14. Dezember 2005

In dem alten Büro brennt Licht

In dem alten Büro, in dem ich vor vielen Jahren die ersten praxisnahen Computererfahrungen gemacht habe, brennt Licht. In dem alten Büro, in dem ich zum ersten Mal Tetris gespielt habe, während am Nebencomputer hunderte wenn nicht noch viel mehr Disketten der Computersoftware kopiert wurden, die wir damals verkauft haben, brennt Licht. In dem alten Büro, in dem wir “zwei Mädels” unser Faxgerät mit Kneifzange, Lötdraht und Isolierband selber an die analoge Telefonanlage angeschlossen haben, weil wir keine 3 Wochen auf die Telekom warten konnten, die damals noch Post hieß, brennt Licht. In dem alten Büro, in dem ich wunderbar wilden Sex am Schreibtisch hatte, mit jemandem, der heute sicher nichts mehr davon wissen will, brennt Licht. In dem alten Büro, in dem es an guten Tagen besten Krimsekt gab, weil wir es mit einer russischen Firma teilten, an die wir die ersten Noname-Computer aus Taiwan verkauften, weil man den Russen nichts Amerikanisches verkaufen durfte, brennt Licht. In dem alten Büro, in dem ich mir damals kurz nach dem wilden Schreibtischsex mit roten Wangen zum ersten Mal das potentiell Wunderbare an weltweiten Netzwerken erklären habe lassen,  brennt Licht.

Das alte Büro ist heute längst wieder Wohnung, das sieht man an den Vorhängen. In der Wohnung, die damals das Büro war, riecht es heute wohl auch nicht mehr nach Benzin an heißen Tagen, denn die Tankstelle 4 Stockwerke darunter, die ist längst geschlossen. Die Bewohner der Wohnung, die damals das Büro war, müssen wohl auch nicht jeden Morgen einen Hundewächter bestimmen, damit der sabbernde Golden Retriever der Chefsekretärin der russischen Firma keine Sabberspuren an den dunklen Hosen distinguierter Geschäftsbesuche hinterlässt.

Es gibt ja keinen Retriever mehr. Und keine Geschäftsbesuche. Keine Sekretärin. Und die Firma gibt es auch nicht mehr. Weder die russische, noch die österreichische.

Auch ich war mal Teil von sowas wie einem Startup. Hätt ich schon fast vergessen gehabt.

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