Stadtwanderweg 7

Warm ist es heute, und windig. Ideal um eben mal 15 Kilometer den Stadtwanderweg 7 entlangzuhatschen, dachte ich. Der Startpunkt ist öffentlich von mir aus gut zu erreichen, aber die Straßenbahn ist gerade gefahren. Ein paar Extraschritte also, weil warten ist nicht meins, und Anblicke gibts überall.

Wie ich so vor mich hinging, hörte ich plötzlich trapselnde Schritte neben mir. Ein Beagle ging mir wie selbstverständlich bei Fuss und schaute, als ich stehenblieb, vertrauensvoll zu mir hoch. „Zu wem gehörst du denn?“ fragte ich und schaute mich um, doch die Straße war menschenleer. Der Hund sagte auch nichts. „Wo bist denn daheim?“ – statt einer Antwort leckte er meine Hand ab.

Die Idee eines vierbeinigen Wandergefährten gefiel mir, aber er schien gut genährt und gut gepflegt und trug ein hochwertiges Leinengeschirr, ein Streuner war das nicht. Ich setzte mich auf ein Mäuerchen und sprach freundlich auf den Hund ein, vielleicht trug er ja eine Telefonnummer am Halsband? Da ging die Tür eines Lokals auf, das eben noch sehr geschlossen ausgesehen hatte. „Wissen Sie zu wem der Hund gehört?“ fragte ich den Mann, der einen Eimer Wasser in den Rinnstein schüttete. „Der ghört zu uns“, sagte der Mann, „Burschi kumm!“ – Burschi zögerte und schaute zwischen dem Mann und mir hin und her. „Er bringt uns immer die Gäst’“ lachte der Mann, und ich lachte zurück und nahm meine Wanderung wieder auf. Burschi folgte mir nicht weiter.

Ein paar hundert Meter weiter nahm ich dann doch für ein Stückerl den Bus, weil der richtige gerade einfuhr, als ich daran vorbeiging.

Das erste, was mir beim alten Landgut auffiel, war die Unzufriedenheit mit den Stadtentwicklungsplänen.

Danach hielt ich Ausschau nach einem Wegweiser, fand aber keinen. Ich hatte mir aber vorsichtshalber die Wegbeschreibung kopiert und wusste, dass es am Austria-Stadion vorbeigehen sollte. Dann sah ich einen Burger King, beschloss, dort nochmals schnell aufs Klo zu gehen, und fand so auch den ersten Pfeil.

Auf dem Weg Richtung Stadion fiel mir auf, dass meine Jacke für diese Umgebung vielleicht ein bisschen sehr grün war. Einige wenige frühe Fans nahmen zum Glück dennoch keine Notiz von mir.

Zwischen Sportplätzen durch ging es dann Richtung Laaer Berg. An der nächsten Straße konkurrierten die Straßenschilder mit Fußballsprüchen.

Ein Stück die Laaerbergstraße hinunter, rechts ein Teich, der aber von allen Seiten eingezäunt ist und wohl einem Anglerverein gehört.

Im Geäst lauerte der Drache der Wegwerfgesellschaft.

Richtung Böhmischer Prater, die Häuser die seinerzeit in Bau waren, sind schon lange fertig und bewohnt („seinerzeit“ sollte hier ein Link sein, aber den muss ich erst suchen.)

Im Neubaugebiet denke ich wieder über Balkone nach, die hier scheinen recht gelungen.

Der böhmische Prater ist ja gut bekannt, meist mit Herrn Sufi, aber von dieser Seite habe ich mich noch selten genähert. Viele Familien unterwegs, Kids pflücken Gänseblümchen und präsentieren sie den Müttern als Schatz, Jogger*innen schnaufen vorbei. Der böhmische Prater selbst voller Leben, Musik und Ringelspiel. Da und dort duftet es Essen aus den Gasthäusern. Man müsste die Runde so anlegen, dass man hier am Höhepunkt des Hungers vorbeigeht, denke ich, heute ist es mir zum Jausnen noch zu früh.

Vielleicht hätte ich das bunte Treiben fotografieren sollen und nicht das leere Karussell, aber so ist das halt mit mir und den Fotos. Am Rande des Vergnügungsparks findet sich auch eine Übersichtskarte.

Kurz darauf der gewohnt befreiende Ausblick über die Stadt.

Hier hätte ich mir wieder mehr Wegweiser gewünscht, „geradeaus bis zum nächsten Pfeil“ ist ein bissl blöd, wenn sich der Weg in halbrechts und halblinks teilt. Mit einem Blick auf die fotografierte Karte finde ich mich aber zurecht.

Der Kontrast zwischen Beinahe-schon-Landleben und Stadtausläufern ist zuweilen ein bisschen schräg.

Dann geht es überland Richtung Oberlaa. Die Weinstöcke noch winterleer, an manchen Büschen zeigt sich erstes Frühlingsgelb. Flieger zielen auf Schwechat, und die Traktoren ziehen lange Staubschleppen hinter sich her. Der Rad- und Spaziergangsverkehr lichtet sich, die Krähen im Feld erzählen sich was.

Hier gibt es Gegend in alle Richtungen.

Wunderbare Weite, und wunderbar weit weg von eigentlich eh allem. Vielleicht hätte ich mein Stadtwanderweg-Tascherl doch gegen einen Wander-Rucksack tauschen sollen, zumal sich jetzt doch langsam ein Hüngerchen einstellt. In Oberlaa vielleicht…?

Tatsächlich winkt beim Wiedereintritt in die Zivilisation der Brückenwirt, doch der übervolle Parkplatz und die Musik aus dem Lokal lassen den Gedanken an eine Einkehr nicht lockend erscheinen.

Dann halt die Liesing entlang, die ich hier eigentlich nicht erwartet hätte (aber irgendwoher muss sie ja kommen).

Idyllische und dystopische Ecken wechseln sich ab, und ab und zu brummt Industrie zwischen den Bäumen hervor.

Der Weg an der Liesing ist aber vor allem sehr gerade. Und lang. So lang, dass ich ins Zweifeln komme und Karte wie Passanten frage, ob das hier tatsächlich noch der Stadtwanderweg 7 ist. Viel Radverkehr, dazwischen immer wieder Spaziergänger. Nach einer ganzen langen Weile treffe ich auf den Kreuzungspunkt mit Stadtwanderweg 12, an dem ich letzte Woche auf den Siebener aufmerksam wurde.

Es war etwas diesig geworden, und es wurde kühler. An der Bahn entlang war es recht leer, nur eine Gruppe Jugendlicher, die übten, einen Stock wie im Film ums Handgelenk zu wirbeln. Der Größte in der Gruppe machte das schon sehr überzeugend.

Zweimal über die Bahn, und ich näherte mich langsam wieder der Zivilisation, wenngleich unklar blieb, was der schwedische Mittsommerreigen an einer Liesinger Hauswand zu suchen hatte.

Irgendwie hatte ich keine rechte Lust mehr und dachte darüber nach, die nächste Bank zu nutzen, um nach alternativen Heimkehrmöglichkeiten zu googlen. Es kam aber keine Bank, stattdessen erste wieder vertraute Anblicke.

Als dann doch eine Bank kam, hatte ich mich schon überzeugt, einfach weiterzugehen. Das Wegerl gegenüber bin ich im Dezember schon einmal heruntergegangen, der Stadtwanderweg 7 ging stattdessen nach rechts.

Nach rechts und bergauf, um genau zu sein. Ob man nicht doch irgendwo einen Bus… – naja. Wo Kondition und Motivation schwächelten, setzte die Sturheit ein. Zumal jetzt schon der Lärm aus dem Stadion hörbar wurde, dem Anfangs- und Endpunkt der Wanderung. Und es hatte wieder aufgeklart.

So schleppte ich mich also zu Schlachtgesängen, die nicht mir galten, noch das letzte Stückerl des Berges hoch.

Wieder am alten Landgut angekommen, wirkte alles sehr leer. Ich zog einen Apfelsaft aus einem Automaten und ließ mich bis zur Ankunft des Busses auf einer Bank nieder. Auch im Stadion war es eher still geworden. Plötzlich kam aus der U-Bahn ein Typ im grün-weißen Rapid-Gewand, und als hätte man noch zweifeln können, sang er laut, falsch, aber mit viel Begeisterung die Rapid Hymne. Ich kicherte leise in mich hinein und hoffte für ihn, dass tatsächlich alle Austria-Fans im Stadion waren. Ringsherum blieb es still, dann plötzlich Applaus und Schreie vom Stadion her, es war wohl ein Tor gefallen. Der verirrte drehte sich langsam in die Richtung um, reckte den Mittelfinger in die Luft und erstarrte wie eine tragische Statue.

Dann der Bus. Ich überlegte kurz, stattdessen den Ausgang des Dramas abzuwarten, stieg aber doch ein.

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