Interspar

“Auf niemanden kann man sich verlassen, aber auf gar niemanden” murmelt die alte Frau mehrmals, während sie ihre Einkäufe in die Taschen packt. Genaugenommen murmelt sie es nicht, sondern sagt es laut genug, dass ich es noch an der Kassa hören kann. Nur die monotone Intonation des wiederkehrenden Satzes legt die Verwendung des Wortes “murmeln” nahe.

Die Intensität ihres Murmelns erreicht sogar den stillen Beobachter. So nenne ich den Mann im fleckigen weißen Overall, dürr ist er und ungepflegt langhaarig, und seit Wochen sitzt er immer, wenn ich Einkaufen gehe, am Einpackregal, vor sich einen Einkaufswagen mit etlichen Bierdosen drin, eine Bierdose offen in der Hand.

“Auf gar niemanden” bekräftigt er heute mit erstaunlich starker, dunkler Stimme den Singsang der alten Frau, es ist das erste Mal, dass ich ihn sprechen höre. Es ist offenbar auch das erste Mal, dass die Kassierin ihn sprechen hört, sie zuckt zusammen, wirft einen Blick über die Schulter, schüttelt den Kopf. “Angst könnte man kriegen” murmelt sie, und sie murmelt wirklich. Ich nicke.

Mir macht er auch Angst, der stille Beobachter; nicht weil er in irgendeiner Form bedrohlich wirken würde, sondern wegen seiner unerzählten Geschichte.

Da sitzt einer, offenbar täglich, offenbar stundenlang, im Kassenbereich des Supermarkts und trinkt ein Bier nach dem anderen.

Todtraurig, irgendwie.

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