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“Ballon – Kunst” steht auf dem Auto, das im Halteverbot steht, und der Pfeil auf dem Schild, das auf das Fotogeschäft hinweist, leuchtet nur noch halb auf. Autos vorbei, 1 nach dem anderen. Fahrer telefonieren, gestikulieren. Einer wippt zur Musik.
Zu Fuß bettelt einer & bedankt sich artig für mein letztes Kleingeld. 20 Cent. Es ist schon fast dunkel. Zigarette zu Ende, ich gehe wieder hinein.
Der Wein, den ich an die Gäste ausschenken wollte, die ohnehin nicht gekommen sind, stinkt jetzt zu Haus auf meinem Küchenfußboden. Frisch eingecremte Finger passen eben nicht auf glatte Flaschen.
Schon wieder 2 Passanten, die sich über die Titten und Schwänze der tönernen Engel echauffieren. Die Krenn-Jünger sterben nicht aus.
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Ich lese mir selbst etwas vor, zur Abwechslung. Ich mag den Klang meiner Stimme im leeren Raum. Ich mag diesen Text. Draußen Tatü-Tata im Familienpack. Ein paar Leute bleiben vor dem Schaufenster stehen und starren mich an. Hören können sie nichts durch die Glasscheibe.
Vielleicht eine Idee: eine Schriftsteller-Auslage, wie bei den Huren in Amsterdam, wo Interessierte schauen und gustieren können, während die AutorInnen schreiben und (vor)lesen; bei Gefallen kaufen sie das Buch oder buchen dich für ihre Veranstaltung.
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Ich sollte mir jetzt wohl blöd vorkommen, aber das tue ich nicht. Nicht mehr. Wieder nicht mehr. Dafür bin ich dankbar.
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C. sagt: “Lies nur, ich denk derweil an etwas Anderes.”
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Immer bei den schönsten Bildern liegt die Kamera zu Haus.
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Als ich ein Kind war, hat mein Vater immer Spiele erfunden, um mich zu beschäftigen. Etwa das “Wie viele rote VW-Käfer zwischen Graz und Lieboch”-Spiel beim Autofahren. Oder das “Wer kann länger schweigen”-Spiel, wenn er in Ruhe fernsehen wollte. Letzteres habe ich immer gewonnen, weil er nach ein paar Minuten vergessen hatte, dass wir spielen. Ich aber war auf Gewinn programmiert, und außerdem vergesse ich nie etwas. Fast nie.
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Und wenn doch, dann nur vorübergehend. Irgendwann mit Ex-Freund und Ex-Freundessohn in der ATA-Show gewesen. Karten gab’s verbilligt, für KiBA-Bedienstete wie mich. Diese Erinnerung überfällt mich angesichts eines Plakats für eine Clown-Veranstaltung, die “für Clowns-Fans” das sein soll, was der “Cirque du Soleil” für Zirkusfans war. Dunkel erinnere ich eine staubige Manege und Elefanten. Vielleicht aber sind die Elefanten auch aus einem anderen Zirkus.
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Ein anderer Zirkus, aus meiner Kindheit. Meine Mutter hat Zirkus geliebt. Wann immer ein Zirkus in der Stadt war, durfte sollte musste ich mit ihr hingehen. Ich mochte Zirkus nicht. Wenn mich jemand danach gefragt hat, habe ich gesagt: “Zirkus macht mich traurig”. Das ist bis heute so. Ich weiß noch immer nicht, warum.
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Gegenüber, im ersten Stock, bewegt sich eine weißmantelige Gestalt hinter Milchglas. Der Schemen sieht wichtig aus.
Darunter ein Friseur, in dessen Auslage eine Leuchtschrift “Superschnitt!!!” blinkt. Davor ein Knirps, der dem Wort begeistert beim Blinken zusieht, schon eine ganze Weile lang. Die Mutter daneben versucht von Zeit zu Zeit, das Kind weiter zu ziehen. Das darauf folgende Gebrüll kann ich durch Verkehrslärm und Glasscheibe bis zu mir her hören.
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Dieser Blick aus dem Schaufenster hinaus auf Autos und Fußgänger in beide Richtungen erinnert mich an die Geschichte vom Kleinen Prinzen und dem Bahnwärter. Lieber hätte ich mich an die Geschichte mit dem Fuchs erinnern lassen. Die habe ich vor langer Zeit einmal auswendig gelernt. Freiwillig.
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Der Mutter war es endlich gelungen, den Knirps mit sich zu ziehen. Kaum eine Minute später ist er wieder da und starrt die Leuchtschrift an.
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Die Bluetooth-Headset-Telefonierer auf dem Gehsteig tasten während des Gesprächs immer an ihren Kopfhörern herum; vermutlich aus Angst, sonst für verrückte Selbstgespräch-Führer gehalten zu werden.
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Elefanten. Vor langer Zeit in Graz, als wir selten nüchtern waren (und ich spreche hier keineswegs von Alkohol) zu dritt einen Spaziergang gemacht. Z. ging ein paar Schritte voraus, um eine Ecke herum, und kam dann aufgelöst und leichenblass zurück. “Nie mehr rühr ich einen Joint an”, stammelte er. – “Warum?” – “Ich habe Elefanten gesehen…”
Wir gingen um die Ecke und sahen – richtig – 4 Elefanten den gesperrten Bahnhofsgürtel entlangschreiten; Anführer der Parade eines Zirkus, der seine Ankunft in der Stadt bewerben wollte. Auf den vorderen zwei Elefanten saßen zwei einander sehr ähnliche Jungs in schwarzen Anzügen, deren hellrote Krawatten vom Wind über die jeweils linke Schulter geweht wurden.
M. und ich mussten uns an die nächstgelegene Hausmauer lehnen, um nicht vor Lachen umzufallen. Z. tat so, als würde er nicht zu uns gehören.
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Die Mutter hat das Kind hochgehoben und ungeachtet seiner Schreie einfach weggetragen.
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2 Besucher betreten die Galerie und stehen still vor den Gemälden, ich, unsicher ob ich jetzt endlich vorlesen soll, blättere in meinem Buch und hole gerade Luft, als sie mich auf Französisch nach dem Preis eines der Bilder fragen.
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Seltsam; wie sich die Geschwindigkeit der Autos draußen von “deutlich über 50” auf “weniger als Schrittgeschwindigkeit” reduziert hat, in weniger als 10 Minuten.
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Hier stehen so viele Sachen, dass ich auch nach Stunden noch neue entdecke. Die Ton-Delphine waren mir bislang entgangen, so, wie ich die kleinen Mäuschen auf den Müsli-Schalen gestern erst zu Hause auf dem Foto gesehen habe.
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Ist die Geburtenrate gestiegen? Hier laufen nur noch Mütter mit Kinderwägen herum.
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Ich weiß nicht, warum es mir immer absurder erscheint, Kinder zu kriegen. Früher habe ich manchmal gedacht, ich würde gerne eine Schwangerschaft erleben und auch gerne ein Kind haben, wenn nur die Grundversorgung gesichert wäre. Und wenn ich die ersten 2-3 Jahre nach der Geburt überspringen könnte. Heute erscheint mir der Gedanke, dass irgendetwas (irgendjemand) in mir heranwachsen könnte, fremd und abstoßend. Und dabei haben mir immer alle gesagt, wenn ich erstmal “auf die 40 zuginge”, würde ich bestimmt ganz dringend ein Kind wollen.
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Der Kosmetiksalon auf der anderen Straßenseite heißt “Le Visage”. Bilder zu den Wörtern. Bei “Gesicht” sehe ich ein glattes, nichtssagendes, ohne Peripherie wie Haare oder Ohren. “Face” erscheint mir als hübsches Männergesicht, beinahe lächelnd. “Visage” bringt ein älteres, eher häßliches Gesicht zum Klingen, geschlechtslos.
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Punschstände verbieten! Da draußen läuft schon der 3. torkelnde Sänger innerhalb einer Stunde vorbei.
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Manchmal begegnet mir ein Gesicht, das scheint innert Sekunden so vertraut, dass ich es fröhlich begrüßen, ja sogar küssen möchte. Obwohl gleichzeitig mein Verstand weiß, dass es ein völlig fremdes Gesicht ist.
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Ich könnte schwören, dass die weiße Dogge da draußen schon einmal gegen den Blumentopf gepinkelt hat – allerdings mit anderem Leinenhalter.
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Die Frisur auf dem Foto in der Friseurauslage, über der Leuchtschrift, sieht einfach schrecklich aus. Wie überhaupt ich auf Anhieb zwei Haarshampoo-Werbungen erinnere, bei denen das “Vorher” viel ansehnlicher als das “nachher” ist.
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Der Verkehr läuft jetzt wieder flüssig. Meine Füße sind kalt.
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Ein Junge kommt herein, wummernde Bässe im Kopfhörer, dreht eine Runde an den Bildern entlang ohne mich eines Blickes zu würdigen. Dann geht er wieder hinaus.
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M ruft an und entschuldigt sich, dass sie keine Zeit hatte. L ruft an und fragt, ob er noch kommen soll. Ich aber recht zufrieden jetzt & hier alleine. Etwa die Hälfte meiner Texte ist jetzt rückseitig beschrieben (ich schreib gern groß). Bin wohl noch seltsamer, als ich von mir dachte.
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Je öfter ich den halben Pfeil Werbung blinken sehe, desto überzeugter bin ich, dass gleich Wallander um die Ecke biegen wird. Die Fetzen vom Museums-Baugerüst wehen sehr malerisch im Wind.
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Wie seltsam, von jemandem deutlich unter meinem Alter beharrlich gesiezt zu werden.
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Dass mein Vater die Spiele erfunden hat, um seine Ruhe zu haben, habe ich natürlich erst viel später verstanden. Damals war ich sehr glücklich, ständig zu gewinnen.
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Einmal, in so einem Zirkus, durften die Kinder nach der Vorstellung auf den Ponys reiten. Meine Mutter fragte mich, ob ich auch wollte; das Geld hatte sie schon in der Hand. Ich weigerte mich lautstark & fing zu heulen an. Nicht aus Angst vor den Tieren, wie die Umstehenden zu verstehen glaubten, sondern weil mir die schmuddeligen Ponys mit den großen braunen Augen so furchtbar leid taten. Aber das konnte ich schon damals nicht sagen, so, wie ich später immer wieder dieses Gefühl des Mit-Leidens einfach nicht aussprechen konnte.
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Die Haut, die sich dehnt. Die eigene Form, wie sie sich verändert. Einfach nur unheimlich.
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Die winzigen Hunde dagegen, die kläffen immer.
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Da singt der vierte. Der wär jetzt fast auf die Straße gefallen.
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Das schwedische “ansikten”. Ein sehr junges Mädchengesicht umrahmt von langen blonden Haaren.
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Ich geh jetzt.