Wassertraum

28. August 2002

Das nach einer Seite offene Zelt bietet wenig Schutz gegen das Wasser, das demnächst aus den Wolkenbergen kommen wird. Ich wecke den Nebenmann und schlage vor, das Zelt ins überdachte Areal zu tragen. Das tun wir auch. Es ist ein Festival, und wir müssen erst einige Dinge beiseite schieben, um Platz zu schaffen. Mein Nebenmann murrt, wozu das? Fragt er. Weil es gleich zu regnen anfängt, sage ich. Kaum ausgesprochen, beginnen große schwere Tropfen wie eine Antwort auf das Planendach aufzuschlagen. Das Wasser plätschert nicht, es donnert.

An Schlaf ist nicht zu denken, ich spaziere herum. Die FM4-Mannschaft ist am einpacken, sie fahren nach Hause. Wenn es doch noch etwas zu berichten gibt, schicken sie ein Mädchen, das gleich in der Nähe wohnt. Ich soll ihr meinen DAT-Recorder borgen. Das geht nicht, sage ich, ich muss doch das Dylan-Konzert aufnehmen. Bis dahin hast du ihn schon lange wieder zurück, sagen sie. Na gut.

Sie steigen in ihren futuristisch wirkenden Übertragungswagen. Überall stehen Schläuche, Antennen, Kabel heraus, die sich bewegen wie Tentakel. Dann erst sehe ich, dass das Ding nicht fährt sondern auf Entenfüßen watschelt. Und die Farbe wechselt es auch.

Ich spaziere durch das weitläufig überdachte Festgelände. In einem Schuppen sitzen Peter, Paul und Mary und singen I’m leaving on a Jetplane”. Der Manager schreit Aus! Mehr Feeling, so geht das doch nicht… Die drei zünden sich schweigend Zigaretten an und packen die Gitarren weg.

Die Waschräume sind leer und wie die anderen festen Gebäude Teil eines Computerspiels. Man muss hochspringen und bunte Lichter fangen. Wer die meisten Lichter fängt, gewinnt zehn Minuten auf der Hauptbühne. Das zahlt sich doch gar nicht aus, denke ich, stecke aber doch ein paar herumfliegende Lichter ein, die sich in meiner Tasche heimelig warm anfühlen.

Ich gehe zum Zelt zurück, das jetzt leer ist. Der Nebenmann ist wohl auch spazieren. Gleich neben uns haben die Techniker ein Riesenzelt aufgebaut und sind dann wieder verschwunden. Wenn sie zurückkommen, werden sie besoffen sein und Lärm machen. Dann werde ich rübergehen und mich beschweren. Ich hänge mein Zelt an die Dachverstrebungen, damit es nicht davonschwimmen kann. Dann klettere ich hinauf in den Schlafsack und schreibe Tagebuch: Mit dem rechten Zeigefinger in der Handfläche der anderen Hand. Ein Chip in meinem Ring überträgt das Geschriebene direkt ins Internet. So ist bloggen bequem.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Voriger Beitrag

#205

Nächster Beitrag

Die gfährliche alte Zeit

Gehe zuNach oben