Drittstich absolviert

29. November 2021

Das Titelbild, I sog’s glei, hat mit dem Eintrag wenig zu tun, es ist allerdings das einzige Bild aus meinen Archiven, auf dem das Austria Center zu sehen ist (links hinten). Das Foto stammt von Anfang August 1991 und gehört zu einer Serie von Hochwasserbildern, die ich damals mit einem Freund donaulängs gemacht habe. Natürlich schwarzweiss, auch im Original. Später habe ich in dieser Gegend zwar auch immer wieder fotografiert, aber nie wieder das Austria Center, bevor es dann rundherum zugebaut wurde.

Heute war ich ein bisserl gestresst und zudem (vermutlich hormonell) grummelig, und kalt war’s auch, deshalb kam ich gar nicht auf die Idee, irgendetwas zu fotografieren. Ich zuckelte mit Straßenbahn und U-Bahn hin, den Termin dort hatte ich ausgemacht, weil ich nicht die einzige Wienerin sein wollte, die in der ganzen Pandemie nie das Austria Center von innen gesehen hat. Und weil der nächste Termin in Favoriten erst am 20. Dezember gewesen wäre. Vermutlich vor allem Letzteres. Man könnte natürlich auch ohne Termin impfen, aber ich mag es, wenn Dinge funktionieren, und die Terminvereinbarung über impfservice.wien funktioniert erstaunlich gut.

Es war sowohl beim Impfen als auch beim Testen einiges los, der Impf-Parcours war durchdacht und gut ausgepfeilt, und an jeder Ecke standen routinierte Ordner, die wie Einwinker auf einem Flugplatz-Taxiway die Leute hierhin und dorthin winkten. An der ersten Station Datenaufnahme, wurde nach meinem Impfstoffwunsch gefragt, nochmals Moderna bitte, dann Arztaufklärungsgespräch, der junge Mann wirkte abgeklärt kompetent und meinte, ich solle den Impfarzt an die halbe Dosis erinnern, bevor er mich weiterwinkte. Vor den Impfboxen warf eine weitere Einwinkerin einen Blick auf meinen gelben Zettel und winkte mich zur gelben Impfstraße weiter, die tatsächlich die einzige war, vor der sich ein bisschen Menschenschlange gebildet hatte. Ich wunderte mich ein wenig, warum man die Leute nicht gerechter verteilte, sah aber dann den Zusatz „Moderna, 3. Impfung“ unter der Zahl auf dem gelben Schild. Gegenüber stand „Biontech #1“, weiter entfernte konnte ich nicht lesen. Also alles Moderna Drittstiche in der Schlange, dachte ich. Die Erstimpfungsrate steigt ja auch nur zögerlich.

Während ich wartete und eine weitere Einwinkerin die Wartenden routiniert auf die Impfboxen verteilte, kam dann doch ein ältliches Pärchen in die „Biontech #1“-Schlange. Er wurde gleich laut, als man die beiden auf zwei Impfboxen verteilen wollte. Sie würden das gemeinsam durchstehen, deklamierte er. Der Arzt aus der Impfbox winkte beide an der überforderten Einweiserin vorbei, und noch bevor sie in der Box waren, hörte ich den Alten resolut „Eine vollständige Aufklärung“ fordern, und zwar “ von einem richtigen Arzt, nicht von einem bärtigen Medizinstudenten.“

Wie es weiterging erfuhr ich nicht, denn ich war schon dran. Weisungsgemäß erinnerte ich den Arzt an die halbe Dosis, er nickte und fragte, ob der Aufklärungsarzt noch etwas auszurichten gehabt hätte. „Er braucht mehr Kaffee“ antwortete ich wahrheitsgemäß, und konnte dem ansonsten stoischen Spritzenschwinger zumindest ein kurzes, trockenes Lachen entlocken. „Wer nicht?“ fragte er, als er die Nadel ansetzte.

15 ereignislose Warteminuten später war ich wieder auf dem Heimweg. Ein rasender Hunger hatte mich befallen (ich war ohne Frühstück losgezogen), ich besuchte am Umsteigeplatz den McDonalds und fragte mich, wann ich eigentlich mein letztes labbriges Laberl gegessen hatte. Ziemlich lange her.

Von Lockdown war in der Stadt übrigens kaum was zu merken.

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