Traum aus Sand und Musik

11. August 2004

Es sieht orientalisch aus. Alles überzogen von feinem Staub, die Wüste zu nahe, um die Straßen sauber zu halten.

Obwohl die Architektur eher karibisch ist. Man weiß nicht recht, wo die Gebäude aufhören und wo der öffentliche Raum beginnt. Alles greift ineinander. Ich bin zu einem Treffen hier, aber ich weiß sofort, dass ich bleiben möchte. Ich gehe in das Haus neben meinem Hotel, das eher eine Art Herberge ist, und frage nach einer Wohnung. Sie sind gerade dabei, einen Stock drauf zu setzen, erfahre ich, und bis dahin könnte ich in die WG in der Eckwohnung einziehen. Ich schaue aus dem riesigen Fenster und sehe, wie die Wohneinheit nach oben gehievt wird. Die Räume sind karg, fast leer, spärlich dekoriert. ein Tuch vor dem Fenster, ein riesiger alter Holztisch. Die Straße endet hier, aus der anderen Fensterfront hat man einen weiten Blick über eine leere graue Ebene.

Die WG ist voller angenehmer Leute, die ich flüchtig kenne. Jenseits der Straße ist ein baugleiches Haus, auch dort ist die Eckwohnung eine WG. Ich spähe hinüber und sehe eine nette Bloggerin an einem Computertisch sitzen und tippen. Sie sieht mich, winkt und schreibt weiter.

Ich gehe zurück in die Herberge, um meine Sachen zu holen. Das wichtigste ist ein tragbarer Plattenspieler, mono, der die Platten so spielt, wie sie aufgenommen worden sind. Alle Studioeffekte, alle Soundverfälschungen moderner Stereoanlagen werden ausgefiltert und ausgeschlossen. Es gibt nur wenige Platten, die man damit hören kann, aber die dann absolut.

Unterwegs erfahre ich, dass ER in die Stadt kommt. Das ist die Chance, begreife ich sofort. ER muss bei unserem Benefiz auftreten, dann wird alles perfekt ablaufen. Im Garten der Herberge nehme ich mein Handy und rufe IHN an. Niemand hebt ab, ich spreche auf die Mailbox und bitte um Rückruf. Ich schwebe 3 Meter über dem Boden. Ich habe es getan. Ich habe IHN angerufen.

Vor Aufregung erkenne ich nicht einmal den neuen Gast, jemand der auch an dem Treffen teilnehmen soll. Er begrüßt mich freundlich, was mir wie eine billige Anmache vorkommt. Ich reagiere entsprechend. Als es mir auffällt, gehe ich zurück und entschuldige mich. Zum Plaudern habe ich jetzt keinen Nerv, ich gehe wieder in die WG. Dort schließe ich den Plattenspieler an und lege eine SEINER Platten auf. Blues. Es klingt, wie nur eine nackte Fender aus dem Proberaumverstärker klingen kann.

Drüben am Tisch klingelt das Handy. Das ist bestimmt SEIN Rückruf. Ich kann nicht abheben. Ich bin nicht bereit, mit IHM zu sprechen. Ich schleiche um den Tisch, bis es zu läuten aufhört. Ich setze mich ans Fenster, höre der Musik zu.

In der anderen WG gegenüber wird gekocht. Die Straße ist leer, bis eine großer schwarzer Bus um die Ecke biegt. ER steigt aus, mit ein paar Leuten, die zu seinem Tross gehören. ER sieht sich um, rückt den Hut zurecht und geht ins gegenüberliegende Haus. Sie werden in der WG wohnen, ist mir sofort klar. Ich wünschte, ich hätte diese Platte nicht aufgelegt. Das kann man drüben sicher auch noch hören.

Da wird die Musik auch schon von anderer Musik übertönt. Meine Mitbewohner feiern eine Party, schieben dazu einen Fernseher ins Zimmer, auf dem eine dieser unsäglichen Superstar-Sendungen läuft. Furchtbar. Ich räume meinen Plattenspieler weg und gehe hinaus, Richtung Wüste. Mein Handy trage ich wie einen heißen Ziegelstein mit mir herum. Ich sollte wirklich zurückrufen…

Als ich wieder Richtung Stadt gehe, ruft mich die Bloggerin aus der gegenüber-WG zum Kaffee zu sich. Erst als ich oben am Tisch sitze, wird mir bewusst, dass ER irgendwo in dieser riesigen Wohnung sein muss. Die Bloggerin zeigt mir ein Blatt. “ER ist wirklich süß”, sagt sie, “schau, das hat er gezeichnet”. Es sind surreale comicartige Figuren in mehreren Farben, dazu Kringel und Kritzelei, so, wie man während einer Unterredung kritzelt, um die Finger zu beschäftigen.

Ich fahre mit dem Finger die Linien nach und denke, dass es doch nicht so schwer sein kann, mit IHM zu reden. Ich werde anrufen. Gleich.

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