Mein Wohn-Jahr ist wieder bei Frühstück in der Sonne bei offenem Fenster angekommen, und das ist das einzige, was ich in dieser Wohnung vermissen werde, wenn ich einmal ausziehe: Das Sonnenbalkon-Sofa, das Sommergefühle erzeugt, während unten noch die Daunenjacken herumlaufen.
Wie der Posteingang und der Telefonhörer zeigt, verwirrt die Sache mit den Tarot-Karten einige alte Bekannte. Was aus mir geworden sei, dass ich auf so einen esoterischen Scheiß reinfalle, fragt gar eine entfernte Stimme. Aber ich sehe für mich da nichts Esoterisches drin. Der Grund, warum ich das Deck gekauft habe, waren die Bilder auf den Karten, die ich einfach schön finde und um mich haben wollte.
Ich glaube nicht, dass die Karten in irgendeiner Form die Zukunft vorhersagen können, aber sie können helfen, den Blick zu fokussieren. Etwa an freien Tagen, die mich manchmal überfordern: Ich könnte etwas Kreatives tun, schreiben, malen. Ich könnte hinausgehen und einen sportlichen Tag verbringen. Ich könnte mich um den immer hoffnungslos chaotischen Haushalt kümmern. Ich könnte… Das Resultat dieser Vielfalt an Möglichkeiten ist dann häufig, dass ich mit wanderndem Blick vor meinen Ideen sitze und gar nichts tue. An solchen Tagen eine Tageskarte zu ziehen, lenkt den Blick in eine Richtung und behebt meine Entscheidungsstarre.
Die heutige Tageskarte zeigt in Richtung Häuslichkeit und Aufräumen, aber dazu hätte ich auch keine Entscheidungshilfe gebraucht. Zwar lockt das Wetter schon sehr in die Weite, aber Sonntags ist mir da draußen deutlich zu viel los.
Dazu ein bisschen Musik und alte Filme, die mich innerlich gleichzeitig jünger und älter machen. Gleich drei Langtelefonate, das hatte ich an einem Sonntag auch schon lange nicht mehr. Corona ist kaum noch Thema, man weiß, wie man dazu steht, wie man mit der Situation umgeht, lästig, aber kein Kommunikationswert.
Das sonntagabendliche Spazierbier dank der Temperaturen viel gemütlicher als noch letzte Woche, aber irgendwann wird es dann doch kalt. Schade, der Gesprächsstoff hätte noch ein Weilchen gereicht.
Danach trotz bester Kochvorsätze Lasagne bestellt. Irgendwie habe ich auch wieder die Phase erreicht, in der ich an den Nachrichten mehr vorbei- als hineinhöre. Der Zür’cher Tatort gewollt surreal und im Ergebnis mehr skurril.
Auf Diskussionen im Fernsehen jetzt auch keine Lust mehr, stattdessen einen Hörbuchkrimi ausgegraben, der sich spannend anlässt. Ganz fertig wird der Gloomy Glamour Schal dabei nicht, aber fast.