Bachmannpreis 2012, Tag 3

7. Juli 2012

Zu spät eingeschaltet, weil die zu früh anfangen. Wer kommt denn auf die Idee, ausgerechnet samstags früher anzufangen?

Matthias Nawrat lebt in Biel und Bamberg.
Sein Text heißt Unternehmer und nimmt uns mit auf die Streifzüge einer Computerschrott-Sammler-Familie. Mir gefällt er gut, die Computerherzen, die Neuseelandträume und der lange Nasen-Timo, die präzisen Vorgangs- und Material-Beschreibungen. Die Jury-Diskussion spare ich mir und widme mich stattdessen der Frühstückszubereitung.

Matthias Senkel lebt in Leipzig und lässt sich im Videoportrait zeichnen bzw. malen. Sein Text heißt Aufzeichnungen aus der Kuranstalt. Er zeichnet sich aus durch lange, fremdländische Namen und betont altbackene Sprache. Der Humor bleibt klein und flach. Die Anstalt mit den schreibgehemmten Schriftstellern, die Krimi-Anklänge und Curacao können mich gar nicht überzeugen.

Die Jury findet den Text vor allem intelligent, aber ebenfalls nicht überzeugend. Zitate:
Jandl: “Intelligenz ist mir geläufig.”
Keller: “Intelligenz genügt nicht, um Schriftsteller zu sein, sonst wäre hier der ganze Saal Schriftsteller”

Leopold Federmair kommt aus Wels und lebt in Hiroshima. Sein Text heißt Aki und spielt zum Glück nicht in Japan, sondern in einem muffigen Provinz-Gasthaus. Die Ich-Erzählerin schreibt über Aki, Aki steht auf Bob Dylan und klaut ein bisschen Geld. Popkultur. Ein bisschen beinahe-Sex. Am Ende das Verschwinden der Jugend.

Die Jury fragt sich, warum diese Frau ausgerechnet über Aki schreibt, dabei ist das doch sonnenklar: Sie ist trotz seiner Akne verliebt in diesen Aki, allerdings auf die 80er-Jahre Art, in der man so etwas niemals zugab, sondern lieber zynisch und abgeklärt über Sex geredet hat.

Isabella Feimer kommt aus Wien und liest den Text Abgetrennt. Es geht um eine Trennung, auf weichgezeichnete Art und Weise wird die Beziehung noch einmal heraufbeschworen, seltsam ortlos bis auf den Ausflug nach Havanna. Dem Text hätte ein radikaler Lektor gut getan, aber trotz Kitscheinbrüchen und einer Handvoll geht-gar-nicht-Wendungen mag ich ihn nicht ganz so unter den Teppich gekehrt sehen, wie es netzweit passiert. Schlimm hingegen ist der Vortrag, bis zur Tränengrenze in den eigenen Vortrag zu kippen, das geht nicht gut.

Die Jury diskutiert erst einmal darüber, wer wen verlässt. Zitate:
Strigl: “In der Literatur mag ich kein Huhn mehr.”
Carduff: “Die Lyrik als kulminierender Fluchtpunkt”
Winkels: “Masochistisch-poetischer Diskurs”

Fazit: Insgesamt ein gutes Jahr, für mich gab es nur zwei Texte, die ganz durchgefallen sind (Richner und Froehling). Ab 15 Uhr kann für den Publikumspreis abgestimmt werden. Ich bin mir meiner Stimme noch nicht ganz sicher, bis 20 Uhr ist Zeit.

Eindrücke anderswo:
Auf der Vorspeisenplatte
In der Sammelmappe
Klaglos in Klagenfurt
Auch engl klagt nicht

 

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