23. November 2003

Unverhofft glücklich

Die Tindersticks (inoffiziell bessere Seite) spielen im Planet, und weil ich nicht aufgepasst habe, merk ich das erst im letzten Moment. Wie gut, dass wir flexibel sind: Ich und aber auch und besonders der Sufi.

Den Bauch voller vietnamesischer Suppe fahren wir durch die vernieselte Stadt: Tatsächlich. Es gibt noch Karten. Wir hätten uns nicht so beeilen müssen; es soll noch eine Vorgruppe spielen (ist man ja fast nicht mehr gewöhnt, heutzutage). Dem Sufi gefallen die Stempel, die man nur im Schwarzlicht sieht, und die UV-Sicherheitsaufdrucke auf dem Ticket.

Das Publikum Rockhaus Planet-untypisch, altersmäßig gemischt & intellektuelle vierecksbrillen-Abteilung herrscht vor. Anfangs recht spärlich.

1 Bier später erste zaghafte Gitarrentöne von der Bühne, mal sehen was die Vorgruppe kann.

The Devastations, Gitarre Bass Schlagzeug; ein sehr feines Schlagzeug, vor allem der Bassmann singt, sehr sexy, Stimme & auch sonst, schmal blass & schwarzhaarig, country-glitter-Hemd; Gesang tief & dunkel, etwas Cohen-artig, der Gitarrist dazu die höhere Stimme; fein; nur in den Power-Passagen kommen sie stimmlich nicht ganz, dafür ist das Schlagzeug feinest und die Gitarre völlig frei, gute Reaktion auch vom Publikum, aber keine Einheit, keine Wolke.

Gute Plätze erwischt, 6-7 Meter von der Bühne, die muss man auch halten während der langen Umbaupause, noch schnell ein Bier geholt, während Sufi die Stellung hält, aber dann. Aber. Dann.

Was macht denn diesen Unterschied, als die Erwarteten endlich auf die Bühne kommen, das Keyboard? Die Geige? Die Stimme ist es anfangs nicht, intensiv dunkel & wehmütig wie eh und je aber viel zu weit nach hinten gemischt, wie man überhaupt den Mixer würgen & an die Wand stellen möchte: Alles unterhalb der Mitten ein einziger wabernder Brei.

Das bessert sich, von Song zu Song ein ganz klein wenig, auch keine leichte Aufgabe, also für den Mixer jetzt: Die Stimme kriegt er nicht mehr lauter, ohne dass es übersteuert (er hats probiert); die anderen dagegen leiser zu machen kann er dem Publikum nicht antun.

Das & noch ein paar Einzelheiten bespreche ich fetzen- und flüsterweise mit dem Sufi, während ich eigentlich ganz woanders bin, da oben auf der Bühne mit der Band und immer dort, wohin sie führen wollen. Das Grundfeeling verstärkt durch die live-Atmosphäre, durch die schmerzhaft verstärkte Intensität vor allem von Stuart Staples, der einfach von einer anderen Welt ist, der heute Abend in einer anderen Welt ist, leichtes Mitschwingen allerorten & aber auch allgemeines Luftanhalten, immer wieder, vor einer unglaublich dichten Einheit von Band, die niemals voreinander zögern.

Bin froh, dass ich den Sufi mithabe, mein allererstes Kuschel-Konzert sozusagen; hätt ich niemand zum festhalten gehabt, hätt ich wohl heulen müssen (wär vielleicht auch nicht schlecht gewesen); sehr gewünscht dass der Frontman da oben so ist, wie er aussieht, weil er eben so in seiner Musik aufgeht (und nicht etwa, weil er “auf etwas drauf ist”); vermutlich aber ein bisschen von beidem, wie üblich.

Und dann, danach, sehr glücklich, ohne eigentlich zu wissen warum; auf eine seltsame Art & Weise haben die Tindersticks mir das Gefühl gegeben, dass ich nicht so allein bin, wie ich allgemein annehme, obwohl (oder vielleicht weil?) diese Musik die einsamste ist, die ich kenne.

Nachher noch ein T-Shirt (muss sein) & die Verkaufs-Frau unerwartet glücklich gemacht, indem ich des Sufis Frage nach einem eventuellen Tonträger der Vorgruppe musikalisch-intellektuellen Nachdruck verleihe.

Zu Hause noch Putenherzen aus der Pfanne &  aus Albert Camus Reisetagebüchern vorgelesen; ich schäme mich ein bisschen für den schwer kontrollierbaren Lesefluss, aber der Sufi mag das (das Vorlesen, nicht das Schämen); kurz noch Radiohead unplugged aus des Sufis Videokiste; geniales Konzert aber mir unerträglich, weil es mir zu nahe geht (?), was auch immer.

Insgesamt emotionell & kulturell hochstehender Abend. Schön so.

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