19. Juni 2021

Bachmannpreis 2021 – Tag 3

Immerhin am Samstag bin ich live dabei. Stelle aber dabei fest, dass das Zuhören alleine in der Nacht auch seine Vorteile hat.

Dana Vowinckel verbringt das Autorinnenvideo im Freibad. Ihr Text heißt „Gewässer im Ziplock“. Es ist eine starke Geschichte, angesiedelt in der jüdischen Diaspora, wir bewegen uns zwischen Deutschland (?), Israel und Chicago, aus Teenager- und aus Vatersicht. Man folgt ihr gerne, würde den Roman auch gerne lesen, aber sprachlich bleibt da schon noch Raum nach oben.

Die Jury ist begeistert, verkennt aber normale Religionsausübung als orthodoxes Judentum. Vermutlich der – oder zumindest ein – Siegertext.


Timon Karl Kaleyta liest „Mein Freund am See“, und über den Text möchte ich gar nichts sagen, ich möchte ihn möglichst schnell wieder vergessen. (Ich hoffe, da ist ein irgendwie regionaler oder gruppenspezifischer Humor drin, den ich nicht verstehe, ansonsten – und das sage ich ganz selten – hat der Text in Klagenfurt nichts verloren.)

Kastbergers Bonmot „Der kleine Gatsby“ ist noch das beste an der ganzen Sache.


Nava Ebrahimi erzählt eine Geschichte, die von Anfang an gewollt künstlich erscheint. Bald wird klar, es geht darum, wie die Hauptpersonen versuchen, ein Trauma auf unterschiedliche Arten künstlerisch zu verarbeiten. Gut gemacht, aber trotz des roten Endes für mich seltsam blutleer, was vielleicht auch gewollt ist:

„Von außen hat es so etwas Heimeliges“, sagt mein Cousin.
„Von außen sieht es so schön aus, wie es drinnen niemals sein kann“, sage ich. Einen Moment
lang verspüre ich den Wunsch, draußen zu bleiben.

Die Jury wegen Anrufs überhört und keine Lust, nachzuhören. Bachmanntwitter ist größtenteils unfroh.


Nadine Schneider entführt uns in ein Dorf, in dem eine neu angekommene (in vorletzter Generation eingewanderte?) Familie nicht sonderlich willkommen ist. Konkret in den Details, vage in der Totale. Ich folge ihr gern, auch wenn die Sprache ruhig etwas ausgefeilter sein könnte.

Im Dorf schreien nachts die Katzen, wenn sie in den Straßen aufeinandertreffen. Ihre Schreie gellen durch die Stille, und man liegt mit Herzrasen im Bett. Am Anfang schliefen wir im Hausgerippe auf Matratzen, und mein Vater las mir abends etwas vor. Ich wusste, dass er nicht wirklich las. In ein und demselben Buch gab es immer eine andere Geschichte.

Die Jury diskutiert über Rassismus , Kastenberger ordert Anleihen von Stifter, auch andere große Namen fallen. Bachmanntwitter scheint müde, die meisten Bemerkungen klingen ratlos.

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