#80

30. September 2001

Krems – Cessna Grand Caravan/4100m – Solo
Öffnung: 1075 | Freifall: 63s
avg: 188km/h | max: 203km/h

Jetzt ist alles anders. Jetzt stimmt alles. Jetzt ist alles, womit ich springe, meins. Denn gestern ist mein ganz eigener funkelnagelneuer Schirm angekommen und ins Gurtzeug gewandert. Und das, was ich bei diesem Sprung (hoffentlich) über mir erblühen sehen werde, ist gelb und orange und schwarz und wird bei mir bleiben, bis einer von uns beiden nicht mehr will.

Es ist (endlich) ein wunderschöner Herbstsamstag in Krems, und der Platz ist sehr belebt. So belebt, dass ich nach dem Ankommen zwei Loads abwarten muss, die voll sind. Macht nichts. Aus dem Himmel wachsen bunte Blüten, und auf dem Boden sind eine Menge netter Leute versammelt, und ich bin für meine Verhältnisse relativ wenig nervös. Erstaunlich, weil ich das Ding im Container doch fabriksneu, und noch nie in der Luft gewesen… ich kontrolliere noch einmal alles, was es zu kontrollieren gibt. Dann ist es endlich soweit.

Die Sitzordnung im Flieger ist gedrängt, 3 Tandems und eine 6er Gruppe und eine Handvoll einzelner, noch während wir zum Start rollen, kläre ich, dass ich als letzte vor den Tandems aussteige, ich lasse meinen Schirm zur Feier des Tages etwas höher an die Luft.
Der Aufstieg zieht sich etwas, ist doch ziemlich voll, das gute Finerl, und ich habe Zeit genug, um mich über meine geringe Nervosität zu wundern, dann nervöser und dann wieder ziemlich ruhig zu werden. Als endlich die Tür aufgeht, fühl ich mich ganz normal, oder was sich eben auf 4000m normal anfühlt. Einer nach dem anderen verschwinden sie vor mir, die Tandempassagiere werden blasser, dann bin ich dran und warte, bis ich genug Abstand habe, der erste Tandemmaster wird leicht hektisch, aber heute lasse ich mich davon nicht beirren. Schliesslich mit Schwung in die anströmende Luft geworfen, zu meiner Überraschung liege ich sofort stabil am Bauch, keine taumelnden Überkugler wegen des Seitenexits, und ich versuche, mir Exitwinkel und -schwung zu merken, damit das beim nächsten Mal wieder so gelingt.

Dann aber die Aufmerksamkeit nach unten gerichtet, die Dunstschichte liegt tief heute und ist seit dem Aufstieg etwas dichter geworden; ich drehe mich einmal im Kreis und sehe am Horizont etwas, von dem ich nicht sicher bin ob es Wolken oder Berge sind: Aber seit wann gäbe es hier in der Gegend Berge?

Ich merke, dass ich mit meiner neuen Freefly-Kombi recht langsam bin, und versuche schneller zu werden, mein Helm sitzt wieder einmal zu weit hinten und das mit dem Kopf im Nacken geht nicht so recht, ich gebe auf und schaue wieder nach unten. Die Öffnungshöhe kommt näher; 1300m ist für die Tandems OK, haben sie gesagt, aber mir kommen Zweifel, ob ich wirklich über der Dunstschicht ziehen will, dick kann sie ja nicht sein aber trotzdem… ich entdecke ein Loch und richte mich daraufhin aus, und jetzt raus mit ihm, zum ersten Mal in seinem kurzen Leben darf er seine Bestimmung erfüllen und sich von einem kleinen kompakten Päckchen zu einem stolzen Flügel entfalten, und das tut er auch, ohne Zögern und doch schön weich und kerzengerade, aber ich habe keine Zeit zum bewundern, möchte die schmale Öffnung im Dunst treffen, und so greife ich nach oben; die velcrolosen Steuerleinen waren wie erwartet eine gute Wahl, lassen sich leicht und symmetrisch lösen, und mein neuer Freund und ich legen uns in die erste Kurve unseres gemeinsamen Lebens. Das schwingt sich gut, und spielerisch folge ich dem Verlauf der Bodensicht, bin auch schon unter dem Dunst und kurve mich direkt über dem Flugplatz ein.

Jetzt ordentlich linksrum, dann rechts, und auch das Flaren wird getestet, mehrmals, gibt so einen schönen Kitzel in der Magengrube, und dann ist es auch schon Zeit, sich langsam den Landeplatz auszusuchen. Ich kurve ein Weilchen unschlüssig umher, bin unsicher, wie weit er mich tragen wird, gehe schliesslich in den Endanflug mit Ziel gegen das Ende der Landewiese, und das geht sich schön aus, gerade noch, und dann Flaren und Halten und ich stehe, während der neue schöne vor mir elegant zu Boden sinkt.

Jetzt ist gut strahlen!

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