Ich gebe ja die Hoffnung in die Technik nicht auf, und so diktiere ich in mein Fon:
„Die Arbeiter in ihren Leuchtwesten wirken deplaziert zwischen…“ – und sehe am Bildschirm die Worte erscheinen: „Sie arbeitet in Neustadt spaziert Fischen„
So dann doch nicht. „…zwischen den blühenden Bäumen und den verzauberten Touristen„, wollte ich eigentlich notieren. Aber das nur am Rande.
Die Wachau präsentiert sich frühlingshaft winterlich. In der Sonne ist es warm, im Wind frostig, und wenn die Wolken kommen, wünscht man sich die Daunenjacke zurück. Vorher schon bin ich ungewöhnlich früh über Land gefahren, die Gegend am Wagram wirkt wie eine fremde Welt.

Der Bus ab Krems ist gratis, weil die Kassa defekt ist. „Happy Hour“, scherzen die Pensionistinnen hinter mir. Der Busfahrer seufzt lächelnd. Unterwegs winkt schon die versprochene Marillenblüte. In Dürnstein wird gebaut, und der Bus bleibt an der Schiffstation stehen, wo gerade die Fidelio anlegt. Ich fahre noch eine Station weiter und finde mich in leeren Gassen wieder, mein GPS zickt, und ich bin froh, einen einheimisch wirkenden älteren Mann mit Trachtenanzug und Gehstock zu entdecken. „Können Sie mir sagen, wie ich zur Bäckerei Schmidl komme?“ – „Sie, det weeß ick ooch nicht, ick jeh hier nur spaziern.“
Dass die beiden mittelalten Damen ein Stück weiter mir auch nicht weiterhelfen können, höre ich aus der Ferne. „What an amaaazing place!“. Ich gehe weiter in die Richtung, in der ich das Ziel vermute, und bewundere innerlich die Gleichmut der Anrainer. Wobei natürlich nicht ganz klar ist, ob es eine solche tatsächlich gibt, aber Souvenirgeschäfte und mehrsprachige Wegweiser lassen es vermuten. Und die Damen haben natürlich recht: Es ist ausgesprochen „amaaazing“ hier, die Häuser, die Burgruine, der Blick über den Fluss. „Entzückend“, würde ich es nennen, aber „amaaazing“ trifft’s tatsächlich noch ein Haucherl besser.



Als ich das letzte Mal hier war, dachte ich, nichts könnte diesem Städtchen so gut stehen wie Nebel und Halloween, doch auch in die Frühlingssonne passt es perfekt.
Nach einem angenehmen Plauder- und Fototermin, von dem anderswo noch ausführlich die Rede sein wird, habe ich ein bisschen Zeit bis zum Bus zurück. Eigentlich auf dem Weg zur empfohlenen Burgruine, locken mich An- und Ausblicke dann doch in Richtung Donau.




Da ist sie dann in voller Pracht – und ziemlich windzerzaust, die versprochene Marillenblüte.
Aber scharf geht’s natürlich auch.

Vor und hinter mir die amerikanische Reisegruppe, die offenbar mit der „Fidelio“ eingeschifft wurde. „Miese Amis“ wären das, hörte ich einen Mann aus dem Souvenirgeschäft seufzen, und verstand erst ein paar Schritte später, dass sich das nicht auf den Charakter, sondern auf die Souvenir-Kaufbereitschaft bezog.
Zwei Damen, die sich besonders verrenkten, um sich selbst und die Marillenblüte auf ein und dasselbe Foto zu bekommen, biete ich an, ein Foto zu machen. „Nooo… I like to make Selfies!“. Die Schnelligkeit, mit der das Fon in der Tasche verschwindet, lässt vermuten, dass das nicht der eigentliche Grund für die Ablehnung ist. Ich zucke die Schultern und fotografiere anderes. Zum Beispiel Dürnstein, durch die Marillenblüte betrachtet – und Dürnstein ohne Marillen.


Oh! Und die Marillen blühen. Hatte ich das schon erwähnt? 🙂

Unten am Fluss fühle ich mich sofort zu Hause. Viel zu lange kein größeres Wasser gesehen, weiß ich gleich. Wenn jetzt der Bus in einer halben Stunde… und ich den Fluss entlang… und der Bus eine Viertelstunde lang fährt…
Eine Stunde und 25 Minuten zu Fuss bis nach Krems, meint Google Maps, und das scheint mir perfekt in den Tag zu passen. Die halbe Stunde, die ich dadurch „verlieren“ würde, könnte ich verschmerzen. Dummerweise, erfahre ich von Scotty, würde ich dadurch genau in die zweieinhalb Stunden fallen, in denen von Krems kein Zug nach Wien fährt (die sonst stündlich fahren). Verdammt.
Also halt doch nur ein Stückchen am Fluss entlang spazieren. Ein russischer Frachter kämpft sich brummelnd flussaufwärts, und das Geräusch fügt sich verblüffend harmonisch in Vogelgezwitscher und Windrauschen.

Im nächsten Leben werde ich Frachterkapitänin, beschließe ich. Oder vielleicht doch erst im übernächsten, fürs nächste sind schließlich schon Kulturcafewirtin, Buschpilotin und Reisebloggerin geplant.
Den Fluss entlang blühen rings um mich Gänseblümchen, Kirschbäume, (natürlich) Marillen und anderes in Lila, Weiß und Rosa bis Rot. Auch die Weiden am Fluss legen erstes Grün an. Schon ist es Zeit, wieder umzudrehen. Die Fidelio hat alle amerikanischen Touristen eingesammelt und legt wieder ab.

Die Bäume sind viel malerischer windzerzaust als ich.


Der gleiche Bus, der gleiche Fahrer. Nein, die Kassa funktioniert noch immer nicht. Und so schaukelt es sich gratis zurück nach Krems, wo der Zug zurück in den Alltag schon wartet.
Schade eigentlich.