Zum Glück geht’s dem Sommer entgegen

So hieß ein Buch von Christiane Rochefort, das mich vor langer Zeit sehr beeindruckt hat. Es ist der optimistische Gegenentwurf zu „Herr der Fliegen“, könnte man sagen, und vielleicht sollte ich es wieder einmal lesen, um zu sehen, was ich heute davon halte.

Sommer wäre gut. Heuer ist jedenfalls eindeutig das falsche Jahr, um in Weihnachtsstimmung zu kommen. Normalerweise besteht da bei mir ohnehin keine Gefahr, doch sei es wegen meines azyklischen Wesens oder wegen der unberechenbaren Wechseljahrhormone, irgendwie hat’s schon was, wenn die Toten Hosen, Verzeihung, die Roten Rosen „Leise rieselt der Schnee“ singen, dann ergreift mich doch eine seltsam gerührte Stimmung.

So geschehen heute im Getränkeladen. Ein Schokobier für morgen, ein bislang unbekanntes IPA für jeden Tag bis zum nächsten Jahr (erstaunlich, wie viele es mittlerweile gibt), ein Mini-Gin für alle Fälle. Und ein durch und durch gut aufgelegter Verkäufer. Viel los war übrigens nicht.

Auch im Drogeriemarkt (Hautcreme; Little Drummer Boy in der Version mit David Bowie) und beim türkischen Grafflgeschäft (Nudelsieb; eine entzückend orientalische Version von Oh Tannenbaum) erkenne ich ungeahntes Feierlichkeitspotential in mir. Im Supermarkt zum Glück keine Musik.

Dieses Jahr kann’s ganz gut mit den G’nackwatschen, nun auch noch ein herber finanzieller Verlust. Aufstehen, Krönchen richten, weitergehen ist längst zur Routine geworden, aber vielleicht verkaufe ich das Krönchen, passt eh nicht zu mir.

Ob nun diese Glatze zu mir passt oder nicht, das sei dahingestellt. Der erste Haarschnitt war zwar halbwegs gelungen, beim Nachbessern am nächsten Tag war ich aber ungeschickt genug, eine kahle Schneise zu schlagen. Da ließ sich nichts mehr retten (ja, ich habe eine zweite Meinung eingeholt). Seit 30 Jahren wollte ich immer mal wissen, wie sich das Dasein so ganz ohne Haare so anfühlt, und jetzt war es offenbar Zeit. Etwas suboptimal vielleicht, das ausgerechnet im Dezember zu tun; aber Hauberln habe ich ja genug. Und darüber zu streichen ist ein endcooles Gefühl.

Irgendwie das Bedürfnis, Leuten etwas vorzulesen mit dieser Frisur, vielleicht vorzusingen. Aber wer würde schon zuhören?

Alles ändert sich, und Haare wachsen nach. Wenn nur jede Änderung so leicht zu verkraften wäre.

Everybody’s changing
And I don’t feel the same

(Ein Song, den ich einmal zutiefst melancholisch fand, heute nehme ich ihn anders wahr: Die schwebende Leichtigkeit, die die Melancholie begleitet, ist irgendwann aus meinem Leben verschwunden. Wohin eigentlich?)

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