9. Oktober 2001

Oh, Fuck

Wieder ein Tag verschwendet an dummen Schriftkram mit Ämtern und sonstigen unnötigen Instanzen. Addieren wir noch einen halberfolgreichen Installationsversuch einer künftigen Entwicklungsumgebung; der Hop täte ja, was ich will, sogar unter Windows 2000, aber MySQL läßt mich trotz hunderter besuchter Dokumentationsseiten dumm dastehen und saublöd dreinschauen. Danke, das hab ich noch gebraucht.

Wäh. Ich fühl mich richtig überflüssig. Dazu im Radio noch Dummgequatsche anstatt Musik, und ich zu dämlich um abzuschalten. Schon recht, erzählt mir nur alles über die 22jährigen Bestsellerautoren, damit ich mich dann so richtig als Versager fühle. Interviewt sie und lasst sie pseudointellektuell über alles referieren von dem sie einen Scheißdreck verstehen. Genau so macht man Programm.

Yeah right, da hätten wir noch den Fernseher, der sagt, es ist Krieg. Wir sehen grünflimmernde Explosionen und Menschen auf der Flucht. Dazu Propagandafilme der Rüstungsindustrie, schwarze Flieger und stählerne Raketen, die in der Sonne glänzen, während sie die Sensoren ausfahren, um ihr Ziel ferngesteuert todsicher zu erreichen. Oh, und natürlich wird jeder, der jemals irgendeinen Fuß in ein islamisches Land gesetzt hat, als Experte interviewt. Der Schrott, der da zusammengeredet wird, würde hunderte Lastwägen füllen, wenn man ihn aufsammeln müßte. Da vergess ich glatt meine pazifistische Einstellung und hätte großen Spass daran dem einen oder anderen mit der Faust ins Gesicht zu hauen. Vielleicht hilft die Erschütterung, die Ganglien zu rekalibrieren, wahrscheinlich aber nicht, denn wo nichts ist, gibt es auch nichts einzustellen.

Ach, shit on it. Ich öffne ein Bier und eine Packung Chips, nee, vorher noch eine Zigarette, Tage wie dieser eignen sich nicht zur selbstverordneten Regeneration.

Wie nett, die Mitternachtsnachrichten haben noch einiges im Angebot. Einen vermuteten Anschlag mit Milzbrand-Bakterien zum Beispiel, und wenn da irgendwas dran ist, sind wir right back mitten im Katastrophenfilm. Zurücklehnen und zuschauen, Chips und Bier hätten wir ja schon bereitgestellt. Spannend genug wär es ja, nur sind die Hintergründe etwas verworren. Sag doch einer dem Regisseur, dass die Aufmerksamkeitsspanne heutzutage nicht mehr so lang ist. OK? Hier die Guten, dort die Bösen. Alles andere überfordert die Leute. Ist nunmal so. Aber spannend ist er, wie gesagt, nicht übel, der Film. Schaun wir halt weiter zu.

Was soll man denn auch sonst machen? Demonstrieren für den Frieden? Ist ja ein Megabrüller! Ich seh sie vor mir, hiesige und dortige Krieger, zwischen Kampf und Konferenz herzlich lachend über die Idioten auf der Straße. Gibt ohnehin so wenig Vergnügliches zur Zeit, da kommen diese Pausenclowns gerade recht.

Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.

Da sitz ich nun und schmiede an einer Zukunft, die mir hohnlachend den Perserteppich unter den Füßen wegzieht. Oh, das macht weiter nichts, aufrappeln und die blutiggeschlagene Nase putzen, das kenne ich, ist ja nicht das erste Mal. Dann nach dem besten Feiertagslächeln suchen und von vorne anfangen. Die Schwalbe, das lästige Scheißvieh, versucht sich einzumischen, da hilft nur noch die Fliegenklatsche.

Reicht das alles etwa noch nicht? Muss das sein, dass ich jetzt noch Dazed and Confused vorgesetzt kriege, einen mittelmäßigen Film mit brauchbarer Musik, der mich trotz seiner College-Brutalität schon an optimistischen Tagen viel zu gnadenlos an die Dinge erinnert, an die man mit 18 voller verzeihlicher Dummheit zu glauben pflegt? So wie Liebe zum Beispiel, oder Freiheit, oder das Leben, oder ähnlichen haarsträubenden Schwachsinn? Ey, das ist übrigens genau das, was ich an den Amis noch nie verstanden habe: Die gnadenlose Naivität, gepaart mit hirnloser Action auf Kosten anderer. Und das auch noch in der wie üblich völlig dummsynchronisierten deutschen Fassung, was bedeutet, dass man das Filmchen unmöglich anschauen kann, ohne einen Wutanfall nach dem anderen zu bekommen.

Aber was sind die Alternativen? Schlafengehen etwa? Danke nein, auf die Träume kann ich heute auch verzichten.

Was sagst du? Weinerlich? Egozentrisch? Ach leck mich doch am Arsch. Denkt ja sonst keiner an mich, denk ich halt selber an mich.

Von besorgten Anfragen nach meinem Wohlergehen bitte ich freundlichst abzusehen. Es geht mir dreckig. Und wie üblich ist morgen ein neuer Tag, und der wird für sich selber sorgen. Scheiß drauf.

Ach, und eh ich’s vergesse, an all die Idioten, die nach “bin laden funny”* suchen: Hier gibt’s weder Witze noch Bilder. Ich find den Typ nämlich nicht besonders witzig.

That’s all for tonight.

*das war ein Altavista-Link. (Anm. 2017)

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