Da die Eröffnung der Ars Electronica (orf, derStandard) in Linz mit einem beruflichen Termin ebendort zusammenfiel, googelte ich schon auf der Hinfahrt nach den Locations, um feierabendlich vielleicht doch ein bisschen Kunst mitzunehmen. Reden, Musik und Festakte muss ich nicht haben, aber eine der wesentlichen Locations, die die POSTCITY, ist gleich neben dem Hauptbahnhof. Na dann.
Ungewohnt morgeneffektiv erwischte ich den ICE, der 20 Minuten vor dem eigentlich angepeilten Railjet fährt, und nutzte den Umstieg in Linz, um gleich die Entfernung zu erkunden. Der Bahnhof bietet einen hübschen Springbrunnen und Pflanzen, die man dem heimischen Innenhof hinzufügen könnte.


Die POSTCITY war gleich ums Eck. Aber erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Wobei die Arbeit heute auch irgendwie ein Vergnügen war, interessante Informationen, nette Menschen, angenehme Gespräche.
Ich war in der Welt, nicht daneben und nicht davor, fiel mir auf, als ich mich auf den Rückweg machte.


Fast lockte die Gegend mehr als die Kunst, zumal da gleich nebenan ein netter See ist. Wer weiß, wie viele solcher angenehm warmer Tage heuer noch folgen? Aber dafür war ich nicht angezogen, und Handtuch war auch keins mit. Also ab zum Hauptbahnhof und auf ins Getümmel.


Ich muss gestehen, mein erster Eindruck war „eh brav“. Kunst als elektronischer Mitmach-Workshop. Weckt an vielen Punkten den Spieltrieb (an manchen vergebens). KI allerorten, einiges erschien einfallslos. Eine KI- Zeichnung nach meiner selbstgewählten Persönlichkeit kann ich zu Hause auch machen lassen.
Eine VR-Brille ist nur dann interessant, wenn es damit auch Interessantes zu sehen gibt. Die VR Projektion von – laut Künstler*innen – aus DNA rekonstruierten Gesichtern über einem (realen) Salzhauferl , aus dem es (VR) nach oben schneit – noja. Ich tätschelte dem VR-Gesicht die Wange und legte die Brille wieder ab. (Bittschön, es gab auch noch Musik aus derselben DNA dazu, von realen Musikern eingespielt,und vielleicht hab ich was wissenschaftlich Wesentliches nicht ganz verstanden.) Vielleicht war ich aber auch nicht Zielgruppe, dachte ich, als eine Frau daneben ihrem Begleiter nahelegte, die Brille unbedingt zu versuchen, denn „damit sieht man Sachen, die gar nicht da sind!“. Technik als Droge der Neuzeit?
Vielfach Ästhetisches ohne „große“ Botschaft, Lichter mit Ton, Töne mit Licht. Ein Sarg, in den man steigen darf, um per Video ein Plädoyer für den eigenen digitalen Doppelgänger zu sehen – eher durchsichtig dystopisch.

Anderes zum Genauer-Hinschauen oder -horchen; dieses Wurzel- und Blattwerk etwa gab interessante Töne von sich, wenn man näher trat. Ich merkte, dass Fotos hier nicht genügen, und machte ein paar Videos.
Die sympathischen Anblicke auch gern irgendwo dazwischen.

Die Location ist ein „post“moderner Fiebertraum, dachte ich angesichts der schwimmbadblauen Paketrutschen in der Industriearchitektur.

Bei diesem auf den ersten Blick makaberen Anblick ging es um Bakterien – und zwar um Bakterien, die sechs Jahre lang in Isolation gezüchtet wurden.
Wo ich mit den Künstler*innen ins das Gespräch fand, blieb Spannendes unfotografiert – etwa bei den Sands of Time, von dem mir fotografisch nur das Gedicht bleibt, das mich dorthingezogen hatte. (Hi, artist! if you’re reading this, my poems are this way.)



Dann wieder spielerische AI – eine, mit der man kommuniziert, in dem man Bälle in Röhren füttert, eine die man überzeugen muss, Bälle aus einem Spielautomaten zu fischen. Vieles zum Angreifen, mitmachen, draufsetzen. Die Agit-P(r)op-Poster-Erstellung hätte ich durchaus auch getestet, aber mir fiel kein Slogan ein, der nicht schon an der Wand hing. Zuletzt hätte ich noch gerne mit dem Raben gesprochen, aber der war ständig besetzt.
So richtig künstlerisch wurde mir dann erst zumute, als ich der Kunstspur in den Bunker folge. Teile der Architektur schafften es, die Chronistin zu verunsichern – dass wir uns im ehemaligen Postverteilerzentrum befinden, hätte aber ein Hinweis sein können. Je tiefer es in die Katakomben ging, desto unheilvoller lasen sich die eigentlich harmlosen Wandaufschriften.

Die bunten Punkte darunter sind übrigens Mitmach-Punkte: Am Eingang wurde empfohlen, runde Sticker mit der Aufschrift „Yes“, „No“ und „Maybe“ mitzunehmen, um die Wandfragen zu beantworten.
Vielleicht muss ich auch meine Technikkritikfähigkeit hinterfragen: Ein buntes LED-Orakel verlangte zuerst, die am Smartphone am häufigsten verwendeten Gesten auf einem Touchscreen zu zeigen, dann das entsperrte Fon auf den Touchscreen zu legen. Dass ich erst beim letzten Teil dachte „lieber nicht“, während ich davor schon begeistert meinen Fingerprint hergegeben hatte… tja. Ich hoffe, es ist wirklich nur Kunst.
Im tiefsten Keller wurde es richtig düster. Kleine Zellen mit einzelnen Kunstinstallationen zu Themen von Prometheus bis zu Elon Musk. Ich brachte zwar im Endeffekt keinen meiner „Yes“-Sticker an, aber ich bin auch durch meine aktuelle PC-Spielerei abgehärtet.

Die Roboterhunde schliefen schon.
Mein nächster technikkritischer Moment kam bei den Wasserwirbeln. Vor diesem Ding standen ungefähr 10 Leute und filmten mit dem Fon. Ich auch, wie man an dem Video sieht. Man könnte doch auch so ein Kunstwerk auch einfach einmal wirken lassen, dachte ich und steckte die Kamera weg, aber da kamen schon die Ordner und erklärten uns, dass es Zeit ist zu gehen, weil bald 19 Uhr. Auf dem Weg aus dem Labyrinth begegneten mir noch zwei tolle Anblicke.

Phonos sah nicht nur imposant aus, sondern machte auch interessanten Lärm.

Der Weg zum Häusl gehörte zwar nicht im eigentlichen Sinn zur Kunst, sah aber sehr danach aus.
Ganz am Schluss noch Konsumkritisches zur Hendlbräterei, mit Fabrik im nächsten Raum. Zum (Mit)Schreien!
Insgesamt fand ich den Rundgang bunt, lebendig und verspielt und doch auch immer wieder zum Nachdenken. Warum war ich eigentlich vorher noch nie auf der Ars Electronica? Und warum nehme ich mir keine Zeit für die weiteren Locations? Irgendwie hätte ich schon noch Lust auf seufzende Türen.


