Mädchen, Frauen oder gar – Damen?

Schluss mit Süss! heisst der Artikel im SZ-Magazin, der sich über den bis in die hohen 30er anhaltenden Kindlichkeitswahn von bestimmten Frauen beschäftigt. Sicher, auch ich schaue bei Teddybärchen am Rucksack oder bunten Glitzerarmbändern ab einem gewissen Alter des Gegenübers entnervt weg, und so wollte ich gleich in den Zustimmungschor (Kaltmamsell und Melody – mit sehr schöner Illustrationsgeschichte)  einfallen. Dummerweise habe ich dann den vorher nur überflogenen Artikel nochmal genau gelesen. Schon die Einleitung geht gut ab.

Liebe Frauen über 25: Wollt ihr sein wie Grace Kelly oder wie das ewige Girlie? Also zieht euch anständig an, verdreht nicht die Kulleraugen und werdet endlich erwachsen. Das Mädchengetue nervt.
von Fred Grimm, Illustrationen: Dirk Schmidt

Na gut, wir wissen alle, dass man mit dem ersten Satz die Aufmerksamkeit der LeserInnen fesseln muss, der darf nach den Regeln des Journalismus schon mal etwas plakativer sein, damit man am Rest überhaupt erst interessiert wird.

Trotzdem muss ich, als Vertreterin der angesprochenen Altersgruppe “zwischen 25 und 40” (danach fällt man offenbar übergangslos ins Koma) auf die erste Frage antworten: Lieber Fred Grimm, um ganz ehrlich zu sein: Weder Grace Kelly noch das ewige Girlie sind als Role-Model sonderlich attraktiv für mich. Und was bitteschön heißt “zieht euch ordentlich an”? “Ordentlich” angezogen ist man immer nur situationsadequat.  Oder darf ab 25 der Bauch nicht mehr rausschauen? Warum? (ob der Bauch überhaupt jemals rausschauen sollte, ist ein ganz anderes Thema.) Sollte die Farbwahl ab der genannten Altersgrenze ausschließlich in Pastell- und Beige-Tönen erfolgen? Steigt die angemessene Rock-Länge zentimeterweise mit den Jahren? Oder was?

“verdreht nicht die Kulleraugen” – sorry, je länger ich an diesem Artikel lese, desto mehr verdrehe ich meine (allerdings nicht Kuller-)Augen:

[in irgendwelchen alten Filmen] spielen Lauren Bacall, damals 22, oder Ava Gardner, 24, aufregende Fabelwesen, die es heute im Kino kaum noch gibt: geheimnisvolle, intelligente, gänzlich unhysterische junge Frauen, die niemand »Mädchen« nennen würde.
[…] Heute stapfen Moppeltrottel wie Bridget Jones auf der Jagd nach dem Mann fürs Leben über die Leinwand. Trotzblöde, in Frauenkörper katapultierte Kleinkinder, die andauernd stolpern und stottern und viel zu enge Pullover tragen.

Vielleicht liegt es ja an meinem desillusionierten Weltbild, vielleicht auch an der demaskierenden Verwendung des Wortes “Fabelwesen”, aber plötzlich sehe ich vor meinem inneren Auge einen Mann im kritischen Männeralter zwischen 35 und 45 (keine Ahnung, wie alt Herr Grimm tatsächlich ist), der weinerlich raunzt: “Ich hab genug von den ganzen Girlie-Moppeltrotteln auf meiner Bettkante – ich will jetzt endlich meine geheimnisvolle intelligente unhysterische Frau fürs Leben haben!”

“Das Mädchengetue nervt.” Ja, mich auch. Aber es ist, genau wie die “geheimisvolle”, dabei aber unbedingt “unhysterische” Frauengestalt, nichts als ein Versuch, männliche Projektionen zu erfüllen. Frauen, “echte Frauen”, sind weder rotzige Girlies noch elegante Fürstinnen. Die sind was sie sind. (Ähnliches gilt, natürlich, für den Unterschied zwischen Männer-Stereotypen und Männern.)

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