Ich trete aus dem Haus, und der Himmel ist ein Gedicht in flammendem Orange. Ein Versprechen wie eine Erinnerung. Kalt, aber versöhnlich.
Spazieren, einfach so. In verschiedenen Ecken und Enden der Stadt.
Überall herrscht ganz klar Weihnachtsalarm. Bunte und goldene Lichter scheinen und blinken, ich bin fast versucht, die Sonnenbrille aufzusetzen. Ich lass es. Zu auffällig. Pärchen und Väter mit Söhnen und Omas mit Enkerln, dazwischen einzelne, mehr oder weniger tief den Kopf in den Jackenkragen zurückgezogen. Ein Stückchen weiter. Ganz woanders. Ein paar Stationen mit der U-Bahn, die oben fährt, und alles was gleich bleibt, sind die Lichter.
Hier viele Touristen, zwischen den Punschständen, und etwas neues: Ein Weihnachtsbauernmarkt. Endlich eine Möglichkeit, am Sonntagabend Brot zu kaufen. Und Käse. Und Saft. Das könnte es das ganze Jahr über geben, denke ich.
Zurück in der großen Straße, die sich langsam belebt. Touristen, ja, auch hier Spaziergänger, eine Menschentraube vor dem Kinoeingang. Dass es das noch gibt? Zwischen denen, die irgendwohinwollen, die, die nirgends mehr hinwollen: Bettelnd um ein paar Schillinge, eine Zigarette. Und die, die nicht einmal mehr betteln, mit leeren Augen in einem Hauseingang stehen in dünnen Jacken, als hätte die Kälte keine Bedeutung mehr.
Noch viele Schritte und die Schuhe sind schwer, aber sie halten die Füße warm, das ist wichtig, kalte Füße machen mich unglücklich, was für ein Luxus, so zu denken. Ein paar Schritte weiter und ein paar Stationen mit dem Bus, dann nähere ich mich heimischen Gefilden, jetzt ist es fast ganz dunkel, ein sandfarbener Streifen am Horizont, der unendlich langsam in ein dunkles Türkis verschwimmt, dann eine Wolke, und nach der Wolke Dunkelheit: ein bisschen enttäuscht, nur Kulisse für das Lichtermeer zu sein.
Ein paar türkische Kids am Spielplatz, die dreschen einen Ball gegen den Maschendrahtzaun, und ein paar andere sitzen auf den Bänken und tratschen, als hätten sie nicht gemerkt, dass es schliesslich doch kalt geworden ist, auch heuer. Als hätten sie kein Zuhause. Haben sie ein Zuhause?
Vor dem Jugendgefängnis zwei Familien, die sich verabschieden, fröhliche Normalität: Kichernde Kinder, Verabredungen: Kommt ihr am Donnerstag zum Punsch? Eine Familie geht hinein, in den Knast, die andere kommt heraus. Besuchstag?
Die Tür des Beisls am Eck öffnet sich, einer kommt heraus. Er hält sich mühsam aufrecht und spricht zu seinem widerstrebenden Dackel: Komm, Hasso, mir gehn ham. Es ist 5 Uhr. Der Dackel bleibt stehen und starrt den Schäferhund an, der vor der Theke liegt. Sommers liegt der immer draußen, auf dem Gehsteig, und versucht manchmal, in den Bus einzusteigen. Heute liegt er friedlich vor der Theke, und die Annäherungsversuche des Dackels interessieren ihn nicht. Ich frage mich, was man für ein Leben führt, wenn man um 5 Uhr besoffen aus einem Lokal, nein: das ist kein Lokal, auch kein Beisl, das ist ganz eindeutig eine Windn – kommt und einen Dackel hat, der Hasso heisst. Ich schaff es nicht, ein Leben drumherum zu bildern.
Ist vielleicht auch besser so.