Hatte ein bisschen Bedenken, wie kühl die Nacht unter der italienischen Leintuch-Decke werden würde, aber tatsächlich stand ich sogar irgendwann auf, um die Klimaanlagen-Heizung zurückzudrehen. Wenn die Messe um 9:30 aufsperrt, und der Bus 20 Minuten fährt, dann reicht es doch, um 9 in den Bus zu steigen, dachte ich naiv und genoss einen ruhigen Sonntagmorgen mit Kaffee, Lektüre und Frühstück. Heuer gäbe es ein Gratisshuttle zur Messe, aber der Abfahrtsort liegt fast einen halben Kilometer von meinem Hotel, also investiere ich die 2 Euro für den Linienbus, der quasi vor der Tür stehen bleibt. Latschen werde ich ohnehin noch genug. Noch ist das Starkregenwetter nicht eingetroffen, es blinzelt sogar die Sonne durch. Aus dem vollbesetzten Bus gelingt mir nur ein verspiegeltes Foto.
Die letzten eineinhalb Kilometer Stau und Schritttempo, einige Passagiere versuchen, den Busfahrer zum Öffnen der Türen zu überreden, weil man zu Fuß doch schneller wäre. Beim Busfahrer stößt dieses Ansinnen, wie in den Vorjahren auch, auf taube Ohren.
Beim Messeeingang staut es sich ebenfalls, aber schließlich bin ich drin. Warum ich mir bei jeder Messe wieder einen schlauen Plan zusammenschreibe, der die zu besuchenden Stände in eine logische und gut begehbare Abfolge bringt, wenn es doch eh immer und überall so ist, dass ein Kontakt gerade keine Zeit hat, eine Kontaktin noch nicht angekommen ist, und ein dritter gerade unauffindbar, sodass man ohnehin immer von einem Ende der Messe zum anderen läuft, frage ich mich nur kurz – meine schlaue, aber im Endeffekt überflüssige Liste gibt mir immerhin das Gefühl von Effektivität.
Gespräche, Fotos, Kostproben, 22000 Schritte. Gegen vier Uhr nachmittags meldet der Magen, dass er jetzt doch gerne etwas Salziges hätte. Angesichts der langen Schlangen vor den Messerestaurants begnüge ich mich mit einer Portion Pommes und wundere mich über den Preis von 5 Euro. Dann tauche ich schnell wieder in die Messemasse.
Anders als auf deutschen Messen gibt es hier keine abendlichen Standparties (vielleicht, weil sich eh die ganze Messe wie eine riesige Party anfühlt, oder ich besuche die falschen Firmen für sowas), mir bleibt also nichts anderes übrig, als mich abends gemeinsam mit der Masse hinauszuwälzen. Gedränge vor der Garderobe, Gedränge bei den Ausgängen, Gedränge an der Busstation. Dazu schüttet es bei eiskaltem Wind. Im Bus erobere ich sogar einen Sitzplatz, doch dann kommt ein Uniformierter herein und verkündet, dass der hintere Bus zuerst fährt. Beglückt, das auf italienisch gleich verstanden zu haben, rausche ich mit anderen Italienischkundigen zum hinteren Bus, während andere Ausländer verständnislos zurückbleiben. Ein urberlinerisches „Wat hatter jesacht?“ bringt mich zum Schmunzeln, ich hätte aber nicht zum übersetzen stehenbleiben sollen, denn als ich den anderen Bus erreiche, kann man dort von Sitzplätzen nur noch träumen, was im Megamessestau (knapp über eine Stunde für die 7 Kilometer bis zum Hotel) nicht so richtig lustig ist. Zu Fuss wäre aber bei dem Dauerwolkenbruch auch nicht angenehm. Ich steige eine Station früher aus, um im Supermarkt noch Wasser zu kaufen, und finde prompt eine Marmorplatte, auf der es sich malerisch ausrutschen lässt. Im Hotel fluche ich ein bisschen über die Matschflecken auf der Jacke, die sich aber erstaunlich leicht wegputzen lassen.
Danach keine Lust mehr auf große Ausflüge, auf die höchst mittelmäßige Pasta von gestern aber auch nicht. Das ebenfalls nahegelegene Lokal vom Vorjahr serviert heuer auch Burger. Na bitte, warum nicht. Zwischen einheimischen Burger-Aficionados vor einem Bildschirm mit Fussball diniert es sich ohnehin angenehmer als in den messebesucherüberschwemmten Touristenlokalen.
Satt und zufrieden kehre ich ins Hotel zurück. Es ist gerade mal 9 Uhr, aber ich bin schon müde genug. Ein wenig noch durch die italienischen Fernsehkanäle gezappt und dankbar für das warme Zimmer. Das Abendzigarettchen am Balkon sehr kurz gehalten, der Balkon ist zwar überdacht, aber der Regen kommt mit dem eiskalten Wind waagrecht an.