Bachmannpreis 2009 Livegebloggt Teil 2

25. Juni 2009

Will ich wirklich einen Autor hören, der Geschichtenerzähler als Story-Kannibalen bezeichnet und das Futur 2 als seine Lieblingszeitform? Na schaumermal, Bruno Preisendörfer. Ein Text, der blaue Clowns-Augen mit der Farbe des Planeten vergleicht und ein alternder, weitsichtig gewordener Gott, dem alles egal ist. Oh, schon klar, alles voller Zitate. Die Jury wird begeistert sein. Ich zeichne. … wie sind wir jetzt vom Clown zum Psychoanalytiker gekommen? Und zur Reflexion über den Zeitverbrauch des Zähneputzens? Und zum tragischen Tod von Schneewittchen? – Ich sollte den Text eigentlich mögen, so wie er vor sich hin schwadroniert, aber irgendwie fehlt etwas.

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Jury: Jandl findet keinen Zusammenhang, Feßmann dagegen einen Witz, den ich trotz Erklärung nicht verstehe. Spinnen hat schon 100 Mal vom dusseligen lieben Gott gelesen und möchte anmerken, dass es ihm beim 50-Werden dreckiger ging. Feßmann wirft ein, der Held leide nicht an seinem Alter, sondern am Zustand der Welt. Spinnen pariert: “Werden Sie 50, und sie werden sehen, dass das dasselbe ist.” Noch kein ganz großes Tennis, aber immerhin. Ich brauch mehr Kaffee.

Christiane Neudecker. Autorenprotrait als Sportreportage. Wie originell. Oder doch? Ah, der Text. Theater. Der ich-Erzähler ist ein Mann. Tänzerin, Fall; Schatten, verloren. Plakativer kann man die Grundthemen nicht in die Köpfe Hämmern. Dazu Hongkong. Die Geschichte nicht uninteressant, leider viel zu viele selbstverständliche Adjektive. Obwohl. Je länger die Geschichte des untreuen Schatten dauert, umso langweiliger wird sie. Die Sprache hat auch nichts Erfreuliches beizutragen. Der männliche Ich-Erzähler verschwindet in seinem Schatten?

Jury: Frau Keller findet hohe Themen wie Tod und Geisterwelt, Sulzer findet eine klassische Horrorgeschichte. Fleischanderl vermisst dazu das Mysterium (ich auch). Die Jury konstruiert sich den Text wichtig, bis auf Spinnen. Auf den ist Verlass. Diskussion konzentriert sich auf Inhalt und imaginierten Inhalt, auf die Sprache mag sich offenbar niemand einlassen. Hm. Das war’s für heute.

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