Der Tag vergeht mir schon vor dem Frühstück. Kinder, unbescholtene Kinder, in Österreich geboren, werden bei Nacht und Nebel von einem Polizeiaufgebot abgeholt, das man sich für rechte und Schwurbler-Demos vergeblich wünscht. Werden mitten in einer Pandemie und den damit einhergehenden düsteren Aussichten in ein Land abgeschoben, in dem sie nicht einmal die Sprache verstehen werden. Das ist so weit jenseits jeglicher Menschlichkeit, dass mir die Worte fehlen. Und die Grünen halten die ganze Zeit brav die Klappe und sind erst im Nachhinein, als es zu spät ist, „schwer verärgert„. Ich glaube, das war das endgültige Ende von 30 Jahren Grünwählerei meinerseits.
„Du warst aber auch nicht dort“, auf der Demo um drei Uhr früh, beschwert sich weit hinten in meinem Kopf eine Stimme aus der Vergangenheit. Nein, war ich nicht, gebe ich zu. Vielleicht bin ich alt geworden, bequem. Vielleicht hat das ganze letzte Jahr mich mürbe und verwirrt gemacht. Vielleicht habe ich zu oft miterlebt, dass das alles ja auch nichts hilft. Die Stimme schweigt enttäuscht.
Vormittags zwinge ich mich zur Arbeit, die nichtig erscheint angesichts des widerlichen Dadraußens, mittags treibt mich die Unruhe hinaus, eine kleine Runde, die die Welt auch nicht besser macht. Bei der Heimkehr ein Gulasch vom Perchtenstüberl mitgenommen, Dragan fragt, wie es mir geht, und ich brauche einen Moment, um aus dem Gewirr in meinem Kopf ins Jetzt zurückzukehren. Ja eh, sage ich, und euch? – Man komme gerade so über die Runden, aber es bliebe ja nichts anderes übrig als durchzuhalten.
Mut machen, sich und einander, es klingt mittlerweile so, als würde man sich selbst kaum glauben, aber man bemüht sich. Immerhin, das Gulasch von Dragans Frau ist gewohnt ausgezeichnet. Wieder ein bisschen Arbeit, danach versucht, einer müden Stimme zumindest ein bisschen Leuchtturm zu sein. Die Stimme findet ihren Hafen. Leuchttürme aber haben keinen Hafen, sie blinken einfach weiter vor sich hin. Manchmal tagträumen sie dabei, zuweilen auch ausgedehnt.
Danach vollmondtrunken in eigene und befreundete Songs gekippt, oh, da war schon einiges G’scheites dabei! Mehr davon online bringen, demnächst.
Die Kunstnabelschau unterbrochen, weil Daniel Cohn-Bendit im Fernsehen ist. Wollte wissen, ob er wenigstens noch der alte ist. Ja ist er, sehr verlässlich, straight, to the Point und ohne Euphemismen.
Dann noch ein musikalisch-lyrischer Videocall, sehr mondig, mit diesmal echtem Raki.