Eh klar: Wenn ich extra eine Menge Süßkram zu Hause habe, lassen sich die Schrumpfterroristen nicht blicken. Nachdem ich in den letzten Jahren völlig unvorbereitet meine erlesenen Super-Goodies an die johlende Jungmasse verteilen musste, die solche Exklusivität sichtlich nicht zu schätzen wusste. Na gut, ph. Ess ich meine M&Ms halt auch selber.
Stattdessen Vanilla Sky angeschaut, ein in seiner schwebenden Unsicherheit seltsam verstörender Film. Obwohl, vielleicht lag’s gar nicht an dem Film, sondern daran, dass ich mir nur selten Filme anschaue.
Horrorfilme brauche ich zur Zeit schon gar nicht, es genügt, in mich hineinzulauschen. Das hat damit zu tun, das ich heute schon zum vierten Mal eine spitze Nadel in meinen nicht mehr allzu jungen Körper gesteckt habe, um den Inhalt der dahinter befindlichen Spritze in mich zu entleeren.
Eines weiß ich jetzt genau: Als Junkie wäre ich völlig ungeeignet. Bei diversen Ärzten hatte ich zwar bislang wenig Probleme mit Nadeln, egal ob bei Spritzen oder zur Blutabnahme, aber da konnte ich ja problemlos wegschauen. Oder die Augen zumachen. Was man bei der Selbstapplikation ja eher nicht kann. Oder vielleicht könnte man, aber empfehlenswert ist es wohl nicht. Auch die Aussage des verschreibenden Arztes, beim dritten Mal ginge es schon wie von selber, kann ich nicht wirklich beipflichten. Im Gegenteil. Schließlich erinnert mich die wachsende Anzahl der blauen Flecke in den stechgeeigneten Zonen jedesmal mehr daran, dass das Verhalten, sich irgendetwas Spitzes irgendwo unter die Haut zu stecken um dort irgendeine Flüssigkeit hineinzupressen, keineswegs zu den normalen und gesunden menschlichen Verhaltensweisen zählt.
Also sitze ich dann jedesmal da, zähle die bisherigen Flecken, schaue von der desinfizierten Hautstelle auf die spitze Nadel und wieder zurück, denke darüber nach, warum im Beipackzettel ein 90°-Einstichwinkel empfohlen wird, in der Extra-Broschüre aber ein 45°-Winkel, drücke dann beide Augen zu, stelle fest, dass es so schon gar nicht geht, mache die Augen wieder auf, zähle nochmals die blauen Flecken… bis ich mich schließlich überwinde und tue, was mir aufgetragen.
Weh tut es ja eigentlich nicht. Nicht sehr. Außer am Bauch. Den habe ich nach dem ersten Versuch geistig aus den verfügbaren Zonen gestrichen. Aber woher weiß ich, dass die mit ihren schematisch grob aufgezeichneten Zonen auch wirklich richtig liegen? Auch wenn dort im allgemeinen weder Venen noch Arterien verlaufen, heißt das ja noch lange nicht, dass sich nicht vielleicht bei mir doch eine dorthin verirrt hat. Also sitze ich da, drücke das Zeugs in mich hinein, ziehe die Nadel dann wieder heraus, starre das Einstichloch an und warte, ob nicht irgendetwas Fürchterliches passiert. Ein Blutstrom. Ein riesiger Pickel. Ein Vulkan.
Bis jetzt ist noch nichts davon eingetroffen. Ich bin auch noch nicht tot oder ohnmächtig von der Couch gefallen. Aber die Vorstellung, dass ich auf diese Art mein Blut verdünne, ist auch so schon erschreckend genug. Ich meine, wenn Blut schon sprichwörtlich dicker ist als Wasser, dann wird das ja wohl auch seinen Sinn haben. Wenn ich die Augen schließe, höre ich mein dünnes Blut durch mich rauschen wie einen Wasserfall. Dünn ist einfach nicht gut. Dünnes Haar. Ein dünnes Stimmchen. Dünnes Blut. Ich putze mir sehr vorsichtig meine Zähne, wer weiß, ob Zahnfleischbluten nicht lebensgefährlich wird. Ich nehme nicht das scharfe Messer für das Brot. Wenn mich die Müdigkeit packt, frage ich mich, ob nicht vielleicht irgendwo in mir mein dünnes Blut ungehindert versickert.
Andererseits, was ist, wenn mein Blut nicht dünn genug ist? Wenn die Flüssigkeit, die ich so heldenhaft in mein Fettgewebe spritze, gar nichts bewirkt? Wenn sich irgendwo doch so ein hinterhältiges Klümpchen bildet und auf der Suche nach einem todsicheren Angriffsziel durch meine Adern schleicht? Was juckt mich da am Ohr? Ziept es da im Unterschenkel? Warum ist meine rechte Hand wärmer als meine linke?
Hoffentlich kann ich das Zeug bald absetzen. Sonst werde ich noch zum Vollzeit-Hypochonder.