6. August 2004

Was schön ist. Auch wenn’s seltsam klingt.

Nur mal kurz anrufen bei jemandem, um ihm zu sagen: Hej, da kommt jetzt was im Fernsehen, was du vielleicht sehen willst. Dann aber stattdessen weiter telefonieren und sich gegenseitig beschweren, was denn alles unerträglich ist an der Welt. Und an den Menschen. Wir fangen bei den Beziehungen an. Und enden, 40 Minuten später, bei Hartz IV. Mittlerweile läuft ganz andere Musik.

Irgendwann dazwischen erzählt er, dass er kürzlich mit einem anderen Freund über Frauen im Allgemeinen und Beziehungsfrauen im Besonderen diskutiert hat. Dass die Frauen eigentlich alle viel zu kompliziert wären, als dass man wirklich etwas mit ihnen zu tun haben wollen könnte. Aber, habe der Freund irgendwann gefragt, was ist mit der Chronistin? – Ach, das ist doch keine Frau! habe er spontan darauf gesagt, erzählt er. Und entschuldigt sich sofort. Nicht körperlich natürlich, meint er, da wäre ich natürlich… und zwar immer noch! – also wenn man(n) denn dürfte. Was man(n) nicht darf.

Aber, sagt er, weißt du, gesprächstechnisch gesehen bist du keine Frau. Weil mit dir kann ich reden.

Ich verzichte – für diesmal, aus purer Dankbarkeit für dieses dringend gebrauchte Kompliment – auf jeden Widerspruch.

All das hätte er wahrscheinlich nicht gesagt, denke ich, ohne den Whisky, den er, wie er auch irgendwann zwischendurch erzählt, noch knapp vor Geschäftsschluss vom Billa geholt hat, zusammen mit einer Flasche Cola (nicht jeder kann sich täglich um den Stil kümmern), die jetzt noch fast voll ist (was wiederum für den Stil spricht), wohingegen sich der Whisky schon beinahe der zweiten Hälfte zuneigt. Sagt er.

Ich denke an den Abend in grauer Vorzeit, als er stocksauer auf mich war und bei unserem damaligen türkischen Nachbarn etwa eine halbe Flasche Raki auf ex geleert hat. Unsere türkisch-kurdischen Nachbarn waren beeindruckt. Sie waren ja auch nicht beim weiteren Verlauf des Abends dabei, als er der wie üblich skeptisch dreinblickenden Katze erklärte, sie wäre das einzige Lebewesen, das ihn je verstanden hätte. Ich habe ihm dann später übrigens eine Decke ins Bad gebracht, weil er überzeugt war, er würde sterben, wenn er aufstehen und ins Bett gehen würde. Aber ich schweife ab.

“Alkohol ist auch keine Lösung”, sage ich, heute also, pflichtbewusst. Als wäre ich nicht selber schon beim ungewohnten dritten Bier. Alleine trinke ich normalerweise nicht einmal ein zweites.  Aber irgendwie war dieser Abend von Anfang an seltsam. “Im Allgemeinen ist es bestimmt keine Lösung”, antwortet er, “aber heute im Besonderen schon.” Ich wünschte, ich könnte widersprechen.

Wir legen auf, nur um wieder anzurufen. “Dieses Sax-Solo, hast du…?” – “Der Typ mit der Gitarre! Der ist auch jenseits. Schau dir den Gesichtsausdruck…!” – “Weißt du, was er mit dem Text macht, das könntest du auch!” klingelt das Telefon hin und her.

Teubel, ich liebe die Technik, wenn sie an den richtigen Stellen einsetzt.

Beruhigend ist, dass bis zum Schluss keiner die Frage stellt, warum wir denn aufgehört haben, ein Paar zu sein. Das immerhin, das wissen wir – alle beide – genau.

Klar, er würde mich hassen, wenn er wüsste, dass ich das alles ins Internet schreibe. But hey: Er hat keins! Und falls es ihm jemand erzählt, habe ich immer noch die Ausrede vom dritten Bier.

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