In den Bergen

18. Januar 2004

Auf einer dieser altmodischen Bahnhofsbänke liege ich am Rücken, der Bahnhof ist im Wald, die Stämme der Nadelbäume wie Pfeile, die in den Himmel zeigen. Dazwischen eine Sonne, wunderschönes Bild: Ich rufe nach einer Kamera, und der Lehrer, den ich kaum kenne, holt eine aus seinem Eckhaus. Ich mache das Bild, gebe ihm die Kamera zurück. Hoffentlich schickt er mir das Bild dann auch, denke ich.

Der Zug müsste gleich kommen, aber ich habe eigentlich gar keine Lust, wegzufahren. Stattdessen sammle ich die bunten Schnipsel, aus denen ich Schriften gelegt habe, und drehe eine Runde durch den Ort. Unten am See steht das Flugzeug, niemand in der Nähe, ich lege die Teile des bestellten Schriftzugs hinein und gehe weiter.

Die Sonne scheint warm und schön, Bäume und Wiesen im Tal üppig grün, die Berge sonnebeschienen warmbraun. Ich glaube, ich bin glücklich.

Ob ich nicht mit ihr essen will, ruft mir die Zeitungsfrau zu. Ihr Stand ist kaum wiederzuerkennen, seit der Tourismusverein sie gebeten hat, auch Wanderkarten und Souvenirs zu verkaufen. Danke, aber ich gehe auf den Berg.

Zum zweiten Mal gehe ich heute schon da rauf, denke ich unterwegs, ich bin ja gar nicht so außer Form, wie ich dachte. Einen Schritt nach dem anderen, im Rhythmus bleiben, nicht ans Ziel denken. Dann ist der Aufstieg ganz leicht.

Irgendwo unterwegs hört langsam der Wald auf, die Wiesen werden spärlicher, die üppige Erde wird allmählich zu Fels und Sand.

Oben auf der Hochebene sind die Anderen. Ich erzähle, dass das Flugzeug ganz alleine am Seeufer gestanden ist, und finde es seltsam, dass ich während des ganzen Aufstiegs keinen einzigen Start gehört habe. Dabei sollte es doch längst wieder hier sein. Aber außer mir beunruhigt das keinen.

Ich setze mich an einen der Almtische und packe meine bunten Buchstaben wieder aus. Wo denn sein Schriftzug geblieben ist, will der Flugzeugbesitzer wissen. Unten, ich habe ihn ins Flugzeug gelegt. Dass das keine gute Idee war, fällt mir im gleichen Augenblick ein, in dem er es sagt. Der Start wird alles durcheinanderwirbeln, vielleicht sogar hinaus.

Ich sehe meinen bunten Schriftzug leuchtend im See versinken. Aber das lässt sich jetzt auch nicht mehr ändern. Jemand bringt Milch und Käse und Brot. Neben der Hütte spielen ein paar Jungs Fussball. Am Nebentisch repariert einer eine Gitarre.

Hier kann man bleiben. Vielleicht für immer. Es ist schön. Es ist egal. Die zärtliche Gleichgültigkeit der Welt.

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