Dreschplatz in Yakawlang (Zentralafghanistan) 1977, Foto (c) Lucas-M. Kopecky

Afghanistan

6. Dezember 2001

Es war einmal, vor langer Zeit, da war Afghanistan mein Land der Träume. Wir schreiben die siebziger Jahre, und ich bin noch nicht einmal eingeschult. Ich sitze in einem Landgasthof, zwischen meinen Eltern, und ein Freund der Familie, der schon seit vielen Jahren dieses Sagenland bereist, zeigt Bilder – oder einen Film, ich weiß nicht mehr.

Was ich noch weiß, sind großgewachsene, stolze Menschen. Kinder mit großen Augen, die lachen über den Fremden mit der Kamera. Tänze von Männern in Pluderhosen und buntgekleideten Frauen. Pferde und Kamele und ein Rennen. Ein Bazar, den man fast riechen kann, auch wenn er nur an die Wand projeziert erscheint. Und das goldene Licht über der fremden Landschaft, karg und eigenartig aber seltsam beruhigend: So, als wäre die bloße Existenz einer solchen Weltgegend und dieser Menschen mit den ruhigen, dunklen Augen ein Versprechen, dass dereinst alles gut wird.

Jahre später, ein Picknick irgendwo in der Steiermark, mit diesem Freund und anderen, die gerade aus von einer ausgedehnten Asienreise zurückgekommen waren. Keine Bilder diesmal, aber Geschichten, die die Bilder in meinem Kinderkopf wieder lebendig machen.

Und die Sehnsucht in dieses goldene Licht zu fliehen, denn die kleinen Probleme in meinem kleinen Leben waren seither immer nur größer geworden. “Da möchte ich auch gerne einmal hin” sage ich. Und höre beruhigt, wie man mir versichert, dass das alles kein Problem sein würde, wenn ich einmal groß wäre.

Ein halbes Jahr später hört man zum ersten Mal von Problemen. Dann kommen die Russen. Und von da an wurde alles immer schlimmer.

Und das Sagenland ist voller Ruinen, hunderttausende Quadratkilometer Mahnmal gegen den Krieg, und die wenigen Bilder, die wir heute sehen, sind staubig und hoffnungslos.

1 Comment

  1. Vor dem Sturz des Königs anno 1973 gab es in Yakawlang so gut wir überhaupt keine modernen Repetiergewehre. Die Fand man bis Ende der 70er Jahre vorwiegend bei den fernwandernden Kuchi-Nomaden, die sie aus Pakistan mitbrachten und die in Zentralafghanistan die dortigen Hazara-Gruppen gehörig unter Druck setzten, Die kuchis waren sogar besser bewaffnet als die wenigen in zentralafghanistan Stationierten Militärs und sicherten sich damit die Sommerweidegebiete gegen den willen der örtlichen bevölkerung. Erst im Zuge des auf afghanischen Boden ausgetragenen kalten krieges wurde dieses land mit modernen Waffen aus ost und v.a. west geflutet.

    IM Irak und in syrien spielt sich vergleichbares ab und in all diesen fällen spielen die USA, Europa und die golfstaaten keine rühmliche rolle. Sie zündeln seit jahrzehnten vor der russischen haustüre und sind erbost, wenn dort jemand die türe aufmacht.

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