„Nicht die Feuerwehr rufen, die werden erst bezahlt, wenn das Haus auch brennt“ sagt J. zu mir angesichts eines brennenden Autos auf der Straße. K. nickt. „Genau so ist es! Auf keinen Fall die Feuerwehr rufen!“ – Ich bin fassungslos ob so viel Verschwörungstheorie. Der Rauch breitet sich aus und füllt die ganze Straße, auf der eine Art Flohmarkt stattfindet. „Hast du das gehört?“ frage ich L. Er nickt nur, als hätte er nichts anderes erwartet. Dei Straße ist breit und sonnig und leer, kaum Menschen außer den Standbetreibern, eine breite Marmorstiege führt in einen älteren Teil der Stadt. Hier unten sind alte Fabriksgebäude, Leute wie wir haben sich dort eingerichtet, in Hallen und Gängen. Es ist eine Art Kollektiv entstanden, man kennt sich, man hilft einander. Drinnen ist es kühl trotz der Sommerhitze. „Mein“ Plätzchen ist ein erhöhter Teil der Halle, hier muss früher eine Art Steueranlage gewesen sein und der Platz, wo man die ganze Anlage beobachten konnte.
Unten haben ein paar von uns eine Grube mit Wasser gefüllt, unser eigener Swimmingpool. Es ist schwer, die Wasserqualität zu halten, Chemikalien dürfen wir nicht kaufen. Ein paar stehen mit Wasserproben am Rand und diskutieren über Alternativen zur Wasserreinigung. Oben hänge ich die Wäsche auf, die mir E gewaschen hat, sie wohnt bei den alten riesigen Industriewaschanlagen. Sie bekommt dafür Gemüse von mir, das ich an einem alten Anstreichergerüst angepflanzt habe, das vor meinem Fenster hängt. Von der Straße kann man es nicht erreichen, das ist wichtig, weil unten nachts die „Anderen“ herumstreichen und klauen, was immer sie in die Finger kriegen.
Der Wind streicht durchs Fenster, das kein Glas mehr hat. Ich klettere hinaus, sitze zwischen meinen Pflanzen und schaue hinunter. Die Flohmarktbetreiber haben sich um einen schwarzen Fleck gruppiert, es ist nichts übriggeblieben von diesem Auto, nur dieser schwarze Fleck auf der Straße. Dann gehe ich schwimmen mit E, nackt, das Wasser ist kühl und klar. „Nicht hineinpinkeln“, mahnt jemand am Rand. Der Pool wird größer, je weiter man schwimmt, und reicht in die nächste Halle, in der sich die Affenkinder eingerichtet haben. Sie sind weder Affen noch Kinder, sondern nennen sich so, weil sie sich mit Seilen und Holz Gerüste und Plateaus in die Halle gebaut haben, wie ein überdimensionales Katzenbaumparadies sieht es hier aus. J. fragt, ob er ein paar Dschungelpflanzen von mir bekommen kann. „Ich hab nur Gemüsepflanzen“, sage ich. Er schaut mich traurig an.
Von der Straße her kommt Musik, wir gehen hinaus und folgen den Klängen. Auf einer Gstättn zwischen den Häusern ist Party, jemand hat ein riesiges Barbecue gebaut, auf dem viele kleine Fleischteile braten. „Ratten“ flüstert mir J ins Ohr. Ob das auch eine Verschwörungstheorie ist? Ich nehme stattdessen ein Stück Brot, das frisch aus dem Hochofen kommt. Oben am Himmel ziehen Kampfjets vorbei, ein paar Besucher flüchten erschrocken ins nächste Haus, aber ich bin sicher, wenn es gegen uns ginge, dann würden sie Hubschrauber schicken. Der Wind fährt ins Feuer und schickt Aschenflocken wie Schnee in die Luft.
„Es gibt keinen Winter mehr“, sagt L. traurig. Ich verstehe nicht, was daran traurig sein soll, ich genieße diese warme, unbeschwerte Existenz. In der alten Stadt beginnen die Kirchenglocken zu läuten, lauter und lauter. Die kommen aus der Wirklichgwelt und wecken mich schließlich auf.