17. August 2015

Hochsommer-Nachtrag

Der Wetterbericht wackelt. Am Samstag soll der Umschwung kommen, nein am Sonntag. Doch am Samstag. Nein, erst am Montag. Den Updates zuzusehen, ist wie ein Fussballspiel zu verfolgen. Ein Fussballspiel, das an der Kippe steht, und bei dem man beide Mannschaften irgendwie mag. Auf der einen Seite der Sommer. Der heiße, brütende, trockene Sommer, von dem die nackten Menschen in der Lobau sagen: Ich komme seit 30 Jahren hierher und hab das Gras im August noch nie so braun gesehen. Von Tag zu Tag wird mir die Hitze angenehmer, fast so wie in Griechenland in den 80ern, als ich bei 40 Grad (im Schatten) auf die Akropolis gewandert bin (in der Sonne). Fast so als hätte sich nichts verändert seither. Fast so als wäre ich noch… was? Jung? War ich jemals jung?

Auf der anderen Seite die Aussicht auf Regen, auf sanftes Sommerfrösteln, auf neugeboren grünes Gras. Ach, was wär das für ein Stress, wenn man sichs aussuchen müsste. Ein Glück, dass man das nicht kann.

Wie sehr ich diese Pause brauche, merk ich daran, wie zielsicher ich Tag für Tag meinen Stammbaum ansteuere. Dabei gäb’s doch so viel zu entdecken. Die Seestadt zum Beispiel, wo ich noch nie war. Feste, Open Airs, Fotowandern auf der Donauinsel. Doch nein, jeden Morgen, wenn ich meine Nase aus dem Fenster halte und mich frage, was ich machen möchte, gibt es nur eine Atwort: Baumschatten, Donauwasser, Buch. Das mir, die nie so richtig Strandurlauberin war. Aber – man muss das Leben genießen, so wie es sich gerade anfühlt. Vor allem im Urlaub.

Die Bücher

Suite française von Irène Némirovsky habe ich in Innsbruck gekauft, vielleicht mehr, weil mir die wertige Ausgabe gefiel und die Buchhandlung sympathisch war, als wegen echten Interesses. Es liest sich leicht und sommerlich, trotz schweren Inhalts. Richtig schmerzhaft wird die Sache, wenn man begreift, warum all diese Lebensgeschichten so unvermittelt im Nichts enden.

Nach so viel Krieg wollte ich eigentlich etwas  Leichtes lesen, aber dass mir die Zufallsfunktion meines Musikplayers meinen Lieblings-Theodorakis servierte, zehn Minuten bevor mir die Theodorakis-Autobiographie der frühen Jahre vom Stapel der ungelesenen Bücher buchstäblich in den Schoß fiel, konnte kein Zufall sein. Immens intensive Bilder. Dass Der Krieg in Griechenland noch ein bissl komplizierter war, als wir es kennen, weiß ich schon aus einer Seminararbeit, die ich geschrieben habe, als ich noch meinte, Geschichtsprofessorin werden zu wollen. Aber die alltägliche Realität der ständig wechselnden Fronten, die Grausamkeiten von allen Seiten, wiedergegeben in einer, wiesollmansagen, keineswegs kalten, aber sehr lapidaren Art, eingebunden in die ständige Suche nach dem künstlerischen Ausdruck. Das Eis unterm Stammbaum schmeckte mir trotzdem, vielleicht sogar besser, vor lauter Dankbarkeit, nicht in so eine Zeit geworfen worden zu sein. Und dafür, nach manchen Stellen das Buch einfach zuklappen zu können und eine halbe Stunde Licht und Strandleben zu atmen, jetzt und hier. Nach  Stellen wie diesen:

Danach wirklich Leichtes. 2 alte schwedische Krimis, einer als Hörbuch im Ohr, einer als Papierausgabe. Angenehm fiktiv und weitgehend happy-ended, außer für die storygebenden Leichen natürlich.

Die Livemusik

Zu einem richtigen Urlaub gehört natürlich richtige Livemusik, da bot sich das Alberner Hafenfestival an. Freier Eintritt, wenig wirkliche Highlights, also zumindest als nicht-unbedingt Austropop-Fan. Am ersten Tagwollte ich eigentlich Hary Wetterstein sehen, konnte mich aber nicht überwinden, nachmittags bei 36 Grad anderswohin als zum Wasser zu pilgern. Auf meinem Handtuch unterm Baum wuchs aber die Neugierde, ob man nicht aus der Lobau irgendwie über die Donau zu Fuss hinüberwandern könnte. So gegen sieben war ich bereit, es zu probieren.

Sechs Kilometer, meinte Mr. Google, und als es sieben Uhr wurde und die Hitze etwas nachließ, machte ich mich auf den Weg. Über den Waluliso-Steg und quer über die Donauinsel, die dort am unteren Ende etwas breiter ist, als ich sie kenne, und sogar ein Flüsschen mit Brücke darüber zu bieten hat. Erstaunlich! Dann am Kraftwerk Lobau vorbei, in eine Industriegegend mit Grünanklängen, die mir bislang völlig unbekannt war. Die letzten 2 Kilometer waren dann weniger lustig, die Straße ohne Gehsteig, Lastwägen zischten vorbei, aber auch das ging vorbei.

Schließlich den Alberner Hafen erreicht, der neben Schiffen, Hallen und in dem Fall Musik auch einen richtigen Leuchtturm zu bieten hat.  Die Veranstaltung selbst ist ursympathisch, nicht zu groß, viel Kulinarik, Securitys vom Motorradclub. Ich kam gerade recht zu Ulli Bäer, gönnte mir nach der langen Wanderung ein Bierchen, traf erstaunlich viele Bekannte und flüchtete dann gleich wieder, weil Stefanie Werger wollte ich mir doch nicht antun.

Am nächsten Tag spielte Erwin Bros, den wollt ich mir ansehen. Er ließ sich Zeit, was mir zu einer Ofenkartoffel und einem ausführlichen Rundgang reichte. Entspanntes Rumhängen prägte die Szene, ganz wie in alten Zeiten.

Der alte Rocker geigte erst gewöhnungsbedürftig, nach drei Songs aber in alter Frische, und ich freute mich.

Eigentlich wollte ich an dem Tag etwas länger bleiben, aber die Mainstreamklänge von Lichtwärts vertrieben mich dann auch bald wieder.

 

 

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