Nein, hier geht es nicht um die noch immer nur notdürftig vollendete Geschichte, deren Aufhänger seit der Hudson-Geschichte leider schief hängt, sodass mir irgendwie der Antrieb zum Weitermachen fehlt. Hier geht es vielmehr um die Laute, die mich heute um halb fünf Uhr früh aus dem Schlaf knacksten. Geborgen in meinem Traum aus Meeresstrand und Hängematte fand ich das Geräusch zuerst vor allem verwunderlich, dann in seiner Beharrlichkeit etwas lästig, dann wachte ich auf. Es knackste weiter.
Leicht schlaftrunken, mit der funzelnden Nachttischlampe und meinen Brillen, die mich bei weitem nicht so scharfäugig machen wie die Kontaktlinsen, konnte ich erst einmal keinen Verursacher feststellen. Es war ein Knacksen wie von altem Holz, das sich über eine Temperaturschwankung beschwert, aber – naja – nicht richtig regelmäßig, nur eben immer wieder. Ich kletterte aus meinem warmen Schlafnest, um mich mit dem Ohr anzunähern, näherte mich so immer mehr dem Schreibtisch, bis mir…
ein eiskalter Wassertropfen ins andere Ohr platschte. Der Blick fuhr nach oben und entdeckte den Ursprung des Geräusches in einem nassen Fleck an der Decke, der seine Nässe tröpfchenweise an den Holzboden weitergab. Was ich dabei dachte, möchte ich schriftlich lieber nicht wiedergeben, aber ich dachte einen Moment zu lang und kriegte den nächsten Tropfen mitten ins Gesicht.
Es tropfte ca. einen halben Meter neben Monitor und Computer und einen halben halben neben Steckdose und Modem. Noch ein Glück… (siehe Tante Jolesch). In einem für die Uhrzeit geradezu heroischen Logistikeinsatz brachte ich alles Elektronisch/Elektrische aus dem Gefahrenbereich, bis auf die Steckdose, die blieb, wo sie war; stellte dann einen Eimer unter und legte einen alten Teppich hin, für alle Spritz-Fälle.
Nächste Station Hausmeister. Ich hatte mich auf ein langes Klingelnmüssen eingestellt, stattdessen dauerte es nur eine halbe Minute, bis die Frau im Schlafrock und Plüschpantoffeln die Tür öffnete. Köstlicher Kaffeeduft verbreitete einen Augenblick lang die Illusion von morgendlichem Frieden. Ich zerstörte sie durch die Schilderung der Nass-Lage und erhielt eine eiskalte Antwort. “Musst du Hausverwaltung anrufen um 9 Uhr.” – “Solange kann ich nicht warten!” – “Kann nichts machen.”
Es war offenbar Zeit für einen kalkulierten hysterischen Anfall. Sie bedauerte die Krankheit ihres Mannes, die es ihm unmöglich macht, in den vierten Stock zu steigen, ich schilderte bunt mein wegschwimmendes Büro. Sie zuckte die Schultern und hätte gerne die Tür zugemacht, aber da war mein Fuß im Weg. “Was soll machen?” – Ich bettelte um den Dachbodenschlüssel, von dem ich weiß, dass sie ihn aus absurden Feuerschutzgründen nicht hergeben darf, sie beharrte auf Hausverwaltung und neun Uhr, ich drohte mit der Feuerwehr, (die die Hausverwaltung bezahlen müsste, die dann zweifellos den Hausmeister zur Schnecke machen würde), sie konferierte in slawisch mit ihrem Mann und wiederholte dazwischen stur: “Hausverwaltung”, ich zückte das Telefon und wiederholte ebenso stur “Feuerwehr”. Beim zweiten Tastendruck gab sie auf: “Warte Du!” – und rief stattdessen ihren Sohn an. “Kommt.”
Ich lief wieder nach oben. Zu fragen, warum der Sohn den Schlüssel haben kann, ich aber nicht, oder warum man um das, wofür der Hausmeister ohnehin zuständig ist, erstmal betteln muss, hätte höchstens philosophischen Wert gehabt, und für Philosophie war es eindeutig zu früh. Stattdessen vermerkte ich ein Wachsen der feuchten Stelle von “knapp handtellergroß” auf “gut doppelt handtellergroß” sowie eine zweite Tropf-Stelle. Ich hab aber keinen zweiten Eimer. Ein Kochtopf musste herhalten. Sonst konnte ich nichts tun, rollte mir eine Zigarette, legte die Füße auf den Schreibtisch und betrachtete rauchend meine weinende Decke.
Der Sohn kam zwanzig Minuten später, überraschend freundlich für seine sonst eher poltrige Art, aber mit leeren Händen. Einen kleinen Werkzeugkasten hätte man vielleicht schon brauchen können? – Naja, Hauptsache die Dachbodentür geht einmal auf. Problembegutachtung. Die Dachbodenrinne hatte ein Loch. An einer Schweißnaht. Da plätscherte nun fröhlich Tau- und Regenwasser auf den Dachboden-Boden, bildete einen kleinen See an der tiefsten Stelle und tropfte von dort zielsicher in mein Büro.
Jetzt war es der Sohn, der bedauernd mitteilte, nichts machen zu können. Er hätte eine verstopfte Rinne erwartet und diese säubern wollen, aber so… 9 Uhr. Hausverwaltung. Hausverwaltung ruft Spengler. Das war angesichts der Ausbreitungsgeschwindigkeit keine Option; ich hab nur 2 Töpfe. Eine Plastikplane oben auflegen vielleicht? Das würde zwar das Problem nur verlagern… Ich fand keine Plastikplane, dafür aber eine Tube Silikon. Mit dessen Hilfe und einem kleinen Holzpflock war die Rinne erstmal dicht. Ich tunkte noch den See auf, so gut es ging, doch unten tropfte es natürlich weiter. An Schlaf – plop – ploplop – war nicht – plop – zu denken – ploplop.
Ich saß also wieder am computerlosen Schreibtisch und fragte mich, wie weit sich die Feuchtigkeit noch ausbreiten würde, bevor der oben bereits eingesickerte Rest durch war. Der Fleck war an einer Seite an die Wand gestoßen und kroch dort hinterhältig abwärts. Ich rauchte noch eine, sinnierte über mein Glück in letzter Zeit, hörte ein leises Klack zwischen den lauten Plops und saß im Dunkeln. Äh? – Eine Stromleitung in dieser Wand? Noch dazu so weit oben? Das war mir neu.
Es war der Hauptschalter, und mein zögerliches Einschalten ließ ihn sofort wieder fallen. Mittlerweile war es halb sieben, und mein Aufrege-Potential erschöpft. Ich platzierte strategisch meine Taschenlampen und räumte noch ein bisschen Zeugs hin und her. Gegen sieben machte sich wie immer der Elektriker-Nachbar auf den Weg zur Arbeit, ich fing ihn ab und fragte um Rat. Der lautete: Warten bis es trocken ist, dann schauen. Etwa um die Zeit hörte zumindest das Tropfen auf.
Ich rauchte noch eine. Im langsam heller werdenden Finstern. Wer weiß, wie lange die Taschenlampenbatterien halten. Dann fiel mir ein, dass der Zimmerstromkreis ja ein eigener ist, und tatsächlich, nach deaktivieren desselben blieb der Hauptschalter oben. Warmwasser gerettet, Zimmer-Grundversorgung mit Verlängerungskabel sichergestellt.
Und da es endlich auch tropf-still war, legte ich mich im Sinne besserer Tages-Performance doch nochmal ein Stündchen hin. Dachte ich. Wurde aber nach 10 Minuten durch ein heftiges Klopfen an der Tür aus dem nichtganz-Halbschlaf aufgeschreckt.
Es war der Installateur, aber der falsche. Von Dachbodenschlüsseln und Regenrinnenn wusste er nämlich nichts. Er wollte stattdessen den Kloschlüssel, weil ein Spülkasten ausgetauscht werden müsse. Das Wasser müsste er dazu auch abstellen, eine halbe Stunde etwa. Ich schaute auf die Uhr. 7:24. Die halbe Stunde wollte ich ohnehin noch dösen.
Tatsächlich schlief ich stattdessen recht gut ein, hatte offenbar den Wecker falsch umgestellt und erwachte etwas ausgeruhter um halb zehn. Tappte in die Küche, um Kaffee zu machen. Der Wasserhahn röchelte leise, es klang beinah bedauernd. Draußen am Gang ein schulterzuckender Installateur. Man habe nicht damit gerechnet, dass noch so alte Rohre… Anschlussstück… schon unterwegs… halbe Stunde… höchstens…
Ich murmelte unanständige Flüche, fand aber dann Wasser von gestern im Wasserkocher. Im Grunde lässt sich alles überstehen, solange eine heiße Kaffeetasse vor der Nase dampft. Meine Tasse dampfte.
Es dauerte dann noch bis kurz nach zwei, bevor es wieder frisches Wasser gab. Mittlerweile hatte ich mit der Hausverwaltung und mit dem Regenrinnen-Installateur telefoniert. Der kann aber erst morgen kommen. Sagte er. Ich hätte wohl nicht erwähnen sollen, dass es momentan nicht tropfte. Bei strahlendem Sonnenschein. Das derzeitige Nicht-Tropfen sei ein klarer Beweis dafür, dass das Provisurium hält. Bei strahlendem Sonnenschein.
Für die Nacht ist weiterer starker Regen angekündigt. Gut’Nacht allseits.
Schreibe einen Kommentar