Up, up and away!

13. August 2022

Anfang des Sommers schon überlegt, ob ich mir einen Urlaub im Norden gönnen soll, beinahe ja gesagt, wieder verworfen, Anfang August dann eine Gelegenheit und das Gefühl, dass ich einen Tapetenwechsel unbedingt brauche, komme später, was auch immer kommen mag. Morgens erst gepackt, der Flug geht ja erst gegen Mittag; auf dem Weg zur Straßenbahn wieder daran erinnert, dass immer mindestens ein Drittel des mitgenommenen ungebraucht zurückkommt und den unnötig schweren Rucksack verflucht. Wann war ich eigentlich das letzte Mal mit Rucksack unterwegs? 2009?

Den Rucksack werde ich am Flughafen schnell los, und zu meiner Verblüffung drückt mir der Finnair-Mitarbeiter trotz meines digitalen Boarding-Passes auch einen papierenen in die Hand. Dass es sowas noch gibt!

Im Flieger dann aber normale moderne Zeiten, außer Wasser und Kaffee müsste man für alles zahlen. Ich bleibe bei Wasser. Flug ohne Fensterplatz unspektakulär, gelandet fotografiere ich erst einmal alles, was mir vor Augen kommt, etwa den Bronzehund zum 50-jährigen Zollhund-Jubiläum und das wirre Kunstwerk auf dem Weg in den Untergrund zur S-Bahn.

Ticketkauf und Zugfindung problemlos. Überraschend beglückt lausche ich den zweisprachig verkündeten Stationsnamen. Nach 20 Minuten bin ich mitten in Helsinki am Hauptbahnhof. Von den Straßenbahnen her könnte man meinen, man wäre in Graz.

Mich wundert erst einmal, dass so ungefähr alle mit einer Dose Coke Zero in der Hand herumspazieren, aber kaum trete ich aus dem Bahnhof auf den Vorplatz, habe ich auch eine in der Hand. Da läuft nämlich gerade eine Promotion, und die knallroten Döschen werden in Massen verteilt.

Mir bleiben eineinhalb Stunden, bis mein Bus geht, und die will ich nutzen, um ein bisschen Abendessen einzukaufen. Aber erst, wenn ich weiß, wo die Busstation ist. Die zu finden, gestaltet sich überraschend schwierig; Google Maps sieht mich erst 100 Meter südlich, dann 150 Meter östlich, dann 70 Meter nördlich davon. Dass die Busstation im Tiefgeschoss des dazwischenliegenden Einkaufszentrums liegt, merke ich erst, als ich hineingehe, um ein Mineralwasser zu kaufen. Dann also dort gleich das Abendessen mitgenommen und zum angegebenen „Bus-Gate“ gedackelt.

Dort warten schon zwei mittelalte Damen, beide mit schweren Einkaufstaschen und je einem Hund an der Leine. Keine der beiden scheint nervös zu werden, als sich auch 10 Minuten nach der angekündigten Abfahrtszeit nichts tut, also beschließe ich, auch nicht nervös zu werden. Nach einer Viertelstunde kommt schließlich der Bus, der Fahrer entspannt und freundlich, er verspricht, meine Haltestelle anzukündigen, „falls er es nicht vergisst“. Kommunikation in Schwedisch, erst die zwitschernden Damen hinter mir erinnern mich wieder daran, dass ich ja in Finnland bin.

Als die eine ihren Hund, ohne Maulkorb, ganz selbstverständlich auf den Sitz neben sich winkt, erwarte ich eine Intervention, doch der Fahrer lächelt nur still. Weitere Fahrgäste mit Hund machen es genauso. Andere Länder…

Dann kurvt der Bus souverän aus dem Kamppi-Keller und ich bewundere die Möwe am Art Museum.

Unterwegs sehr über die Landschaften gefreut. Nicht ganz eine Stunde später steige ich aus.

Der Rucksack ist um nichts leichter geworden, und die drei Minuten Fußwegzeit, die Google Maps bis zum Quartier angegeben hat, erweisen sich als eher zwanzig. Aber dann! Denke ich, und werde gleich einmal herb enttäuscht. Die Hüterin des gebuchten Quartiers hat intern umgeschichtet, und ich muss statt des angepeilten Hütterls mit einem Zimmer vorlieb nehmen. Gut, sie gibt mir dafür etwas mehr als den Preisunterschied zurück, aber…. echt jetzt?

Meine Laune wird nicht besser davon, dass der Hausdrache vor meiner Zimmertür einen Spanier zur Schnecke macht, der beim Putzen der Gemeinschaftsdusche drei Tropfen abzutrocknen vergessen hat.

Nunja; heute komme ich hier nicht mehr weg. Ich mache noch einen Spaziergang Richtung Meer und stelle dabei fest, dass die Diretissima dorthin wegen Baustelle gesperrt ist. Statt eineinhalb Kilometern bedeutet das knapp 6 Kilometer bis zur Badebucht. Der Sonnenuntergang ist episch, aber irgendwie tröstet mich das jetzt auch nicht richtig.

Mehr als nur leicht fluchend kehre ich ins Quartier zurück und mümmle Pläne schmiedend am Grillplatz an meinem Sandwich herum. Zwei Schwedinnen gesellen sich zu mir, sie kommen aus Sigtuna und sind in Sachen Ahnenforschung unterwegs. Spannend. Die eine ist auf einer Insel aufgewachsen und hat ihren Schulweg sommers rudernd, winters – je nach Wetterlage – auf Schneeschuhen oder eislaufend zurückgelegt. Letzteres einmal wöchentlich mit dem Ruderboot im Schlepptau, denn wenn der Eisbrecher kam, musste man die Schneise mit dem Boot überwinden. Ich könnte noch stundenlang zuhören, doch daraus wird nichts, denn – Auftritt Hausdrache – „it is 10 o’clock. We all go to sleep now.“

Ich ziehe mich in mein Zimmer zurück und beschließe, hier definitv nicht zu bleiben.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Voriger Beitrag

Endspurt

Nächster Beitrag

Ans Meer!

Gehe zuNach oben