Urlaub im Süden

14. August 2020

Wie jedermann und jederfrau nicht müde werden zu betonen, stellt uns dieses Jahr vor besondere Herausforderungen. Das gilt auch urlaubstechnisch, und ja, natürlich ist mir bewusst, dass es heuer ein ganz besonderes Privileg ist, über Urlaub auch nur nachdenken zu dürfen. Wobei, nachdenken darf man ja immer, aber dass dem Denken nach einem sinnenden Blick aufs Bankkonto auch ein Handeln folgt, das hatte ich schon seit einigen Jahren nicht mehr.

Das bereits gebuchte Marokko-Abenteuer und das angedachte Skandinavienfeeling überstanden allerdings den Pandemie-Überfall nicht, und so musste noch einmal ganz ein neues Denken her. Das benachbarte Ausland war zwar angedacht, wurde aber aus Sorge um eine möglicherweise erschwerte Heimkehr verworfen. Einig waren wir uns in der Frage der Unterkunft: Keinesfalls ein Hotel, sondern autark sollte es sein, um die Fremdkontakte auf ein Minimum zu beschränken. Die Auswahl war allerdings konfliktträchtig: Der Reisepartner sehnte sich nach kühlem Wald, ich sehnte mich nach Wärme und Wasser. Im reifen Alter verzichtet man vernünftigerweise gerne auf Diskussionen, daher wählten wir die einfache Lösung: Eine Woche für jeden.

Die erste war meine, und die Wahl fiel nach reiflicher Überlegung (genauer gesagt, einer hektischen Suche nach freien Unterkünften zwei Wochen vor Urlaubsbeginn) auf das Naturisten-Camp Rutar Lido in Kärnten. Den ganzen Tag nackt in der Wärme herumzugammeln, und das in Steinwurfweite von einem Badeteich, entsprach genau meinem Bedarf. Der Reisepartner, nacktbadegewohnt aber noch nie FKK-Camper gewesen, war etwas skeptisch, fügte sich aber in sein Schicksal. Die zwei Wochen bis zur Abreise waren vielleicht ein Haucherl anstrengend, denn hätten wir alles mitgenommen, was der Reisepartner mitnehmen wollte, wären wir wohl mit Sattelschlepper angereist. Ich wiederholte nur mantraartig: „Liebes, wir fahren in ein voll ausgestattetes Mobilheim“, und so schafften wir die Anreise letztendlich doch mit einem zwar vollgestopften, aber anhängerfreien Normal-Auto. Puh.

Da ich ja selbst auch nicht völlig neurosenfrei bin, waren die 305 km Anreise auf der Autobahn meine Prüfung. Als kleine Entschädigung hatte ich endlich einmal einen Grund, das Extra-Schild zu fotografieren, das auf der Südautobahn zusätzlich zu allen normalen Schildern auch den geographisch Schwerstbeeinträchtigten den Weg in den Süden weist.

Der Reisepartner fuhr rücksichtsvoll. Nach zwei kleinen Abstechern zum nächsten Fleischer und zum Bauernladen konnten wir daher unser Mobilheim „Jannika“ beziehen.

Die Durchsicht der Fotos im Nachhinein enthüllt, dass es von innen gar keine Fotos gibt. Das liegt wohl daran, dass wir den Großteil der Zeit auf der wunderbaren, überdachten Terrasse verbracht haben.

Der Schwimmteich war zwar etwas verschilft, reichte aber sowohl zum Abkühlen als auch für oberarmmuskelbildende Schwimmausflüge, wenn man also will. Ich wollte.

Ansonsten: Viel gelesen, viel gestrickt, viel geplaudert, ein bisschen Musik, immer gut gegessen, nie im Restaurant gewesen (ein einziger Versuch scheiterte an der volkstümlichen Musikbeschallung), ein entzückendes 80-er-Jahre Campingplatzgeschäfterl mit täglich frischem Topfen- und Apfelstrudel, zwei Ausflüge zu netten Menschen in der Nähe, etliche Runden eines wunderbar fiesen Kartenspiels namens „1000 Kilometer“, ein paar Einkäufe in den Bauernläden der Umgebung, den mitgebrachten Laptop kein einziges Mal aufgeklappt, und am Ende: Die Erkenntnis, dass eine Woche sehr kurz ist, und ein entspannterer Heimweg über die alte Packer Bundesstraße mit kleinen Stopps da und dort.

„Nothing bothered me, not even the things that bothered me.“

(Patti Smith, Year of the Monkey)

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