7. März 2007

Den Wind zausen

Wo führt sie denn nun hin, die neue U-Bahn, und was oder wo und was ist das: Leopoldau?

18 Grad warm, und etwas will hinaus, will fliehen, den Föhn und den Mond, egal, hinaus, dorthin, wo es nur flach ist und der Blick frei nach oben kann zu den Fluffwolken und dem großen Blau, wo sonst nichts ist, außer seltsamen Dingen, die den Augen nicht bekannt vorkommen.

Die Leopoldau ist, zumindest dort, wo die U-Bahn endet, ein Gewirr von Stadtbahn- und U-Bahn-Geleisen und -Bauten, sie ist flach, und das ist immerhin gut. Links laufen die Geleise, rechts schrebergartlt es im frühen Frühling, dazwischen Bäume, Felder, Gstätten.

Anstatt der Völkerwanderung aus der U-Bahn in vermutlich zivilisiertere Gegenden zu folgen, folge ich den Wolken, der Sonne: Hah! Und der Wind findet mich, stellt sich mir entgegen dass die Augen tränen wollen – ist doch ein vertrauter, warmer, und auch das ist gut. Paar Meter weiter im Feld schnüffelt ein freundlicher Rottweiler an meiner Hose, will aber nichtmal spielen. Die Bäume noch leer.

Überhaupt ist es leer hier, menschenleer, – häuserleer. Ich atme tief, und der Jumbo mit Schwanz zwischen den Wolken ist nicht mehr traurig. Nur noch
da.

Leicht rechts vor mir der Kahlenberg, weit links der Donauturm. Navigation nach Sichtmarken: Irgendwo da vorne muss also die Donau sein, nicht nur das Nirgendwo, obwohl es immer leerer wird: Nichtmal Hunde mehr hier, nur noch der eine oder andere Golf wummert technobassig vorbei, tiefergelegt ohne Zweifel, und schwarz. Natürlich schwarz.

Da rechts ein kerzengerader Weg, Kies, durchs Buschwerk ins Werweißwohin, wie kann man daran vorbeigehen? Nur so, wie die Sonne warmfarbiger wird, vor mir, jetzt abzubiegen wäre ein optisches Desaster, ein andermal vielleicht. Jetzt weiter in eine stachelige Welt.

Die immer wieder unendlich beruhigende Verlassenheit.

Der Himmel darüber errötet, vielleicht weil ich das flirten nicht lasse. Mein Himmel, will spielen!

Dann Ende der Straße. Links oder rechts, aber nicht weiter donauwärts. Ich nehme die Schnellbahn, zwei Stationen, dann wieder die Stadt. Wie ein lebendes Wesen mit Augen und Mündern. Und laut. Viel zu menschenlaut.

Daher noch donauseitig flussabwärts, den Wind wieder im Gesicht. Der Fluss schlägt Wellen, dass die Enten staunen. Die Schwäne wohl auch, aber die lassen sich nichts anmerken; schwappen wohlvertraut anmutig von Wellenkamm nach Wellental. Drüben die Lichter sind weitweg genug um schön zu sein, denn sie sind still.

Jogger und Joggerinnen, zwei ältliche Walkerinnen mit Stöcken. Es ist Hunde-Ausführzeit, und das Second-Generation-Jungs-Rudel lacht den hässlichen Paris-Hilton-Hund mit Bodybuilder am Leinenende ungestraft aus, schweigt aber freundlich zum noch viel hässlicheren Mops der alten Frau. Der rostige Kahn unter rumänischer Flagge wirkt verlassen, erst auf den zweiten Blick sieht man den Langhaarigen im Windschatten des Aufbaus kauern. Er feilt an einem länglichen Metallstück, versonnen, mit langen Pausen, nimmt einen Schluck aus seiner Bierdose zwischen zwei Feilbewegungen, schaut zwei Mädels zu, die sich am Ufer mit groß gedachten Gesten gegenseitig fotografieren, lächelt dabei. Ich hebe die Hand zum Gruss, er winkt zurück.

Ein paar Meter weiter ein Luxuskahn, die Gäste oben verteilt in Speisesaal und Bar, unten in den Kabinen ein weißbeschürzter Schatten beim Staubwischen. Die Gangway völlig frei, man könnte hochgehen, sich irgendwo dazusetzen, das Menü verkosten: Vermutlich ungestraft. Sich in der Bar einen Whisky auf der Zunge zergehen lassen, dann; eine leere Kabine finden, in Bratislava einschlafen, in Ungarn aufwachen. Oder wird der Kahn flussaufwärts fahren, wenn er ablegt?

Stattdessen das Leuchten des Flusses hinter mir gelassen und mit einem leisen Seufzer wieder eingetreten, aus dem nächtlichen Erzählen von Wind und Wasser in Verkehrslärm und Leutegewirr, aus der freien Bewegung in die Choreographie der Stadt; – aus dem 2-Stunden-Urlaub in den Alltag. Auf bald.

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