Abends nur mäßig glücklich darüber, am nächsten Morgen um halb sieben geweckt zu werden, morgens um kurz vor sechs von der Müllabfuhr aus dem Bett geworfen. Ich bin wacher als befürchtet und mache mich schon wieder auf den Weg nach Graz.
Wunderbarer Cappuccino im EC nach Triest. Der Zug eine Aneinanderreihung unterschiedIicher Waggons, Steckdosen hat nur einer, und auch der nicht in jedem Abteil. Von WLAN keine Spur. Jede Zwischentür geht anders auf, stelle ich auf dem Weg in den Speisewagen fest. Auf den WCs noch Aschenbecher, unbenutzt natürlich. Auch der Speisewagenkellner ein deutliches Relikt grantigerer Yugo-Zeiten. Anstatt mich zu ärgern, werde ich ganz sentimental von soviel Zugvergangenheiten. Zu schade, dass ich in Graz schon aussteigen muss, ich hätte zu gern noch die Gulaschsuppe probiert.
Einen interessanten Termin später wieder Richtung Bahnhof. Alles scheint fotografierenswert heute, die kaum mehr vertraute Stadt, die rostigen Schienen der Nebenstrecke, der einzelne Löwenzahn, der daraus hervor kriecht. Verlassene Bahnhäuschen, zerbrochene Scheiben und die herbstlich unentschlossene Sonne, die vereinzelt malerische Magie aus staubigen Ecken lockt. Dennoch fotografiere ich wenig, nur das, was das Auge sich nicht gut merkt.
Das Klima küstenfeuchtwarm. Wüsste ich nicht, dass hier ganz sicher kein Meer herumlungert, ich würde es suchen gehen. Ich stelle fest, dass ich zu dieser Uhrzeit am Bahnhof falsch bin, um meinen zweiten Tagesordnungspunkt zu erreichen, und nehme den Bus. Der Wohnturm an der Umsteigestelle wie ein lieblos hingeklotzter Hotelkomplex in Rimini. Hier hängt ein Handtuch vom Balkongeländer, dort stehen noch Flaschen, wohl von letzter Nacht. Keine Menschenseele zu sehen, alle Rollos heruntergelassen. An der Haltestelle telefoniert eine junge Frau lauthals überschwenglich auf Spanisch, im zweiten Bus erzählt eine ältere Frau ausführlich und laut von ihren jahrelangen Verdauungsbeschwerden, sodass schließlich der halbe Bus hilfreiche Tipps gibt. Letzteres geht dann auch nur in Graz, kommt mir vor.
Vor den Fenstern eine Mixtur aus altbekanntem und nie gesehenem, wie das halt so ist auf den Strecken, die man nur ein, zwei Mal im Jahrzehnt fährt. Keine Fotos, auch am Zielort nicht. Aber teils hochinteressante Vergangenheitsabgleichung. Dann Zeit für den Heimweg.Ein kleines Foto vielleicht doch, der einst unter großer Selbstbeweihräucherung der Beteiligten geraderegulierte Bach wird jetzt, vermutlich unter mindestens ebenso großer Selbstbeweihräucherung, ansatzweise renaturiert.
Im Zug ein bisschen zu arbeiten versucht, aber wenig; zu durchlässig sind die Zeitmembranen, diese seltenen Tage muss man hegen und pflegen. Ein Bier stattdessen, ein echtes Pilsner, wie der Speisewagenmensch des CD-Railjet betont, ein echtes! Kein Export-Pilsner. Dann ein Weltuntergangs-Gewitter in Neustadt, der Railjet zeigt sich unbeeindruckt.
Wien ist noch trocken, fängt aber während des restlichen Heimwegs zu grummeln an und grummelt seither beständig. Mal sehen, wann ich schlafen kann.