Das Leihhandy, das mir kommunikationstechnisch über die Zeit hinweghelfen sollte, in der mein S7 in Reparatur war, war eigentlich kein schlechtes. Es war halt nur… alt. Und hatte grade mal 4GB Speicher, von denen ich 2GB nicht nutzen konnte, aus Gründen, die zu erforschen mir die Zeit nicht wert war. Es sollte ja nur für eine Woche sein. Und Telefon, Mail und Browser decken ja eigentlich die wichtigsten Bedürfnisse ab.
Eigentlich.
Weil, so ganz uneigentlich will man ja doch auch Fotos mit halbwegs ordentlicher Qualität machen. Und auf Instagram veröffentlichen. Und betrachten und liken, was die anderen so veröffentlicht haben. Schnell auf Maps nachschauen, wo die nächste Haltestelle ist. Oder in qando, wann denn nun an dieser nächsten Haltestelle irgendein Transportmittel stehen bleibt. Oder im Scotty, wann der nächste Zug kommt, wenn man den eigentlich angepeilten doch nicht erwischt. Und dann vielleicht im Messenger kommunizieren, oder in den Hangouts, oder auf Skype oder Viber, oder vielleicht sogar in Whatsup. Und ab und zu will man halt Musik hören. Oder ein Hörbuch. Die wichtigsten News & Foren lesen, ohne mühsam die Browserversion bedienen zu müssen. Eine Benachrichtigung kriegen, wenn bei FB oder Twitter was Wichtiges passiert. Den Computer beim Serienschauen remote bedienen. Und bei Bedarf schnell mal den Kontostand nachschauen, oder vielleicht sogar eine zeitkritische Überweisung tätigen. Ein Strickmuster nachschauen, ohne den am PC full screen laufenden Film zu verkleinern. Nachgucken, welcher Stern da oben grad so hell funkelt. Oder welcher vierstrahlige Airliner da so wunderbar elegant einschwebt. Und wenn man den schon nicht identifizieren kann, dann könnte man doch wenigstens ein Foto… Oh.
Aus der versprochenen Woche Reparaturzeit wurden zwei, und wie selbstverständlich die „World at my Fingertips“ geworden ist, erkannte ich daran, wie oft meine Hand zur Jackentasche zuckte, nur um sich dann beim Erinnern enttäuscht wieder zurückzuziehen. Also, die ersten drei, vier Tage lang. Danach dachte ich gegebenenfalls noch „Wenn ich ein gescheites Fon hätte, könnte ich jetzt…“ während ich resigniert die Tunnelwände hinter den U-Bahn-Fenstern anstarrte. Weil, der Datenempfang in der Wiener U-Bahn ist im Grunde ganz OK, aber wenn man ein Fon hat, das unabhängig von der Empfangssituation gefühlte drei Minuten zum Aufbau der ORF.at oder Standard-Webseite braucht, dann lasst man es irgendwann auch freiwillig. Und wenn Google Maps nach fünf Minuten immer noch nicht weiß, wo ich bin, dann kann ich genausogut den nächsten Passanten fragen.
Natürlich bin ich „hip“ genug (ja ich weiß, das ist ein Schimpfwort), um zu versuchen, die Beschränkung als Chance zu empfinden, aber unterm Strich ganz ehrlich: Es ist mir nicht gelungen.
Gerade im Frühsommer, wo das Draußen-Sein ein großes Glücksgefühl erzeugt, war es immens irritierend, immer wieder „schnell nach Hause zu müssen“, weil es etliche Kommunikationskanäle gab, die ich unterwegs nicht überwachen konnte. Denn wenn ich mich auf mein Benachrichtigungssystem verlassen kann, ist es kein Problem, mal eine halbe Stunde im Park im Gras zu sitzen zu bleiben, ganz ohne aufs Fon zu schauen. Aber wenn ich diese Benachrichtungen nicht kriegen kann, muss ich stattdessen eben „schnell nach Hause“, weil es ja jederzeit sein könnte, dass dort schon etwas Wichtiges wartet.
Und so hatte ich, während ich körperlich die große weite Welt genoss, die sich bei den ersten Ausflügen nach dem Winterhalbjahr eröffnet, gleichzeitig das Gefühl, in einem Kellerverlies zu stecken, abgeschnitten von der mittlerweile selbstverständlich gewordenen großen digitalen Weite, von der wir vor 20 Jahren gerade mal prophetisch ein bisschen zu träumen gewagt haben.
Aber, jetzt ist ja alles wieder gut. Ich hab mein Fon zurück. Damit kann ich mich auch mitten unter der Woche an den Strand legen, wenn grad sonst nichts zu tun ist, weil wenn dann doch was zu tun ist, erfahr ich es eh. Ich muss nicht mehr Fahrpläne für den ganzen Tag memorieren oder ausdrucken, weil ich kann ja jederzeit nachschauen. Und ich muss nicht mehr die Betonwände in der U-Bahn anstarren, weil selbst wenn ich grad keinen Empfang am Fon hab, kann ich im RSS Reader lesen. Oder mein Hörbuch hören. Oder Musik. Oder ab und an sogar ein blödes Spiel spielen. 🙂
Und dem nächsten, der mir erzählen will, dass Technik Unfreiheit und Techniklosigkeit Freiheit bedeutet, wünsch ich einfach ein Monat mit einem Dumm-Fon. Dann versteht er vielleicht, wie frei ein Smart-Fon machen kann. Also, wenn man nun mal Verpflichtungen hat. Weil wenn man keine hat, ist es vermutlich egal, dann kann man gegen triste Betonwände auch einfach ein Buch einstecken.