaststätte finde ich zum Glück noch eine Fritattensuppe; ein Joghurt, ein paar Nachos und ein Käsetoast sind etwas wenig für einen ganzen Tag und hätten mich doch spätestens um 3 Uhr früh wieder hungrig werden lassen.

Das Zimmer im Avia-Hotel ist, wie gesagt, ein Glücksgriff. Sauber, ruhig, und mit der besten Hotel-Matratze aller Zeiten. Das hätte ich dem Etablissement gar nicht zugetraut. Ausgewählt hatte ich es wegen der Bahnhofsnähe, eine letzte Abendzigarette auf dem offenen Aufgang mit Blick auf schlafende Sattelschlepper weckt Fernweh. Vor dem Fenster zirpt eine einsame Grille, die mich nicht daran hindert, ausgezeichnet zu schlafen.

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