Dieser Text entstand im Rahmen der Dienstagsschreiber*innen. 45 Minuten Schreibzeit (keine Vor- oder Nachbereitung), Vorgabe diesmal: Einen wikipedia-artigen Text rund um bestimmte Begriffe zu schreiben (Begriffe im Text kursiv markiert).
Sechskrügelgasse, die – Gasse in Wien
Die Sechskrügelgasse ist eine lange Gerade, die aus den westlichen Außenbezirken in die Wiener Innenstadt führt. Benannt wurde sie nach einer mittelalterlichen Tradition, derzufolge jeder Fuhrwerker, der auf diesem Weg Waren in das damalige Stadtgebiet lieferte, auf dem Weg nicht unter sechs Krügeln Bier trinken durfte.
Das lag an den sechs Wirten, die sich an dieser Gasse niedergelassen hatten und starkem Konkurrenzdruck ausgesetzt waren. Als der erste mit einem Gratisbier für die hart arbeitenden Fuhrwerker lockte, zogen die anderen sofort nach. Trank nun ein Einreisender bei einem Wirt ein Gratisbier, musste er es bei allen anderen auch tun, um nicht die Rache der Wirte auf sich zu ziehen, die dann versuchten, die Pferde mit Zucker, bestem Heu, und sommers auch mit kühlendem Wasser vom Weg abzubringen.
Was die Wirte von dieser Aktion hatten, bleibt bis heute letztlich ungeklärt. Vorherrschend unter den Historikern ist die Theorie, dass die Wirte aus unbekannten Gründen verstoßene Adelige waren. Man hätte sie vor die Wahl gestellt, entweder eingemauert zu werden und für ihr Lebtag allein zu bleiben, oder aber mit den finanziellen Mitteln der Familie ein Gasthaus zu eröffnen und das gemeine Volk mit höchstens mittelmäßigem Essen und unterdurchschnittlichem Bier auf seinen Platz in der Rangordnung hinzuweisen, damit dieses nicht übermütig und dekadent würde, wie es durch den Verzehr von hochwertigen Speisen zu befürchten stand (siehe: Zellweger-Syndrom).
Diese Theorie wird untermauert durch Einträge in historischen Chroniken, denen zu Folge jeder der sechs Wirte eine seltene Erbkrankheit hatte, wie sie unter der Inzuchtanfälligen adeligen Gesellschaft häufig vorkamen. Der erste Wirt etwa litt unter dem Goldenhar-Syndrom, das ihm am ganzen Körper dicke blonde Haare wachsen ließ – allerdings nur kurze, wie das fehlende zweite a bereits andeutet. Daher rührte auch sein Spitzname “Der Igel von Hernals”, der auf das Gasthaus überging und viele Jahrhunderte erhalten blieb, bevor das Gasthaus im Jahr 2025 aufgrund des 57. Corona-Lockdowns endgültig schließen musste.
Die Tradition der sechs getrunkenen Krügel für die Gassenbenutzung wurde während des zweiten Weltkriegs noch einmal wiederbelebt, denn, so der damalige Bezirksvorsteher, “den Hitler hoitst jo nur bsoffen aus”. Nach dem Krieg wurde sie allerdings schnell verboten, als ein Jeep mit Befreiern der vier Alliierten dem Alkohol zum Opfer fiel. Schon beim dritten Wirt hatte der Franzose begonnen, eine Art Russisch zu sprechen. Rotanev! Wiederholte er mehrmals, Rotanev! – ohne dass der Russe wusste, worauf er hinauswollte. Der Russe zog stattdessen die Uniform aus, nahm die amerikanische Fahne aus der Halterung und hüllte sie um sich wie eine Toga. “Mia Placidus” deklamierte er, bevor er aus dem fahrenden Jeep sprang, um die vierte Kneipe nicht zu versäumen. Das brachte den Amerikaner so in Rage, dass er dem Russen nachlief, um die Fahne zurückzuerobern, während er lauthals in einer völlig unbekannten Sprache fluchte. Korneforus! schrie er, Chamukuy!
Der Brite, der am Steuer saß, beobachtete das Geschehen über seine Schulter und war so abgelenkt, dass er den Jeep kerzengerade in die 5. Gastwirtschaft lenkte, wobei er die Mauer durchbrach und den Besitzer mit dem Kühlergrill an die Bar nagelte. Das Bier aus der demolierten Schankanlage lief wie ein Bacherl bis auf den Stephansplatz, ein Ereignis, das Katholiken bis heute das Sechskrügelwunder nennen, obwohl bisher noch kein Papst bereit war, das Wunder kirchen-offiziell anzuerkennen.
In der Zeit der rotgrünen Koalition in Wien gab es mehrmals Gespräche darüber, die Tradition der obligatorischen sechs Krügeln Bier bei Durchfahrt wieder aufzugreifen. Sie scheiterten jedoch jedes Mal an Michael Häupl, der mit strenger Miene verkündete: Wenn schon, dann sechs weiße Spritzer!
