Gerade beim Spreeblick diesen Beitrag gelesen und mich an meine vorgestrige Verstümmelung erinnert. Dass man mich daran erinnern muss, bevor ich drüber blogge, liegt daran, dass ich zwischen dem Zähneputzen meistens nicht in den Spiegel schaue – und das Zähneputzen erfolgt morgens wie abends linsenlos und damit maulwurfsblind. Was mein Friseurbesuch mit dem von Malte Welding gemeinsam hat, ist sein Schlussatz: Als sie fertig ist, sehe ich grotesk aus und ich sage: “Vielen Dank.”.
Begonnen hat die Katastrophe damit, dass ich tagsüber so im Vorbeigehen zufällig doch einmal in einen Spiegel geschaut habe. Dieses Schauen führte zu der Erkenntnis: “Die Frontpartie könnte etwas gekürzt werden.” Da Zeit knapp ist und die Friseure sowieso am wenigsten davon haben, beschloss ich, die Sache (wieder einmal) in die eigenen Hände zu nehmen. Eine Schere war schnell gefunden, und viel wollte ich ja nicht wegschneiden. Über die folgenden 5 Minuten sei nur gesagt, dass es keine gute Idee ist, mit der linken Hand weiterzuschnipseln, während man versucht, mit der rechten das unerwartet klingelnde Telefon zu besänftigen.
Ich konferierte mit meinem Spiegelbild und beschloss: Diesen Defekt kann nur ein Fachmann beheben. Oder eine Fachfrau. Jedenfalls jemand vom Fach.
In der ganzen Umgegend gibt es allerdings nur einen Friseurladen, der ohne Wochen vorher vereinbarten Termin schnipselt. Ich setzte zwecks Tarnung mein Kommunistenkapperl auf und eilte hin.
Der Zufall wollte es, dass die diensthabende Haarkünstlerin meinen Kopf schon einmal in den Fingern hatte, mit einem recht brauchbaren Ergebnis. Sie erinnerte sich sogar daran. Behauptete sie jedenfalls. Ich erklärte trotzdem meinen Wunschschnitt, der – glaube ich – gar nicht so schwer zu verstehen ist: Es gibt einen Punkt auf meiner Stirn, der dank eines ererbten Haarwirbels jeglicher Friseurkunst widersteht. Dieser Wirbel wird auf einen Zentimeter gekürzt, sodass die Haare dort senkrecht in die Luft stehen (keck!). Von dort ausgehend wird die Frisur in alle Richtungen länger, aber halt so schön stufig geschnitten, dass ich mich weder mit Scheitel noch mit komplizierten Zuordnungen aufhalten muss, wenn ich morgens aus der Dusche komme. Die schnittfreudige Dame stimmte mir bei jedem Satz zu. Ich ließ also meine Haare schneidegerecht befeuchten, lauschte ihrer Wiederholung – in jedem Punkt korrekt – und schloss die Augen. Einerseits weil frischgeschnittene Haarspitzen sich nicht gut mit meinen Kontaktlinsen vertragen, andererseits weil es ohnehin schon ein langer Tag gewesen war.
Der erste Schnitt klang etwas beherzt für die geplante Marginalkorrektur, richtig hochfahren ließ mich allerdings ein paar Sekunden später ein eiskalter Hauch auf meiner Kopfhaut. Alles, was ich angesichts des werdenden Irokesen auf meinem Kopf hervorbrachte, war ein schwaches “Äh…” – der Scherenteufel fragte freundlich: “Stimmt was nicht?”
Nichts stimmte. Dort, wo sich eben noch 9-10cm Haar befunden hatte, das nach der Prozedur immer noch eine Länge von 6-7cm hätte aufweisen sollen, war jetzt eine Schneise mit bestenfalls zwei Zentimetern Bewuchs geschlagen. Eine Reihe von möglichen Alternativen zog an meinem inneren Auge vorbei, beginnend bei “schreiend hinauslaufen”. Das letzte Bild war eher blutig und sah die Schere tief in der nicht einmal blonden Frisöse stecken.
Dummerweise brachte mich keines der Bilder näher an meine Wunschfrisur. Der weibliche Terminator der Kopfhaut fragte betont freundlich: “Haben sie sich’s anders vorgestellt?” – Ich hatte, aber dorthin führte kein Weg zurück. Halb lang und halb geschoren herumzulaufen ist in meinem Alter keine Alternative. Ich ließ ihr nach einer kurzen Erläuterung freie Hand bei der Schadensbegrenzung.
Was soll ich sagen? Das einzige Haarbüschel, das etwas länger blieb, war das, das ich gerne kurz gehabt hätte.
Ich verlangte eine Preisreduktion, der herbeigerufene Chef meinte, ich hätte meine Wünsche halt vorher bekanntgeben müssen, ich erklärte, dass ich das getan hatte, die haarmörderische Furie war längst nach hinten verschwunden, wir diskutierten noch eine Runde, dann zahlte ich die Hälfte und schlich mit fröstelndem Kopfe von dannen, um mir zu Hause in aller Stille das eigentlich störende Büschel auch noch abzuschneiden.
Könnte das alles mit meinem Standard-Spruch zu Beginn eines Fremdfriseur-Besuchs zu tun haben, der da lautet: “Kein Balsam, keine Kurpackung, kein Fönschaum, kein Gel und kein Wachs.”? – Ich fürchte, es könnte.