Diesmal nähern wir uns Berlin aus der Luft. Das sorgt für Irritation beim Sufi, der es gewohnt ist, im Auto einen ganzen Haushalt mitzuführen, was ja im Flieger und zu Fuß nicht so leicht machbar ist, aber wenn es so ist, dann ist es eben so.
Das mit dem Flug und den dazugehörigen -zeugen ist so eine Sache. Zwar bin ich ein großer Fan derselbigen, aber Airliner fallen da nicht so recht in meine Wunschkiste. Man steigt ein, sitzt unbequem, sieht weder raus noch ins Cockpit, dann brummt und rauscht es ein bisschen und manchmal schüttelt es, und schon ist man woanders. “Fliegen” ist das nicht, “Reisen” schon gar nicht; es ist “mal schnell wohin”. Leider muss man halt ab und an “mal schnell wohin”, was übrigens im Flieger auch jedesmal ein Problem ist. Der Mensch am Gang neben mir ist immer entweder 3 Zentner schwer, oder versinkt sofort nach dem Start in unerweckbaren Tiefschlaf, oder ist eine Mutter mit Baby, das nach einer Stunde Gebrüll endlich eingeschlafen ist, und da will man ja auch keine Audio-Verlängerung riskieren. Wenn ich aus so einer Blechröhre komme, eile ich also meist im Laufschritt “wohin”. Aber ich schweife ab, vor allem, weil es diesmal gar nicht so war, sondern viel besser.
Unsere Gang-Sitz-Ankunft in TXL wurde nicht nur von wunderbar dramatischem Licht begleitet, sondern auch von 11 Hubschraubern. Toller Anblick im Abendlicht, aber natürlich kann man im Landeanflug nicht mal einfach so die Kamera rausholen, wenn sie denn dummerweise im Überkopf-Fach steckt. Air Berlin übrigens serviert “Sandwiches”, die bagelförmig und staubtrocken sind. Da nützt das ganze freundliche Lächeln der Flugbegleiterinnen nichts, nächstes Mal wieder Flyniki, bitte.
Berlin begrüßt uns unerwartet mit einer auf Fragen grantelnd schweigenden Busfahrerin. Da fühlt sich der Wiener doch gleich so richtig zu Hause. Wir finden trotzdem die richtige U-Bahn-Station. Jetzt nur noch die gefühlten 117 Stationen der U7 bis zum Hotel. Der Tag war lang.
Die U-Bahn gleich wieder berlinerisch gesprächiger bis freundlich. Am Ende derselben schlagen wir wortlos und unabhängig voneinander die richtige Richtung ein. Das Orientieren am Plan entfällt, man hat’s ja schon auf Google Earth gesehen. Praktisch und doch ein bisschen wehmütig für Kartennavigationsbegeisterte wie mich.
Das Hotel wirkt recht neu und doch ein bisschen abgebröckelt, der Mops der redefreudigen Hausherrin heißt Coco. Coco Chanel. Sie sagt das ein bisschen so wie in “Bond. James Bond”. Während der Sufi gleich in eine Konversation über Wien, Berlin und die slawische Seele versinkt, findet Coco Chanel gefallen an meinem Hosenbein, kaut darauf herum und schüttelt es. Es kostet etwas Selbstbeherrschung, im Gegenzug nicht das Bein mit dem Hund zu schütteln, aber man will ja nicht schon am ersten Tag die Hotelchefin verätzen. Der Sufi, dem der kreative Mopsname vorerst entgangen ist, wird den knurrenden Fellknäuel erst am nächsten Tag umtaufen: Bei uns heißt er jetzt “Coq au Vin”.
Das Zimmer ist erobert, jetzt Hunger: Der moderne Mensch findet auch in der südberliner Pampa sofort ein brauchbares Restaurant – wozu gibts Qype… Die Casa Montella hat gutes Essen, guten Rotwein, und warm genug zum draußen sitzen ist es auch.
Und was uns bleibt am Ende eines langen Tages … es bleibt es bleibt es bleibt – uns der Wind
Der Wind nämlich, der am Zwickauer Damm den Ankommenden immer kalt und unfreundlich ins Gesicht bläst, die ganze schmale Rolltreppe entlang, egal wie warm und angenehm der Tag war. Rudow ist ja ein bisschen am Ende der Welt, sowohl vom Zentrum als auch von anderswo betrachtet. Wo immer man sich rumtreibt, es endet mit einer langen Fahrt mit der U7. Und die U7 ist verdammt lang, sogar, wenn man nur die paar letzten Stationen mitfährt. Und im U-Bahn-Fernsehen wiederholt sich viel.
Andererseits ist die Stadt hier draußen angenehm anonym, eine U-Bahn-Station, eine Busstation, ein Hotel, eine Tankstelle, ein Zoogeschäft. Der Würstelstand am Eck heißt “Sattmacher”, was der Sufi zum weinen findet. “Immerhin ehrlich” beeindruckt ihn nicht. Häuser gibt es natürlich auch noch. Ein besonders hohes steht gegenüber von unserem Hotelbalkon. Schon am ersten Abend möchte ich Kurzgeschichten schreiben über die Lichter, die drüben an und aus gehen und wo und wann und warum. Mach ich aber wohl nicht mehr, sowas mach ich ja doch nie.
Der nächste Tag ein Einkaufstag, Hosen müssen her (für den Sufi) – ich schau mehr so rum. Wobei mir, nach einem halben Tag so rumschauen, schmerzhaft klar wird, dass auch Schuhe her müssen – mit den vorhandenen steh ich die Messe niemals durch. Leidend folge ich dem entschlossenen Sufi. Sandalen wären immerhin gefunden. Die halbeleganten anthrazifarbenen, die es auch in rostrot gäbe, lasse ich dagegen liegen. Ich lasse sie liegen, weil es die ersten Schuhe überhaupt (also: jemals) sind, die ich wirklich, wirklich haben will. Ja, ich bin komisch. Und kann zum Glück jetzt wieder schmerzfrei laufen, von der S-Bahn am Tempodrom vorbei lange durchs Grün den Landwehrkanal entlang, bis nach Kreuzberg.
Berlin ist mir so die ideale Mischung aus fremd und vertraut, der Ort, an dem ich immer schon leben wollte, der Ort, von dem ich immer schon weg wollte – gleichzeitig. Vertraut genug, um entspannt zu bleiben, fremd genug, um nicht abgestumpft herumzulaufen. Perfekt. Die Tage, aber, die verschwimmen ein bisschen, wenn außer rumlaufen, fotografieren und essen nur schlafen darin vorkommt. Das ist jetzt keine Beschwerde, im Gegenteil, solche Tage sind die besten. Und es gibt sie nicht überall.
Kreuzberg ist des Sufis Lieblingsecke, ich mag es auch, aber anders. Das kleine Lokal am Kanal, mit dem Sofa unter den Bäumen, wunderbar. Die Graffitikünste, Sprüche, an jeder Ecke was zu schauen, und nur ganz selten ist es ein rechtschreibschwach hingeschmiertes F-Word. Die hervorragenden Siskebabs und die netten Shop-Namen. Noch wohler aber fühle ich mich am Prenzlauer Berg, hier erscheint alles ein bisschen mehr casual, weniger “in your face”, das finde ich zumindest. Ich mag aber voreingenommen sein, denn das erste, was uns am Prenzlauer Berg begegnet, ist ein Literaturfest im Park mit Lesungen und mindestens 30 Bücher-Ständen. Mit nichts könnte man mich schneller kriegen. Die ergatterte Lesebeute dann im “Frida Kahlo” zu überfliegen mag schon wieder ein bisschen nach Attitüde klingen, aber wenn es so ist, dann mag ich Attitüde.
“Die Städte und du, ihr seid eins” heißt die Plumbum-Ausgabe, die unter anderem den Weg in meinen Rucksack gefunden hat, und es erfreut mich, dass es sowas nochwieder gibt. Ich hätt’ sie gern alle, und wenn ich alle, habe, möchte ich mitspielen. Oder sowas. Im Gegensatz zu Schuhen hält mich Liebe auf den ersten Blick bei Worten am Papier nicht vom Kauf ab, im Gegenteil. Man sollte ohnehin viel mehr barfuss gehen.
Ein paar Schritte weiter kubanische Klänge in einer alten Brauerei, der Kulturbrauerei. “Faßbierabfüllanlage” steht über der hölzernern Tanzfläche im kopfsteingepflasterten Hof, wir schauen ein bisschen zu, dann essen, hier ein Inder, dort ein Spanier, oder doch afrikanisch? Ein bisschen von allem. Davor, in der einbrechenden Dämmerung, ein Edelpunk, den wir nach dem Weg fragen – er bleibt hartnäckig dabei, den Sufi zu siezen. Der Sufi ist entsetzt, so entsetzt, dass er vergisst, sich darüber zu beschweren, dass man uns erst einmal für Bayern hält. Bayern haben hier keinen guten Ruf (wenngleich noch etwas besser als die Schwaben), stellt man sich aber als Wiener vor, wird gleich freundlich verbrüdert. Soziologie der Städte-Sympathien, wär das nicht auch Mal ein Thema?
Dann das zumiroderzudir. Psychedelisches Abhängen vom Feinsten, in edelvergilbten Sofas, modernes 70er Jahre Ambiente, Nouvelle Vague in Angenehmlautstärke. Ach müsste man doch niemals von hier weg… Im Klo außer der Schüssel selbst noch zwei Ledersofas und rubinrote Blütenblätter über Boden und Sitzflächen verstreut. Bin hingerissen und möchte am liebsten einziehen.
Stattdessen, in der schwarzen Pumpe, trifft der Sufi auf eine Berliner Schnauze, die ihm nicht so gefällt; schade eigentlich, ich hätt noch gern mehr von der toughen Tante gehört. Dann noch ein Hendl am Eck, für den Sufi also, mich zieht es die Straße längs, hier irgendwo müssen die Höfe hinter den Hackeschen Höfen sein, die mit den metallenen Skulptur-Automaten, die uns damals viel besser gefallen haben als die berühmten, aber ich finde sie nicht. Stattdessen unvermutet ein angestrahlter Funkturm gerade vor mir, da verschwindet jeder Grant, so bin ich eben, deshalb ist mein Leben wohl auch so seltsam, weil ein einziger gut gestalteter Ausblick alles Vorherige vergessen lässt. Und Anblicke, davon gibt es hier reichlich, zu Fuß, im Doppeldeckerbus, sogar in der U-Bahn Kachel- und Plakatkunst.
Und die vielen freien Räume, das sagte ich ja schon, die dem Gesamtbild viel mehr Bedeutung geben, als es hätte, stünden die Gebäude näher beisammen. Den Kurfürstendamm mit dem Bus entlang – alles, was man sieht, sind Bäume. Ein Japaner könnte sich leicht verarscht vorkommen.
Anblicke. Der Japaner in der U-Bahn hat eine Flasche Jever in der Hand und liest in einem japanischen Reiseführer. Vielleicht steht da drin: “Wenn Sie in Berlin unterwegs sind, laufen Sie am besten immer mit einer Flasche Bier herum – dann halten sie alle für einen Berliner.” Tatsächlich wirkt es etwas komisch, wie viele hier mit einer Flasche Bier in der Hand herumlaufen, nicht nur zweifelhafte Gestalten wie bei uns, sondern völlig normale, oder alternative, oder bisweilen auch beanzugte Menschen. So gern ich Bier mag, diese Sitte werde ich nicht importieren. Ich trinke es wirklich lieber gemütlich im Sitzen.
Anblicke. Der Wannsee ist natürlich auch ein Anblick, und der muss sein. Findet zumindest der Sufi. Mit Fährfahrt und Essen im Camper-Casino und spazierenden Pensionistinnen und verloren wirkenden Touristen. Touristen sind wir ja nun auch, aber irgendwie anders. Finden wir zumindest. Immer wieder die Rundflugs-DC-3 über uns, immer wieder grinse ich ihr zu. Der Sufi findet das ein bisschen seltsam, so wie ich seine Jagd nach der perfekten Hose seltsam finde. Wenn wir noch ein paar Mal nach Berlin fahren, kann ich bei Wetten dass auftreten: “Wetten, dass ich jeden Berliner Peek & Cloppenburg und C&A an der Herrenhosen-Abteilung erkenne?”
Hose oder nicht Hose, diesmal stellt sich die Frage auch mir – ich löse sie auf meine Art, durch nachhaltiges Nichthandeln. Sowieso ist die weiße, tief angeschnittene Jean aus dem leicht angerauten Baumwollstoff in meinen Träumen besser aufgehoben als auf meinem zurzeit etwas zu breiten Hintern. A propos Hintern. Am Anfang unserer Woche, als die Zeit noch endlos und unbegrenzt vor uns lag, kaufte ich anstatt der angepeilten Kleidung am Ku’damm einen Stapel Bücher ein, in der wie üblich unbegründeten Hoffnung, Zeit zum Lesen zu haben.
Ein Buch, das ich schnell lese, verbindet sich in meinem Kopf untrennbar mit dem Ort, an dem ich es gelesen habe, und so wird mir in Zukunft bei der Erwähnung der “Feuchtgebiete” immer dieser Wohnsilo jenseits unseres Balkons einfallen, spätabends, wenn Fenster nach Fenster dunkel wird und nur das allerletzte Lämpchen auf einem Balkon ab und zu für 5 Minuten angeht, wahrscheinlich ein hartnäckiger Raucher, wie ich, der zwischendurch aus seinem rauchfreien Bett in die 5m2-Freiheit flüchtet. Warum ich mir dagegen die “Feuchtgebiete” überhaupt merken sollte, bleibt unklar. Die Sprache durchschnittlich, die Geschichte selbst völlig uninteressant, kann man 2008 wirklich noch durch bloßes Tabubrechen reüssieren? In meiner Lese jedenfalls ist das das einzige, was das Buch von hundert anderen unterscheidet. Muss aber gestehen, dass mir die letzten 20 Seiten fehlen. Um es am nächsten Tag noch einmal aufzuschlagen, war’s einfach nicht interessant genug.
Montags dann endlich ILA. Naja, nicht richtig, aber das Pressezentrum hat schon auf. Und die Abnahmeflüge, manchmal besser als das wirkliche Programm. Organisationschaos, hin kommt man nur mit dem Taxi, eine lange Schlange macht das, der Shuttlebus fährt erst ab morgen. Oder ab Freitag. Und dann fährt er stündlich, halbstündlich oder “nach Bedarf” – je nachdem, wen man fragt. Die Abfahrtszeiten auf der Presseinfo unterscheiden sich um 10-20 Minuten von denen auf der Aussteller-Info, und die Dame am BVG-Infoschalter weiß von nichts. Lustigerweise quält das den Sufi mehr als mich, eigentlich sollte es umgekehrt sein; ich aber lehne gemütlich am Laternenpfahl und denke “irgendwann wird schon irgendwas fahren”. Warum das s-Bahn-Shuttle aber nur von Lichtenberg wegfährt, und das ohne Zwischenstopp, das wissen nur die BVG und der Nichtvorhandene.
Selbst wenn es mir nicht egal wäre, wäre es egal, sobald der erste Motor aufheult. Jet, Prop, Hubschrauber: In dem Moment egal. Der Sound zieht mir die Mundwinkel unweigerlich nach oben, wie weiland illegale Drogen der sanften Natur. “Schau!” – “Was, das sind doch nur Hubschrauber?” – “4! Bunte! Hubschrauber! Mit Rauch!” – Der Sufi versteht mich nicht.
Der Wind aber, ihr erinnert euch, der Wind bläst nicht nur am Zwickauer Damm, sondern besonders auch auf dem ILA-Gelände, an den kalten und an den warmen Tagen bläst er den rötlichen Sand der BBI-Baustelle auf Flugzeuge und Besucher, auf Objektive und in empfindliche Augen. Dieses Sandsturmfeeling gibt den Bundeswehr-Vorführungen einen gewissen Authentizität-Touch, legt sich aber wie ein ungeliebtes graurotes Tuch auf die weniger kriegerischen Fluggeräte, die Messe-poliert angekommen sind.
Die Messe jetzt, das ist so eine Sache. Man läuft den ganzen Tag herum, erwischt selten die Menschen, mit denen man sprechen will, findet dafür reichlich anderes interessantes, das einen von dem abhält, was man eigentlich wollte. Das ist einerseits angenehm überraschend, andererseits ist man spätestens am zweiten Tag völlig verwirrt. Ich zumindest. Gesichter und Namen kann ich mir ohnehin schwer merken, umso weniger, wenn man einander nur so im Vorbeigehen vorgestellt wird. Immer dann, wenn ich zu verwirrt und dann aus Verwirrung verlegen werde, ziehe ich mich für ein halbes Stündchen auf die Pressetribüne zurück. Britische Extra-Staffel von rechts, ein Eurofighter von links, dazwischen startet ein Easyjet, und die schöne neu-alte Messerschmidt wärmt sich auch schon wieder auf. Wirkt wie ein Jungbrunnen auf mich. Ja, ich bin komisch.
Nie wieder lasse ich mir übrigens einreden, dass ich auch als simple Fotografin im Business-Attire aufzutauchen habe. Hose und Bluse mag ja noch angehen, aber 3 Tage Business-Schuhe waren deutlich zu viel. So viel zu viel, dass ich in der U-Bahn die Schuhe ausziehe und barfuss weitergehe. Der Sufi hebt die Braue, ansonsten wundert sich hier niemand. Der Freitag in Sandalen war besser, und wer glaubt, meine Kompetenz anhand meine Schuhe einschätzen zu können, soll in Zukunft gerne mit jemand anderem reden. Die anwesenden Piloten scheinen das übrigens ähnlich zu sehen, wenn man ihnen so auf die Füße schaut. Ausgenommen die armen Jungs von der Bundeswehr. Aber das ist ohnehin eine andere, äh, Baustelle.
Auch wenn man ihn nicht zum ersten Mal sieht: Der A380 macht schon was her. So 10 Meter vor unter dieser Nase, das macht ein bisschen atemlos vor Ver- oder vielleicht sogar Bewunderung, und das führt wie bei anderen geliebten Exponaten, zu einer Vielzahl von Fotos, die man eigentlich schon gemacht hat, aber vielleicht ist ja diesmal das Licht noch ein bisschen perfekter? Die Perspektive noch ein bisschen aussagekräftiger?
Wenn dann, am 3. oder vierten Tag, der Blick nicht mehr anerkennend nach oben geht angesichts dieser Schnauze oder der Schwanzflosse des C17, unter der 20 Besucher den dringend benötigten Sonnenschutz finden, dann ist es akzeptabel, dass die Messe aufhört. Obwohl sie das wegen mir nicht müsste. Die erste ILA, die “Mutter aller Luftfahrtmessen” (so oft wurde der seltsame Begriff gebraucht, dass ich schwerlich anders kann, als ihn mitzunehmen), dauerte über 3 Monate. Das war im Jahr 1909, und offenbar hatten sowohl Besucher als auch Aussteller damals etwas mehr Zeit.
Als wir. Der Sufi flieht am Freitag so früh wie er kann. Ich geh nicht mit, ich brauch mein Messe-Schluss-Ritual: Noch einmal alle meine Lieblinge besuchen. Ein letzter Rundgang im 8er-Format, ein letzter Blick auf Propellernasen, Pummelchen-Jets, Schwimmflügler, Camouflage-Riesen, Überschall-Eleganzen und Rotor-Raubtiere. Zum Schluss ein überteuertes Messe-Bier, das muss auch noch sein, und damit nochmal auf die Pressetribüne, wenn alle anderen schon weg sind. Meine Zeit. Ein paar dienstfreie Polizisten gesellen sich zu mir und beplaudern ihren Tag, zwei polnische Offiziere betrachten schweigend interessiert die abfliegenden Kleinflugzeuge. Von oben schickt die Sonne müde ein paar Strahlen durch den Staub, unten rollt die Me 262 hin- und her, wohl Triebwerkstests, und die Flieger-Revue-Staffel fliegt Mal eben zwischendurch weg. Ein Apres-Zigarettchen noch, dann kann ich auch gehen. Der Shuttle-Bus ist noch nicht weg, ich bin augensatt und doch ein bisschen traurig, und vor der U-Bahn kurvt der gelbe ADAC-Heli in Baumwipfelhöhe atemberaubend knapp um den Wohnsilo, um 100m weiter in einer Staubwolke zu landen, für irgendjemand wohl ein trauriger Tag, für mich ein fliegerischer Abschiedsgruß.
Zu Hause im Hotel liegt der Sufi schon in der Badewanne (Bild zensiert). Später das dritte Steak der Woche, so viel Auswahl an Lokalen gibt es hier draußen halt auch nicht. Danach ein Ouzo beim Griechen, oder zwei, oder vielleicht… Sufi!?!
Ausschlafen dann, die nächste Nacht wird durchgemacht. Hat der Sufi so beschlossen, weil der Flieger um 5 Uhr früh geht. von Tegel. Tegel ist ja kein besonders sympathischer Airport, auch wenn dort ein Roter Baron herumhängt. Und die Gepäckaufbewahrung kostet 35 Euro. Böse und beeinspruchenswert, doch momentan egal. Jetzt schnell noch einmal in die Stadt!
Die Strahlesonne genießen am Zoo, noch das eine oder andere T-Shirt mitnehmen, am Landwehrkanal ruhen und den Schiffen zuwinken, zu Fuss dann zum Potsdamer Platz, Fotosession unten und ich auch oben, während der Sufi von den 100 Bieren noch immer nur das eine will. Ich dagegen hätte gern das belgische Schokoladenbier gekostet, das aber ist leider aus, wie mir schokoladig mitgeteilt wird. Man kann nicht alles haben. Muss man auch nicht. Es wird schon Abend. Da kann man ruhig ein Hähnchen ansteuern, am Rande von P’berg. Dann das selbige im Bauch die Straße entlang tragen, bis ein Park winkt mit Rasen und Leuten und einer beginnenden Dämmerung darüber, die sich rücklängs liegend wunderbar beim Dunkelwerden beobachten lässt. Der Sufi döst ein bisschen, ich lese die Zeitung und schnappe Gesprächsfetzen auf, von der Unschärferelation redet einer, vom Stadtrat ein anderer. Ein paar Meter weiter wird malerisch geknutscht. Im Lokal am Parkrand eine Hochzeit, die kaum stört; am Teich darunter spielen Hunde mit ihren Herrchen Frisbee. Aus einem Baum hängt eine Schnur. Mit Knoten. Wie spät mag’s jetzt sein?
Spät genug, um tiefer in das Nachtleben einzudringen, noch ein paar Graffiti zu fotografieren, sich in der Kulturbrauerei niederzulassen bei Moskitos, Zeitung und Kaffee. Die Moskitos hier stechen nicht, sondern sind ganz ausgezeichnete Cocktails, Mojitos ohne Alcohol. Mhm. Kühl wird es langsam. Bis zwei Uhr früh.
Dann langsam wieder zentrumswärts, ein letztes Jever noch, der Sufi schaut traurig, und ein letzter Berlin-Döner. Die Nachbarn im auch jetzt noch gut besuchten Gastgarten diskutieren über “den alten Fritze” und Maria Theresia, die Straßenbahn fährt immer noch. Oder schon wieder. Um 3 Uhr früh.
Vom Alex, jetzt dämmert es von Osten her, vom Alex fährt ein Bus Richtung Zoo, von wo ein Bus nach Tegel fährt. Auch mitten in der Nacht. Oder früh in der Früh, wie immer das jetzt heißen mag. Zum Filmen ist es fast hell genug, und müde sind wir nur ein bißchen. Ich zumindest. Bis zum Flugplatz. Dann eher sehr. Jedenfalls müde genug, dass mich die Eincheck-Odyssee nicht mehr erschüttern kann. Der Heimflug besteht aus Start und Landung. Ich hoffe für meinen Sitznachbarn, dass ich dazwischen nicht allzu laut geschnarcht habe. Und Wien steht noch. Und meine Füße tun weh.
Und noch ein paar Bilder.
[…] so Sachen, da muss ich zugeben: Ich bin nicht so richtig konsequent. Nehmen wir zum Beispiel die Geschichte von der ILA, zu der mich ein paar entsetzte Mails erreichten, ungefähr mit dem Inhalt: “Wie kannst du dich […]
Du bist und bleibst eine Meisterin der Worte. Wunderbarer Berlin Text.