24. August 2024

Statt Reisen

Es wird wieder Zeit, sich dem Alltag anzunähern. Dabei gilt es, Routinen zu überarbeiten, denn in diesem letzten halben Jahr war ich weder mit meinen persönlichen noch mit den Arbeitsroutinen glücklich, was dazu geführt habe, dass ich mich permanent vor eigentlich allem drücken wollte, vor der Arbeit ebenso wie vor privaten Unternehmungen. Wo dann doch noch Zeit blieb, verschusselte ich sie nicht nur nutzlos, sondern auch lustlos, was natürlich prompt noch mehr Unzufriedenheit verursacht hat.

Es muss einfach mehr Balance her, quasi auf zu neuen Ufern und gleichzeitig Back to the Roots.

Als erstes werfe ich die aus einem Produktivitätsratgeber stammende Idee über Bord, gleich nach dem Aufstehen die ToDo-List für den Tag zu sichten und gegebenenfalls zu überarbeiten. Der Morgen braucht Freiräume, ein Stündchen, um zum Fenster hinaus oder ins Innenleben hinein zu träumen. Vage zu etablieren, also als Wollen, nicht als Müssen, möchte ich dafür meine 20 Minuten Duolingo und die Tarot-Tageskarte, dazu vielleicht etwas Magazin- oder Buchlektüre (keine Tageszeitungen). Ersteres hat sich schon in den zwei freien Wochen als Vergnügen erwiesen, letzteres habe ich mit ein paar Newslettern und dem Einrichten eines ‚Read-Later‘-Dienstes angestoßen. Bleibt die Tarot-Karte, die ich an diesem Samstag dann gleich einmal ziehe.

Es ist der Narr, und das könnte besser nicht passen. Der Aufbruch zu einer neuen (inneren) Reise, Spontanität und Abenteuer, das ist genau der Plan. (An dieser Stelle sollte ich wohl wieder einmal betonen, dass ich das Tarot natürlich nicht in esoterisch-weissagender Weise nutze, sondern als intuitiv-spielerische Innenschau, und als Entscheidungshilfe an ansonsten leeren Tagen, wie hier schon beschrieben.)

Was hingegen nicht in den Morgen passt, auch das habe ich in den letzten Wochen versucht, ist die ebenfalls wiederaufgenommene Bewegungs-Selbstverpflichtung. Die wird wohl eher in den Abendfreiräumen etabliert. So sie sich nicht aus den Tagesaufgaben ohnehin ergibt, wie heute: Trotz der 34 Grad warmen Stadt mache ich alle Wege zu Fuß.

Es sind zwar nur kleine Erledigungen auf dem Plan, die aber weit verstreut. Ein Kabel aus dem Elektromarkt, ein (ganz bestimmter) Wasserkocher aus dem Baumarkt, den ich am Montag jemandem mitbringen will, dann noch mein neues Lieblingsbrot (das sich dann aber leider an allen drei erreichbaren Verkaufsstellen als ausverkauft erweist) und schließlich noch etwas frisches Gemüse vom Markt. Am Ende stehen 11000 Schritte auf dem Zähler, und das ist eine von drei Arten, den Tagesordnungspunkt ‚Bewegung‘ abzuhaken (die Alternativen sind Schwimmen oder Freiluftgym).

Bevor ich mich mit Einkäufen beschwere, werfe ich einen Blick in den Zürcher Hof, dessen imposantes Eingangs-Relief mir vor ein paar Tagen zum ersten Mal aufgefallen ist, obwohl ich in den letzten Jahrzehnten viele Male daran vorbeigegangen und -gefahren bin.

Innen ist der Gemeindebau recht grün und mit weitläufigem Spielplatz ausgestattet, wirkt aber nicht ganz so repräsentativ wie die Häuser am Wienerberg. Interessant finde ich, dass diese Häuser aus der Zwischenkriegszeit mit großzügigen Balkonen ausgestattet sind, die man bei späteren Gemeindebauten viel seltener sieht.

Dann weiter Richtung Erledigungen. Die Stadt ist wieder voller geworden, viele Urlauber offenbar zurückgekehrt, die Touristen aber noch nicht weggefahren. In der Fußgängerzone wird familiär geschlendert, die Gastgärten sind voller Genießer*innen. Auf dem Columbusplatz wartet das Volxkino auf seinen abendlichen Einsatz, und mir fällt ein, dass ich eigentlich gestern zu Silent Movie hätte gehen wollen. So ist das leider zu oft mit meinen Will-nicht-Muss-Terminen, sie fallen mir immer erst dann wieder ein, wenn sie schon vorbei sind.

Ebenfalls am Columbusplatz steht eine (mir) neue Variante der städtischen Wasservernebler, bei der der Sprühnebel aus einem pflanzenbewachsenen Klettergerüst kommt. Von der Idee her nicht schlecht, aber ein (ohnehin minimaler) Kühlungseffekt stellt sich nur ein, wenn man direkt daneben steht.

Das Stadtgartenamt setzt in diesem Spätsommer offenbar auf üppig und wuschelig.

Auf dem Heimweg, nicht schwerst aber doch etwas bepackt, drückt die Hitze sehr, und die Straßenbahn lockt. Vor solchen schrittefeindlichen Gedanken rette ich mich in den nächsten Supermarkt, ein doppeltes Glück, denn sonst hätte ich mich wohl nicht daran erinnert, dass ich noch Joghurt kaufen wollte.

Heimgekehrt und mit einer kalten Dusche wiederbelebt, breche ich gleich einmal die neue Routine, die vorsieht, am Wochenende nur dann zu arbeiten, wenn es wirklich nicht anders geht, und widme mich dem in den letzten 2 Wochen sträflich vernachlässigten Posteingang. Ich hatte aber tatsächlich Lust darauf und außerdem war da doch diese Sache mit der Spontanität.

Danach ein Hüngerchen, ich freute mich auf und über einen Grillkäse aus der Pfanne mit Kartoffelsalat. Der letztere war aus dem Glas und ausgesprochen verzichtbar; nächstes Mal doch wieder selber Kartoffeln kochen.

Die Abendfreiheit genoss ich mit einem neuen schwedischen Krimi, der sich erfreulich anlässt (ich hatte in letzter Zeit einige angehört und dann wieder verworfen, offenbar ein neuer (?) Trend, dass es in den schwedischen Krimis mehr um den Alltag, das Innen- und Liebesleben der Protagonist*innen geht als um eine spannende Story). Daneben sortierte ich meine Garnvorräte und angefangenen Strickprojekte neu.

Die Spitze des Garnbergs

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