Zwischen den Zeiten

21. April 2020

Dieser ewigblaue Himmel ganz ohne Wolken ist beunruhigend. Das meine ich ganz unesoterisch, auf das Klima bezogen, auf nichts anderes. Gestern hat es ein paar Tropfen geregnet, oder war das vorgestern? Ja, da haben wir den Salat: Dieser ewigblaue Himmel, ohne ein einziges vorüberziehendes Wolkerl, das durch seine Bewegung optisch die unerbittlich verstreichende Zeit misst, gibt mir das Gefühl, gänzlich zeitlos zu leben. Die Zeit vergeht natürlich trotzdem, so wie sie auch vergehen würde, wenn keine einzige Uhr da wäre, die sie misst. Aber man merkt es halt nicht. Trügerische Zeiten.

Die Worthülsen aus den Empfangsgeräten werden von der Wiederholung auch nicht besser, bittschön, immerhin erspart man uns seit Ostern weitgehend die „Auferstehung“, aber wenn ich noch einmal „die schlimmste Krise seit dem zweiten Weltkrieg“ lesen muss, dann schweiße ich mir eigenhändig einen Panzer. Was ich dann damit mache, weiß ich allerdings auch nicht. Ich bin unter dem eigenverantwortlichen Freiheitsbegriff der ethnobunten 70er meiner Kindheit sozialisiert: Die eigene Freiheit (und Sicherheit) ist wichtig, aber niemals wichtiger als die Freiheit (und Sicherheit)  der anderen. Ich bin für meine Handlungen und Nicht-Handlungen selbst und alleine verantwortlich, darf mich aber auf die (anonyme) Gemeinschaft verlassen, wenn etwas gründlich schiefgeht, genauso, wie sich die Gemeinschaft darauf verlassen kann, dass ich nicht tue, um ihr zu schaden. Das ist meine Selbstverständlichkeit, die ich aber zunehmend schwinden sehe, je mehr ich mich zurzeit umschaue.

Allerüberall nur „Ich will“, „ich brauche“, „ich lasse mir nicht verbieten“, „was ist mit mir?“ – Ja himmelherrgottnocheinmal, so wichtig seid ihr alle miteinander nicht, jede/r einzelne von euch nicht. Und ich natürlich auch nicht, aber ich weiß das wenigstens.

Wenn mich die ganze Corona-G’schicht etwas gelehrt hat, dann ist es das: Wie sehr der egotistische Narzissmus zur neuen Normalität geworden ist, überall, immer, kompomisslos. Und ich mag das nicht mehr. Mittlerweile mag ich es nicht einmal mehr diskutieren. Ich bleib hier sitzen, in meinem abgebröckelten Elfenbeintürmchen, und lebe meine Realität. Meinetwegen auch allein.

Hier noch ein Bäumchen aus der Nachbarschaft. Die Natur pfeift auf euer EGO, ihr Anti-GenossInnen. Und ich pfeif mit.

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