Aus für Wiener Grundig-Werk. Einfach so. Nicht das ich etwas damit zu tun hätte. Mit dem Grundig-Werk nicht und mit dem Aus auch nicht.
Also, fast nicht. Ich bin nur jahrelang dran vorbeigefahren, auf dem Weg zur Arbeit. Und von der Arbeit. Und zum Einkaufen. Und vom Einkaufen. Und wenn die richtige Uhrzeit war, dann ist an genau dieser Haltestelle die leere Straßenbahn plötzlich voll gewesen.
Und damals, fragt mich jetzt nicht genau wann, aber irgendwann zwischen ‘92 und ‘96, da war doch schon einmal die Rede davon, dort zuzusperren. Oder zumindest davon, massiv Personal abzubauen. Und die Frau, die damals dort an der Haltestelle eingestiegen ist, hat zu der anderen, die mit ihr eingestiegen war und einen slawischen Akzent hatte, gesagt:
“Du kannst dir das ja nicht vorstellen, bist ja erst seit zwei Jahren hier. Was, 3 Jahre? Wirklich? Na, so vergeht die Zeit. Aber trotzdem. Du bist seit 3 Jahren hier. Und wenn die jetzt zusperren, verlierst du den Job. Schlimm, aber was soll’s. Du bist gut. Du kriegst einen Neuen. Aber ich? Klar, einen neuen Job krieg ich auch. Jeder kriegt einen Job, wenn er nur will. Aber was soll ich mit einem neuen Job? Das hier ist für mich mehr als ein Job. Ich hab in der Fabrik angefangen, da war ich 16. Jetzt bin ich 42. Das ist kein Job, das ist ein Leben, verstehst du? Mein ganzes Leben.”
Und eine Straßenbahnsitzreihe davor saß ich, mit einer Gänsehaut. Und versuchte, mir das vorzustellen. 26 Jahre. In der Fabrik. “Ein ganzes Leben”.
Und ich weiß immer noch nicht, ob die Gänsehaut vom Horror eines solchen Lebens kam. Oder von der Sehnsucht danach, mit so einem Leben zufrieden sein zu können.