An den Südwestspitz

16. August 2022

Beim Frühstück im Handy nochmals nach Wohnalternativen gesucht; es gibt einige nette, aber die netteste erst ab morgen. Na gut, auf eine Nacht mehr oder weniger kommt’s jetzt auch nicht mehr an.

Hanko, schwedisch Hangö, wäre auch einen Besuch wert, hatte mir die Lieblingsfinnin am Telefon verraten. Besser noch ein Busausflug, als ein drittes Mal nach dem Weg nach Kopparnäs zu suchen, dem Strand, von dem alle schwärmen, aber von dem keiner Genaueres erzählen kann. Vielleicht ist Kopparnäs ja das finnische „Tal der Millionen Schmetterlinge„?

Der Bus kommt exakte 10 Minuten zu spät; mittlerweile scheint mir das eine lokale Eigenart zu sein. Allerdings wäre er diesmal beinahe vorbeigefahren; ich hüpfe wie das Rumpelstilzchen und er bremst sich 50 Meter später ein. Der Fahrer wirkt viel zu jung für einen Busführerschein (im Grunde wirkt er zu jung, um überhaupt einen Führerschein zu haben). Er hat Metal im Radio laufen und jausnet mit der rechten Hand, während er mit der linken abwechselnd das Lenkrad und sein Handy bedient und zudem jeden entgegenkommenden Lastwagen mit Handheben begrüßt. Ich überlebe die Fahrt durch die wunderbare Landschaft trotzdem.

Viel Geschichtliches gäbe es unterwegs zu entdecken, ein Bunkermuseum hier, eine herumstehende Kanone dort. Mir ist aber nicht sonderlich nach Geschichte, mehr nach Meer und Sonne.

Hanko gibt sich von Busstationsseite unnahbar: Zwischen Autobrücke, Eisenbahn und einem wenig sympathischen Hochhaus Marke Gemeindebau mit Kebabstand muss ich eine Weile suchen, bis ich einen Weg in die Zivilisation finde. Dann aber gleich eine entzückendes Konditorei-Café mit der besten Heidelbeertorte aller Zeiten.

Dann fühle ich mich gestärkt genug für eine Runde Sightseeing.

Es gibt einen markanten Wasserturm, entzückende Holzhäuschen, die nur schräg auf mein Foto passen, einen weitläufigen Hafen und einen verlockenden Strand. Sehr sympathisch die frei begehbaren Umkleidekabinen. Endlich schwimme ich in der Ostsee.

Dann noch eine Runde spaziert. Die Radfahrerin hat eine beeindruckende Frisur.

In die andere Richtung, quasi linksrum am Meer entlang, gibt es sympathische Quartiere, aber nicht für mich – genauer gesagt, nicht in diesem August. schade. Wieso ich weder von den entzückenden Häuschen noch vom wunderbaren Alternativstrand Fotos mache, bleibt ungeklärt. Ein Hüngerchen treibt mich zurück in den Hafen. Als ich auch im dritten Lokal höre, dass es hier mittags nur Pizza gibt, beginne ich zu verzweifeln, im vierten allerdings findet sich endlich ein Krabbensandwich.

Danach noch eine Runde durch den Hafen, samstags könnte man nach Bengtskär shippern, das setze ich mal auf die Jaichwill-Liste. Eine Menge Geschichte steht herum, darunter das „Monument der Freiheit„, das offenbar die Befreiung von den Russen durch die Deutschen feiert? Ich nehme mir vor, mich da einzulesen, und vergesse dabei ganz, das Ding zu fotografieren. Das Museum wirkt interessant, aber das Wetter ist zu schön, um es weiter zu erkunden. Stattdessen gehe ich nochmal baden, dann über den Hügel zurück zur Busstation. Nessie zwinkert mir zu.

Unter der tiefstehenden Sonne warte ich mit zwei anderen Frauen auf den Bus. Dass er nicht pünktlich kommt, erschreckt mich die ersten 15 Minuten lang nicht – dann aber beginnen wir alle drei, uns zu wundern. Die Frau aus Helsinki ruft nach 30 Minuten schließlich beim Busunternehmen an, und so erfahren wir, dass der Aushilfsfahrer unsere Station einfach vergessen hat. Machen könne man da heute nichts mehr, so der lapidare Bescheid. Fahrpläne werden gewälzt (heute fährt definitiv nix mehr), Taxifahrer befragt („200 Euro!“ – „zu teuer!“ – Schulterzucken.) Ich überlege eine Übernachtung in der Jugendherberge, die das einzig freie Quartier weit und breit zu sein scheint. Da lädt mich die Frau aus Helsinki ein, mit einem Freund, der sie in einer halben Stunde abholen kommt, mitzufahren. OK, cool!

Ich verbringe die halbe Stunde am Kebabstandl, ungläubig beäugt von der örtlichen Jugend. Dann geht es tatsächlich Richtung Osten; nach einem kurzen Austausch von Höflichkeiten legt der Fahrer eine Tschaikowski-CD ein, die erstaunlich gut in die dunkelnde Landschaft passt.

Ich erreiche mein Quartier kurz nach dem Zapfenstreich um zehn Uhr, beschließe aber, auf die Sperrstunde zu pfeifen. Nachdem ich eh alleine und leise bin – und zudem morgen endgültig weg von hier – gönne ich mir am Grillplatz noch das Sandwich und das Bier, die von gestern noch im Kühlschrank sind. Die Schwedinnen sind auch noch wach, und nachdem die eine auf Zehenspitzen den Wein aus dem Kühlschrank geholt hat, setzen sie sich auch noch zu mir. Zu dritt noch sehr nett geplaudert.

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