Yeah Baby, lock me down… again!

12. April 2021

Als ich auf den Gang hinausgehe, um das Regenfoto für diesen Beitrag zu machen, kommt von irgendwoher traurige slawische Schlagermusik. Leicht blechern, ein billiges altes Radio muss das sein. Die Dachbodentür klappert im Wind, dann weint irgendwo unterhalb lauthals ein Kind. Insgesamt ein Moment, der diesen Tag perfekt zusammenfasst. Es ist noch nicht ganz dunkel, aber das wird schon noch.

Der Lockdown ist bis 2. Mai verlängert, das Wetter bleibt eine ganze Woche lang kalt und feucht. „Ich mag das nicht mehr!“ sage ich zum Herrn Bürgermeister, der mich natürlich nicht hört, weil er nur eine Handvoll Pixel in einem Browserfenster ist. Auch wenn er mich hören könnte, würde das keinen Unterschied machen, weil es ja hier weder um mich geht noch um ihn, sondern um die überfüllten Intensivstationen. Das alles versteh ich schon, und werde es mittragen. Aber mögen tu ich es halt wirklich nicht mehr.

Kann mich schon den ganzen Tag kaum zur Arbeit aufraffen, obwohl ich eigentlich gut erholt bin vom Wochenende. Irgendetwas bedroht den zerbrechlichen Frieden, den ich mir für mich erarbeitet habe. Ich finde die Bedrohung nicht in den Nachrichten, nicht in den Freundschaftskommunikationen, nicht einmal in den fehlenden, auch nicht in mir. Aber sie bleibt spürbar.

Vor dem Fenster nervt schon den ganzen Tag so etwas wie ein Riesen-Schlagbohrer. Die Kacheln an der Fassade des Nachbarhauses werden abgeschlagen, sehe ich beim Einkaufen. Warum auch immer. Es ist ein Geräusch, das mir den letzten Nerv rauben würde, wenn ich denn noch einen hätte.

„Gib mir irgendetwas Schönes!“ sage ich wenig hoffnungsfroh zum Universum, aber dann sind immerhin die neuen Lichtungen im Briefkasten. Ich weiß jetzt, wie Feuersalamander und Libellen sich lieben, zumindest wenn man einem slowenischen Lyriker glauben darf. Übe Zurückhaltung und blättere den Rest derweil nur durch, diese literarischen Lichtblicke müssen ein Weilchen reichen.

Versuche es mit den Nachrichten, aber die machen nun wirklich nichts besser.

Gönne mir ein neues Buch, die Geschichte von den fehlenden Brüsten und dem schützendem Oktopus klingt mir interessant. Lässt sich auch sehr gut an, aber ich merke, dass ich zu schnell lese, Sprache und Feinheiten möglicherweise versäume.

Ich bin dann mal stricken. Heute fang ich ein neues Projekt an, oder vielleicht sogar zwei, was spricht schon dagegen?

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