Surreal

10. März 2004

Heruntergekommene Wohnung in heruntergekommenem Haus. Immerhin ist es warm – kubawarm.

Der Wasserhahn sitzt knapp unter der Decke – aufgedreht wird durch einen kräftigen Klaps auf die Wand. Man muss aber schon wissen, wo. Sie hätte halt ihren Pelzmantel nicht dazwischen hängen sollen, wozu braucht sie hier auch eine Pelzmantel? Ich trockne ihn trotzdem ab.

Keiner will durchs einsturzgefährdete Stiegenhaus gehen, deshalb haben wir eine Leiter runter zur Straße. Es wird dunkel. Wir suchen ein Lokal. Das einzige Lokal, in dem man essen kann, ist klein und stickig. Von der Bühne schmachtet eine Frauenstimme brasilianischen Tango. Kein Ahnung, was an dem Tango brasilianisch ist. Das Essen ist fett und schwer.

Das Lebensmittelgeschäft wird aufgelöst, ich kaufe ein, Kiste um Kiste, hauptsächlich Obst und Gemüse. Hinter mir an der Kasse ein Pärchen, er sieht aus wie der Junge Reinhard Mey und hat es sehr eilig. Kein Problem, wenn er mit seinen Kisten an meinen Kisten vorbeikommt. Ich beginne derweil Pfirsische zu schälen und zu vietreln und verteile sie an Passanten, dort, wo die Wand fehlt.

Wie bringe ich denn das alles nach Hause, denke ich. Kein Problem, sagt die Kassierin, das ist schon bei ihnen. Wie hat sie das gemacht?

Ganz einfach, man sagt einen Ort, und die Hintertür geht auf den Ort hinaus. Versuchen sie es ruhig, sagt sie. “Zoo” sage ich, öffne die Türe und stehe vor dem Affenkäfig. Ich mach die Tür zu. “Markt”, Tür auf, und ich stehe mitten am Bazar. Die Kassierin lacht.

Ich sitze in der Straßenbahn, den Laptop auf den Knien. Einer pinkelt durch den nicht-schließenden Türspalt aus dem fahrenden Wagen. Der Schaffner kommt, ein umgedrehtes Bügeleisen in der Hand, aus der Fahrerkabine. Auf dem Bügeleisen ein Topf mit Wasser. Offenbar hat er auf die Art Kaffeewasser gekocht. Er will nach hinten, stolpert und verschüttet das Wasser. Auf den Knien benutzt er das noch heiße Bügeleisen, um das Wasser wegzudampfen.

An der nächsten Station steige ich aus. Der Schaffner bringt mir meine Kleider, die ich wie alle Passagiere beim Einsteigen gegen ein großes blaues Leintuch eingetauscht habe. Es ist nicht leicht, auszusteigen, weil von draußen ein paar Leute hereindrängen. Zuerst aussteigen lassen, schimpfe ich, und werde belehrt, dass man hierzulande die Leute zuerst einsteigen lässt. Ich lasse mich nicht beirren und dränge mich hinaus. Ein kleines schwarzes Mädchen hält mir einen empörten Vortrag.

Ich gehe über die staubige Straße, auf ein paar niedrige Hütten zu. Ein zotteliger Hund mit drei Beinen wirbelt im Kreis und kläfft dabei. In den Hütten ist niemand, aber keiner hat sich die Mühe gemacht, abzusperren. Da liegt ein unförmiges Paket mit meinem Namen drauf. Ich nehme es und gehe zurück zur Haltestelle.

Da steht das kleine Mädchen und weint. Was denn los ist, frage ich sie, in der Befürchtung, ich hätte sie beleidigt. In der Straßenbahn ist ein Mann mit einem Fotoapparat, deshalb konnte sie nicht einsteigen. Ich verstehe nicht warum.

Ein Fahrrad mit Helikopter-Rotor fliegt über uns und wirft mir ein Seil zu. Ich knüpfe ein paar Knoten und hänge mich ans Seil. Es ist ziemlich bequem. Er setzt mich am Dach meines Hauses ab.

In der Wohnung 3 Freunde, die aus dem von mir kistenweise gekauften Obst Marmelade kochen. Ich bin entsetzt. Ich wollte es doch einfrieren und dann zum Konzert Obstkuchen backen. Dazu habe ich schließlich das Gefriertruhen-Selbstbau-Set geholt.

Ich packe das Paket aus: Ein riesiges aufblasbares Zelt, drei Steine, ein paar Metall-Leisten. Und ein winziger Chip. Wir blasen das Zelt auf, basteln die Leisten zusammen, so, dass die Steine direkt überinander hängen. Der Chip kommt in die Türe. Auggenblicklich ist es eiskalt im Zelt. Von außen sieht es aus wie ein fluoreszierendes Tipi. M. findet es häßlich. Ich finde, es sieht gemütlich aus.

Durch die Tür stürmen 3 Uniformierte. Das Kühlzelt schrumpft sofort auf Chipgröße zusammen. “Sie sind in der Straßenbahn fotografiert worden”, schreien sie mich an. Sie wollen meinen Laptop. Den habe ich gegen das Obst eingetauscht, sage ich. Sie versuchen, mir Handschellen anzulegen, aber die Handschellen schließen nicht. Dann ist sie die falsche, folgern die Soldaten und entschuldigen sich. Ich schenke ihnen ein paar Pfirsiche, bevor sie wieder gehen.

Das Zelt kehrt zu seiner ursprünglichen Form zurück. Die ganze Zeltplane ist Bildschirm, und es kann viel mehr, als der Laptop konnte. Ich hänge ein Starterkabel an die Wasserleitung, und es kann sogar Internet.

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